Filmkritik
Wir sind die Anderen
Die WOCHE hat eine Filmkritik zu Jordan Peeles Horrorfilm „Us“.
VILLACH. Die Menschheitsgeschichte ist voll mit kriegerischen Auseinandersetzungen. Und es ist immer ein „Wir“ gegen „Die“. Die Anderen sind die, die nicht zu uns gehören. Die nicht so sind wie wir. Die “Anderen” werden in den Propagandamaschinerien entmenschlicht und monströs gezeichnet. Die eigenen und die fremden Identitäten sind immer ganz klar festgelegt. Oscarpreisträger Jordan Peele („Get Out“) subvertiert in seinem neuen Geniestreich nun diese Sichtweise, und präsentiert einen Home Invasion-Thriller der etwas anderen Art. Die Aggressoren werden in einem Identitätsspiel zum Spiegelbild der Protagonisten.
Worum geht’s?
Adelaide (Lupita Nyong’o) und Gabe Wilson (Winston Duke) fahren mit ihren beiden Kindern zu ihrem Feriendomizil. Doch die Idylle wird jäh gestört, als plötzlich eine andere Familie in ihrer Auffahrt steht, und in ihr Haus eindringen will. Die Situation wird noch merkwürdiger, als sich die jeweiligen Mitglieder der anderen Familie als Doppelgänger der Winstons entpuppen. Und die sind nicht bloß auf ein Schwätzchen vorbeigekommen…
Horror mit Tiefgang
Das Horrorgenre hat im vergangenen Jahrzehnt eine Renaissance durchgemacht. Filme wie „The Babadook“, „It Follows“, „Lights Out“ und „Get Out“ haben nicht nur einem einen Schauer über den Rücken laufen lassen, sie sprechen auch wichtige Themen an, und respektieren ihre Figuren und Geschichten. In dieselbe Sparte fällt „Wir“. Während „Get Out“ sich mit Rassismus auseinandersetzt, stellt „Wir“ Fragen nach der Identität und freiem Willen. „Wir sind Amerikaner“ dient hier auch als bedeutsamer Schlüsselsatz, und der Originaltitel des Filmes, „Us“, enthält auch die zweite Bedeutung „US“ – Vereinigte Staaten.
Doppelt hält besser
Im Herzen des Filmes stehen die Figuren, und die Familie Winston wird wunderbar charakterisiert und eingeführt im ersten Akt. Man fühlt mit ihnen mit, und zeitweise vergisst man sogar, dass noch der Horroraspekt kommt. Dazu kommt, dass die Hauptdarsteller eine Doppelrolle zu meistern hatten. Lupita Nyong’o beweist erneut ihr Schauspieltalent, und schafft es bravourös, ihren zwei Figuren komplexes Leben einzuhauchen. Während der Zuseher sich um das Wohl ihrer Adelaide fürchtet, fürchtet er sich vor ihrer Red.
Das bietet der Film
Der Film hat auch keine Scham davor, Humor einzusetzen. An vielen Stellen reagieren manche Figuren mit witzigen Aussagen auf die schiere Verrücktheit der Ereignisse. Anders als in anderen Horrorfilmen ist das aber nicht störend, passt es doch gut zu den Figuren. Die Kameraarbeit von Michael Gioulakis schafft es, die normalsten Szenen in schaurig schöne Bilder zu tauchen, sowie die immer wieder auftretende Zahl 11:11 als Silhouetten oder Schatten unterzubringen. Hervorzuheben ist ebenso der Score von Michael Abels, der schon für „Get Out“ komponierte. Nicht nur sorgt sein Intro-Thema durch den Einsatz eines Chorgesangs für Gänsehaut, seine Variation des Rap-Songs „I got 5 on it“, welches schon im Trailer die richtige Atmosphäre bot, hat einen wunderbaren Einsatz im Film während des Showdowns.
Fazit
“Wir” beginnt als Home Invasion-Horrorthriller, und entwickelt sich zu einer apokalyptischen Quest nach Identität und dem eigenen Platz in der Welt. Dabei verwendet der Film auch Platons Höhlengleichnis sowie unzählige Kultfilme als Referenzmittel. Die Schauspieler schaffen es gekonnt, in duale Rollen zu schlüpfen, und der grandiose Soundtrack und Score sorgen für die richtige Stimmung. Der Humor ist ebenfalls richtig eingesetzt und komplettiert das Horrorszenario. Ein Must-See des Jahres.
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Infos:
"Wir" (OT: "Us")
Universal Pictures
USA 2019
Horror, Thriller
R: Jordan Peele
B: Jordan Peele
D: Lupita Nyong'o, Winston Duke, Elisabeth Moss, Shahadi Wright Joseph, Evan Alex
L: 1h 56min
FSK: 14
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