Gerald Mörzinger
"Ein guter Dirigent ist Pädagoge, Psychologe & Künstler"
In der 63-jährigen Geschichte des Musikvereins Lacken stand mehr als 50 Jahre ein Mörzinger am Dirigentenpult.
LACKEN. Die Leidenschaft für Musik wurde Gerald Mörzinger quasi in die Wiege gelegt. Sein Vater Josef war 25 Jahre Kapellmeister des Musikvereins Lacken. 2020 hätte der Sohn ebenso sein 25-jähriges Jubiläum gefeiert – wäre da nicht Corona gewesen. Am 11. März wird um 19.30 Uhr im Schul- und Kulturzentrum Feldkirchen nun das "25+3 Jubiläumskonzert" nachgeholt. Wir haben die beiden langjährigen Dirigenten zum Interview getroffen.
Gerald, erzählen Sie von Ihren Anfängen – wie sind Sie Kapellmeister geworden?
Gerald Mörzinger: Mein Vorgänger Johann Wild hat 1994 im Herbst spontan den Verein verlassen und es gab keinen Dirigenten mehr. Nach langem Hin und Her hab ich mich dazu entschlossen, den Taktstock bis Jahresende zu übernehmen.
28 Jahre später sind Sie noch immer Dirigent. Was war der Grund weiterzumachen?
Gerald Mörzinger: Die Neugierde, die Freude am Umgang mit Menschen und die Herausforderung, was man alles schaffen kann. Bei Otto Wimmer habe ich dann das Dirigieren gelernt.
Wenn Sie heute und damals vergleichen: Was hat sich im Musikverein verändert?
Gerald Mörzinger: Früher war es lustiger – salopp gesagt: Es ist nicht um so viel gegangen. Heute sind sicher der Ehrgeiz und das Streben nach Perfektion größer: Man hat Ziele und die möchte man erreichen. Viele besuchen außerdem die Musikschule. Generell ist das musikalische Niveau viel höher. Gleich geblieben ist zum Glück die Kameradschaft.
Sie sprechen von Zielen. Was sind Ihre?
Gerald Mörzinger: Die haben wir eigentlich erreicht (lacht). Mein Ziel war es, eine C-Kapelle zu werden. Wenn wir das halten können oder Schritt für Schritt weiter hinauf kommen, bin ich mehr als zufrieden. Immerhin sind in Lacken keine Profi-Musiker oder Musikschullehrer dabei.
Gab es ein Erlebnis mit dem Musikverein, das sich besonders eingeprägt hat?
Gerald Mörzinger: Wir waren sehr oft auf Reisen – Birmingham oder Shanghai zum Beispiel. Natürlich werde ich nie die erste Konzertwertung in der Stufe C mit Auszeichnung vergessen. Da hat man Glücksgefühle und kann nicht mehr schlafen, weil man glaubt zu fliegen. Solche speziellen Momente kann man sich aber wahrscheinlich nur schwer vorstellen, wenn man es nicht selbst erlebt hat. In Erinnerung bleiben sicher auch die Bundesmarschwertung in Bischofshofen und der Ausflug nach Rastede.
Was ist euer Geheimnis, die Musiker für solch weite Reisen zu motivieren?
Gerald Mörzinger: Ich war schon immer ein Mensch, der versucht hat, alles kompakt zu halten und immer wieder kleine Ausflüge zumachen – zum Nachbarsverein, dann mal irgendwo in Oberösterreich. Das habe ich immer gepflegt und so sind die Musiker eigentlich hineingewachsen. Dann haben wir die Anfrage für Birmingham bekommen. Gleich von Beginn an waren zwei Drittel der Musiker dafür und so hat das Eine das Andere ergeben. Shanghai folgte und die nächsten Reisen stehen auch schon wieder an: Nächstes Jahr fahren wir in die Schweiz, 2025 eventuell nach Italien.
Sie sind nach wie vor bei zahlreichen Kapellmeister-Fortbildungen in ganz Oberösterreich dabei. Erfahrung hätten Sie mittlerweile ja genug – warum machen Sie das trotzdem?
Gerald Mörzinger: Wer sich nicht weiterbildet, kann keine Verbesserung erwarten. Auch wenn man schon einiges weiß – man lernt jedes Mal etwas Neues dazu, das man dann auch im eigenen Verein probieren kann. Manches hat uns weitergeholfen, anders funktioniert nicht. Das sind dann Momente, wo ich mir denke: Hätte ich nie gewusst, wenn ich nicht dort gewesen wäre.
Was würden Sie Ihrem jüngeren Ich mit der jetzigen Erfahrung als Kapellmeister sagen?
Gerald Mörzinger: Als Junger hat man viel mehr Temperament und ist teilweise mit der Wortwahl gröber unterwegs. In der Ruhe liegt die Würze und man soll nicht so schnell durch die Decke gehen.
Was erwartet die Besucher bei eurem Jubiläumskonzert?
Gerald Mörzinger: Die besten Stücken der letzten 28 Jahre. Es ist sicher für jeden etwas dabei. Auch zwei Sängerinnen – Daniela Dett und Theresa Bumberger – treten auf.
Josef, Sie waren von 1965 bis 1990 Kapellmeister in Lacken. Wie stand es damals um die Ausbildung?
Josef Mörzinger: Man ist quasi einfach zum Nachbarn der spielen konnte gegangen, und hat dort musizieren gelernt. Eine Ausbildung für Dirigenten gab es nicht.
Können Sie sich noch an die Anfänge des Musikvereins Lacken erinnern?
Josef Mörzinger: Ich war damals schon bei der Gründung dabei. Es war eigentlich ein trauriger Anlass, denn es wurde ein Friedhof errichtet. Und da hat es geheißen, wenn es hier mal Begräbnisse gibt, dann soll auch eine Musik spielen. Das war eigentlich der Grund. Der Gründungsobmann Leopold Nigl und der Gründungskapellmeister Gottfried Breuer, bekannt als "Stöckö Fredl", haben sich hier besonders eingesetzt. Zu Beginn haben die rund 15 Musiker in Privathäusern geprobt und später beim Wirt im Saal. Mitte der 70er-Jahre entstand ein Proberaum.
Was war für Sie damals der Grund, den Taktstock an jemand anderen zu übergeben?
Josef Mörzinger: Der Idealismus ist abhanden gekommen. Die Luft war heraußen. Die Musiker erkennen, wenn du vorne stehst und keine Freude mehr dabei hast.
Was macht eurer Meinung nach einen guten Dirigenten aus?
Josef Mörzinger: Musikalität setzt man eh voraus. Wichtig ist aber, dass der Kapellmeister mit den Menschen gut umgehen kann und viel Geduld hat.
Gerald Mörzinger: Man muss Pädagoge, Psychologe und Künstler sein. Ein guter Dirigent über- und unterfordert niemanden, hält alle zusammen und ist für jeden da.
Wie ist es euch während der Corona-Zeit als Verein ergangen?
Gerald Mörzinger: Das erste Jahr haben wir ja akzeptieren müssen. Das Schlimmste war für mich, die Absage drei Tage vor dem 25-Jahr-Jubiläumskonzert. Das hat mich mehrere Monate mitgenommen – psychisch und emotional. Da habe ich lange gebraucht, um mich zu erholen. Im Herbst dachten wir, dass es wieder losgehen kann. Ich habe dann auch jeden Musikanten persönlich mit einem kleinen Mitbringsel besucht und so versucht, ihn zu motivieren, dass es wieder weitergeht. Dann der nächste Tiefpunkt – wieder keine Proben. Der Start letzten Sommer war dann sehr bedürftig. Mittlerweile ist der Probenbesuch aber wieder akzeptabel.
Wird der nächste Kapellmeister auch ein Mörzinger?
Gerald Mörzinger: Ich kann nicht für meinen Sohn sprechen, aber ich glaube eher nicht. Julian ist einer, der einfach irrsinnig gerne spielt und sich viel Zeit für sein Instrument nimmt. Er ist quasi mit seiner Trompete verheiratet. Ob er die Geduld, die Ausdauer und den Ehrgeiz hat, eine Kapelle zu übernehmen, wird sich herausstellen.
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