Abhängigkeit
Sucht entsteht im Kopf
Es gibt viele verschiedene Abhängigkeiten. Doch ab wann spricht man von einer Sucht? Experten im Gespräch.
VILLACH/VILLACH LAND. Wenn der Durst, das Verlangen nahezu übermächtig wird, dann ist eine Abhängigkeit nicht weit. Das kann Alkohol sein, Drogen, Schmerzmittel, aber auch die Spielsucht zählt dazu. Die Gründe dafür sind vielfältig, das weiß auch Michaela Leopold, die ärztliche Leiterin der Diakonie de La Tour, deren Häuser in Villach und Treffen am Ossiacher See bestens mit Suchttherapien vertraut sind. "Man kann eigentlich nach allem süchtig werden. Das kann viele Faktoren haben – physische, psychische, aber auch soziale Probleme spielen oft mit rein", so Leopold.
Sucht ist chronisch
Anders als ein Zwang, läuft das Suchtverhalten über das Belohnungszentrum im Gehirn. "Die Sucht hat die Eigenschaft, dass es eine Toleranzentwicklung gibt. Das Gehirn gewöhnt sich daran, was in den meisten Fällen eine Dosissteigerung zur Folge hat", erklärt Leopold das zentrale Merkmal einer Sucht. Es sei ein stufenweiser Prozess. Von außen kaum zu erkennen. Die Betroffenen dagegen wissen oftmals über ihre Problematik Bescheid, der Weg bis zur Therapie ist dennoch kein direkter. Denn auch hier kann lediglich der Umgang mit der "Krankheit" gelernt werden. "Eine Sucht ist etwas Chronisches, das geht nicht mehr weg. Man muss nur lernen sie zu kontrollieren", betont Leopold. Einer der Gründe, weshalb bei Alkoholikern die Null-Toleranz- beziehungsweise -Promillegrenze gilt. Die Versuchung und die damit verbundene Rückfallgefahr sei sonst viel zu groß. Um das Risiko zu minimieren bietet die Diakonie de La Tour ein umfangreiches und kärntenweites Nachbetreuungsnetz, das ebenso wichtig ist wie die stationäre Behandlung.
Hauptproblem: Heroin
Auch Claudia Scheiber, die in Villach Land lebt und die Drogenambulanz in Klagenfurt leitet, weiß: "Sucht hat es immer schon gegeben und wird es auch immer geben. Es gibt regionale Unterschiede, in Kärnten haben wir sehr viel Heroin im Österreich-Vergleich", stellt Scheiber fest. Problematisch ist, dass Kärnten ein Durchzugsland für den Drogenschmuggel ist. Die Nähe zu Slowenien, wo tonnenweise Heroin umgeschlagen wird, nicht gerade dienlich. Beschaffungsmarkt: das Internet.
Klientel: Junge Erwachsene
Zwischen 20 und 30 Jahren ist der Großteil der Patienten der Drogenambulanz. "Wir sind eine Anlaufstelle für schwer suchtkranke Patienten. Zu uns kommen Patienten erst, wenn sie eine manifeste Suchterkrankung haben", sagt Scheiber. Die Altersklasse der unter 18-Jährigen bildet einen geringen Teil der Klienten aus. Spannendes Detail: Das Phänomen des Drogenkonsums ist ein Phänomen des jungen Erwachsenenalters. "Es kommt mit zunehmendem Alter immer wieder zu Aging out, die Sucht wächst sich aus. Diejenigen mit einer schweren Suchterkrankung, die eine weitere Behandlung benötigen, sind psychisch und physisch sehr krank. Die anderen machen im Laufe der Therapie eine Entwicklung durch, dass andere Dinge im Leben interessant werden", so die Expertin. Bei diesen "interessanten Dingen" handelt es sich um tatsächlich ganz banale Dinge, wie beispielsweise eine Familie zu gründen oder aber den Führerschein zu machen.
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