Über die Schönheit und ihre Wirkmacht

Stefan Sagmeister ist eine Designikone und hat von Vorarlberg aus die Grafikwelt erobert. Er hat für Weltstars gearbeitet und zusammen mit seiner Geschäftsparnterin Jessica Walsh die bekannte Agentur "Sagmeister & Walsh" aufgebaut. Sein "The Happy Film" in dem er verschiedene Wege zum Glück ausprobiert hat ihn auch für ein breiteres Publikum bekannt gemacht. Der bekannte Designer absolviert seinen einzigen Österreich-Termin am 22. August in Mayrhofen im Zillertal

F: In ihrem Buch „Beauty“ (zusammen mit Jessica Walsh) schreiben Sie, dass die immer schneller werdenden Lebensmuster die Schönheit bzw. Kreativität enorm einschränken. Macht ökonomischer Druck die Welt hässlicher? 
A: Das "Schöne" wurde im 19. Jahrhundert als eigener Wert angesehen, auf derselben Höhe wie das "Gute". Als sich dann im 1. Weltkrieg sogenannte zivilisierte Nationen auf die brutalste Art umbrachten, verloren viele Künstler, gerade auch Max Ernst und Marcel Duchamp, den Glauben an den Wert des Schönen. Darum Duchamp's Pissoir als Verneinung der Schönheit. Dieses Denken ist für mich geschichtlich gut nachvollziehbar, heute aber durch hundertjährige Wiederholung im wahrsten Sinne des Wortes überholt und langweilig.     
Ich selbst glaube, dass die Menschheit ab und zu einen falschen Weg einschlägt, und diesen dann aber erkennt und erstaunliche Fähigkeiten entwickelt, die richtige Richtung wieder zu finden. Viele mögliche Katastrophen wie Atomkrieg oder die Bevölkerungsexplosion sind (bisher) nicht eingetroffen, weil wir dann doch den Weg gefunden haben. 
Der ökonomische Druck spielt eine Rolle, er lässt sich aber umgehen. Es ist möglich, schöne Dinge günstig herzustellen. 

 F: Ihre Leidenschaft für die Musik ist bekannt. Wie würden Sie Ihre Beziehung zu Ihr definieren? Ist Musik die „höchste“ Form der Kunst? Was findet man in Ihrer Plattensammlung?
A: Ich war mit 17 in einigen miserablen Bands. Ich habe entdeckt, dass mir die Gestaltung der Verpackung mehr Spaß macht als die Herstellung der Musik.
In der Zwischenzeit war ich dann oft neidisch auf meine Kunden, weil sich mit Musik oft eine engere emotionale Bindung herstellen lässt wie mit Bildern.
In meiner Plattensammlung findet man vor allem schöne Covers, weil ich nur nach Cover einkaufe. Wenn das Cover gut ist, ist es die Musik häufig auch (stimmt aber nicht umgekehrt!).

F: Stichwort Architektur: auch auf dem Land wird immer mehr zugepflastert und die Bauwerke werden zusehends mehr auf Funktionalität reduziert. Was wäre ihr Ratschlag an die Architekten? 
A: Die Architekten werden nicht auf meinen Ratschlag warten. Aber: Gutes Design inkludiert immer die Schönheit als Ziel. Wenn die Schönheit nicht zum Ziel gesetzt wird, wird es nicht schön werden. Schönheit ist schwer. Einen funktionierenden Stuhl zu gestalten, also einen, auf dem es sich bequem sitzen lässt, ist sehr einfach, ich könnte an einem Vormittag zwei bis drei duzend davon gestalten. Einen funktionierenden Stuhl zu gestalten, der auch schön ist - in einer der heutigen Zeit angemessenen Weise, das ist sehr schwer. Darum, so vermuten wir, drücken sich auch viele Gestalter davor und lieben die reine Funktionalität. Die ist einfach. 

F: Das Bücherregal, das Marc Newson 2007 entwarf und welches acht Mal zu je 1 Million Dollar verkauft wurde, wirft die Frage auf, ob die schönen Dinge des Lebens immer teuer sein müssen? 
A: Schöne Dinge können teurer sein, sie müssen es aber nicht. Zu Beginn des Modernismus glaubten viele, unter anderem auch Adolf Loos, dass einfache Dinge billiger herzustellen wären als ornamentale. Aber das war oft nicht der Fall: Einfache Linien und Flächen sind sehr schwierig in der Herstellung, weil sie jeden Fehler sichtbar machen und deshalb hohe und teure Präzision erfordern, während komplexe Muster diese Fehler oft verdecken können. 

F: Sie nehmen sich alle sieben Jahre eine Auszeit - was werden wir in Zukunft von Stefan Sagmeister hören? Gibt es vielleicht wieder einen Film? 
A: Ich kann mit großer Sicherheit sagen, dass ich keinen zweiten Film machen werde. Die Herstellung des ersten war einfach zu schwer.

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