Verspielte Zeit – Die Ausstellung
KIRCHBERG/WAGRAM. In Kirchberg am Wagram steht ein Gebäude, das unter Kaiser Franz Josef als Gefängnis erbaut und bis 1974 als Bundesanstalt für Erziehungsbedürftige (Außenstelle von Kaiserebersdorf) als Straflager für Jugendliche geführt wurde. Bis 2017 war das „Gefangenenhaus“ nicht öffentlich zugänglich. Im Rahmen der Ausstellung „Verspielte Zeit“ bietet sich die seltene Gelegenheit ein vergessenes Stück Geschichte völlig neu zu erleben.Von 12. - 18. Juli 2020 wurde in Kooperation mit dem Verein Kunst-Kultur-Kirchberg im Gebäude der ehemaligen Bundesanstalt für Erziehungsbedürftige in Kirchberg am Wagram ein Kunstsymposium veranstaltet, bei dem junge Künstlerinnen aus Wien und Niederösterreich vor Ort gelebt und gearbeitet haben. Ergebnis dieses Aufenthaltes ist die Ausstellung „Verspielte Zeit“ „Verspielte Zeit“ hat mehrere Bedeutungen: „verschwendet“, eine verspielte Chance, etwas Vergangenes, das nicht mehr zurückzuholen ist.
Verspielt hat aber auch eine eindeutig positive Konnotation: das Spielen als eine urkindliche Aufgabe und fundamentaler Lernprozess; das Spielen als Ausdruck der eigenen Persönlichkeit; das Spielen als kreativer Prozess. In den vergangenen Monaten hat die Welt erlebt was es bedeutet, wenn die Bewegungsfreiheit und die Gestaltungsmöglichkeiten des eigenen Lebens radikal eingeschränkt werden. Birgit Glocker und Twan Geissberger haben 17 weitere Künstlerinnen dazu eingeladen die Zellen als Spielräume zu transformieren und das Potential freiheitsentziehender Maßnahmen in all seiner Vielschichtigkeit auszuloten. Gezeigt wird Malerei, Keramik, Video, Skulptur, Installation, Performance und Sound, sowie Entwürfe von Schülerinnen der NMS Kirchberg am Wagram entstanden für das Projekt „Das Spielhaus“. Am 3. Oktober von 17h bis 1 Uhr früh findet im Rahmen der „ORF-Lange Nacht der Museen“, die Finissage statt, mit Expert*innendiskussion, Performances, Filmkonzert und DJ-Line.Parallel zur Ausstellung „Verspielte Zeit“ , die von 8. August - 3. Oktober besichtigt werden kann, wird das ca. 2m3 große Kunstobjekt „Das Spielhaus“ fertiggestellt. Die feierliche Eröffnung des „Spielhauses - Bespielbarer Gedenkort“ findet am 25. September 2020 um 11:30h statt.
7-Tage Digitale Ausstellung
Als Reaktion auf Covid-19 haben sich ausgewählte Künstlerinnen in den Zellen isoliert und den kreativen Schaffensprozess in „Quarantäne“ filmisch dokumentiert.
Die Ergebnisse werden von 27. September bis 2. Oktober online veröffentlicht. Danach wandert diese digitale Ausstellung nach Wien, wo sie von 15.-30.Oktober 2020 im Red Carpet Showroom Karlsplatz zu sehen sein wird.
Das Spielhaus – Bespielbarer Gedenkort im öffentlichen Raum
In den letzten 3 Tagen vor dem unerwarteten Corona-Lockdown fand in den Werkräumen der NMS/PTS Kirchberg am Wagram noch ein Workshop für ein besonderes Kunstprojekt statt. Unter der Anleitung der Wiener Künstlerinnen Birgit Glocker und Twan Geissberger haben 65 Schüler*innen der NMS/PTS Kirchberg am Wagram die Dachziegel für ein Kunstwerk im öffentlichen Raum gestaltet,
das als sichtbares und bespielbares Denkmal an das baulich versteckte ehemalige Gefangenenhaus mit seiner komplexen Vergangenheit verweisen soll. Birgit Glocker und Twan Geissberger sind überzeugt, dass jeder Mensch die Chance auf Wachstum und Entwicklung haben sollte, eine Chance die den Jugendlichen der ehemaligen Bundeserziehungsanstalt verwehrt war. Das war der Anstoß für die Idee, eine Transformation des sog. „Gefängnisses“ mit den heutigen Jugendlichen von Kirchberg am Wagram durchzuführen indem ein “neues” Haus bzw. ein neuer „Spielraum“ gebaut wird, wo die Kinder ihre individuellen Vorstellungsbilder von Freiheit, Wachstum und Entwicklung ausdrücken können. Die minimalistische, starre Holzkonstruktion des Spielhauses, dessen Proportionen von österreichischen Troadkästen abgeleitet sind, bildet einen Kontrast zu den freien und farbenfrohen keramischen Malereien der Schüler *innen am Dach. So wird das Kunstwerk zur Metapher für die begrenzenden Lebensumstände im Widerspruch zum Potential der Jugendlichen in der Jugendstrafanstalt. Direktor Klaus Kettinger und die Pädagoginnen Stefan Schillap, Johanna Kain und Judith Reinisch von der NMS/ PTS Kirchberg am Wagram haben das Kunstprojekt großzügig unterstützt. So wurden etwa die Entwürfe für die Dachziegel im Rahmen des Kreativunterrichtes entworfen. „Das Spielhaus“ wurde von der Gemeinde Kirchberg am Wagram und Public Art Niederösterreich finanziert und wird als permanentes, bespielbares Denkmal in Kirchberg am Wagram installiert.
Für die Realisierung der handgefertigten Dachziegel konnte die Universität für Angewandte Kunst Wien als Projektpartner gewonnen werden. Der Kunstworkshop wurde von KulturKontakt Austria gefördert.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.