Wenn die Kleinen den Großen Paroli bieten

Foto: Matthias Gröbl
5Bilder

BEZIRK. Wir sind im Jahr 2011. „Quereinsteiger“ Bernd Fischer übernimmt einen jahrelang gut laufenden Nah & Frisch Standort in Losenstein. Der gelernte Ergotherapeut sattelt von heute auf morgen in die Lebensmittelbranche um und hält so die Nahversorgung in seinem Wohnort aufrecht. Sein Geschäft soll Treffpunkt und sozialer Nahversorger in einem sein. Die Kunden bekommen eine Kaffee-Ecke, die Kinder einen Spielbereich im Geschäft. Auf regionale Produkte legt Fischer Wert.

„Ich kann nicht mehr“

Vier Jahre sind seither vergangen. Fischer ist immer noch der Nahversorger im Ortskern von Losenstein. Sein Alleinstellungsmonopol aber muss er abtreten – im November 2013 hat sich eine Billa-Filiale in Losenstein angesiedelt. „Wir stecken gerade mitten im Verdrängungswettbewerb. Jetzt muss sich langsam etwas rühren. Ich kann nicht mehr“, sagt Fischer.

Johannes Brandl ist Geschäftsführer der Zukunftsakademie SPES. Fünf oberösterreichischen Gemeinden hat SPES schon geholfen, das Ortszentrum am Leben zu halten – durch die Sicherung der Nahversorgung. „Viele Gemeinden haben heutzutage Probleme, die Versorgung für ihre Bürger sicherzustellen. Kleine Geschäfte können nicht mit den großen Ketten mithalten, Kaufkraft fließt ab, die Nahversorgung ist bedroht“, so Brandl. Wie wichtig aber eine funktionierende Nahversorgung im Ort – speziell für ältere Menschen – ist, werde oft erst wahrgenommen, wenn diese nicht mehr vorhanden ist. „Es ist quasi eine Investition in die Bewusstseinsbildung der Leute“, sagt Brandl.

Einer der Orte, in dem die Arbeit der SPES bereits Früchte trägt, ist Schiedlberg. Gemeinsam wurde der Verein „Für Schiedlberg“ gegründet.
„Das Geld dafür kam von der Bevölkerung. Man konnte Bausteine kaufen und nach gewissen Jahren dann um dieses Geld einkaufen gehen. Alle sind froh, dass es unser 'G'schäftl' gibt, sonst hätten wir garnichts“, sagt die Schiedlbergerin Teresa Dietachmair.

„Der Fischer braucht das Geschäft am allerwenigsten“

Auch Bernd Fischer in Losenstein hat bereits Gespräche mit Brandl geführt. „Wenn die Gemeinde nicht voll und ganz dahinter steht und die Frequenzen so gut wie möglich ins Zentrum holt, dann hat Fischers Nahversorgung ganz schwierige Marktbedingungen. Als Kleiner für sich selbst zu werben, ist schwierig. Die Losensteiner sollten nicht vergessen: Der Fischer braucht das Geschäft am allerwenigsten. Wenn er wieder als Ergotherapeut arbeiten würde, hätte er wesentlich weniger Arbeitsstunden pro Woche – und ein sicheres Einkommen. Es liegt ihm aber viel an der Infrastruktur im Ort“, stellt Brandl fest.
Ein intakter Ort lebe nicht von einer Einkaufsinsel, sondern vom intakten Zentrum. „Entscheidungsträger sind gefragt. Ich hoffe endlich auf Unterstützung von der Gemeinde. Dort verhält man sich mir gegenüber aber ziemlich ruhig“, so Fischer.
„In einem Markt haben viele Platz. Die Frage ist, wie ich mich ausrichte. Das regionale Angebot bei Bernd Fischer wissen viele zu schätzen. Damit es gut läuft, muss es von den Leuten mehr honoriert werden. Der Leidensdruck in der Bevölkerung muss immer einen gewissen Grad erreichen, bis reagiert wird“, sagt Bürgermeister Karl Zeilermayr. Aktuell gebe es seitens der Gemeinde noch keinen konkreten Lösungsvorschlag, man arbeite aber daran.

„Klein, aber oho!“

Gabriele Degenfellner ist Nah & Frisch Kauffrau in Waldneukirchen und Aschach. Vergangenes Jahr ist ihr Geschäft als „Österreichs bestes selbständiges Lebensmittelgeschäft“ in der Größe bis 400 m² mit dem „Goldenen Merkur“ ausgezeichnet worden. „In Waldneukirchen habe ich einige Großkonzerne im Umkreis von vier Kilometern. Ich glaube aber, dass es deshalb so gut läuft, weil die Leute mein regionales Angebot schätzen. Auch das Persönliche ist wichtig. Bei uns geht's nicht schnell schnell durch die Kassa und dann kommt schon der nächste dran. Man bekommt soziale Nahversorgung. Wir sind klein, aber oho! Und genau das ist das Privileg von uns Kleinen“, sagt Degenfellner. In Gemeinden wie Waldneukirchen und Aschach wisse man das trotz Nähe zu Großkonzernen zu schätzen.

Anzeige
Karin befördert mit Begeisterung Fahrgäste. | Foto: OÖVV/Kneidinger-Photography
4

Für den OÖVV am Steuer
Quereinsteiger im Bus: Ein neuer Job mit vielen Vorteilen

Es gibt Menschen, die von Kindheitstagen an auf das Buslenken als Traumberuf hinarbeiten. Die meisten Buslenkerinnen und Buslenker entdecken diesen abwechslungsreichen und krisensicheren Job aber erst im Laufe der Zeit für sich.Wir stellen heute vier Beispiele vor: Karin ist gelernte Konditorin, Kathrin war Tischlerin – beide hatten vorher auch Lkw-Erfahrung –, und Bernadette und Michael tauschten ihre Gastrovergangenheit mit einem Platz hinter dem Buslenkrad.  Übers Lkw-Fahren zum...

1 Kommentar

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

UP TO DATE BLEIBEN

Aktuelle Nachrichten aus Steyr & Steyr-Land auf MeinBezirk.at/Steyr&Steyr-Land

Neuigkeiten aus Steyr & Steyr-Land als Push-Nachricht direkt aufs Handy

BezirksRundSchau Steyr & Steyr-Land auf Facebook: MeinBezirk.at/Steyr&Steyr-Land - BezirksRundSchau

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus Steyr & Steyr-Land und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Du willst eigene Beiträge veröffentlichen?

Werde Regionaut!

Jetzt registrieren

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.