** Waldheimat **
*** Als ich die Christtagsfreude holen ging *** - WEIHNACHTSGESCHICHTE von Peter Rosegger

Der einstige "Waldbauernbub" Peter Rosegger
schrieb diese berührende Weihnachtsgeschichte:
Als ich die Christtagsfreude holen ging ...
Foto: Pixabay
  • Der einstige "Waldbauernbub" Peter Rosegger
    schrieb diese berührende Weihnachtsgeschichte:
    Als ich die Christtagsfreude holen ging ...
    Foto: Pixabay
  • hochgeladen von Hildegard Stauder

... Diese Gedanken trugen mich anfangs wie Flügel.

Doch als ich eine Weile
die schlittenglatte Landstraße dahingegangen war,
unter den Füßen knirschender Schnee, musste ich mein Doppelbündel
schon einmal wechseln von einer Achsel auf die andere.
In der Nähe des Wirtshauses "zum Sprengzaun"
kam mir etwas Vierspänniges entgegen.
Ein leichtes Schlittlein mit vier feurigen, hoch aufgefederten  Rappen bespannt;
auf dem Bock ein Kutscher mit glänzenden Knöpfen
und einem Buttenhut.  Der Kaiser? 
Nein, der Herr Wachtler vom Schlosse Hohenwang
saß im Schlitten, über und über in Pelze eingehüllt
und eine Zigarre schmauchend.
Ich blieb stehen, schaute dem blitzschnell vorüberrutschenden Zug
eine Weile nach und dachte:
Etwas krumm ist es doch eingerichtet auf dieser Welt.
Da sitzt ein starker Mann drin und lässt sich hinziehen
mit so viel überschüssige Kraft,
und ich vermag mein Bündel kaum zu schleppen.

Mittlerweile war Mittagszeit geworden.
Durch den Nebel war die milchweiße Scheibe der Sonne zu sehen;
sie war nicht hoch an dem Himmel hinaufgestiegen,
denn um vier Uhr wollte sie ja wieder unten sein, zur langen Christnacht. 
Ich fühlte in den Beinen manchmal so ein heißes Prickeln,
das bis in die Brust heraufstieg, es zitterten mir die Glieder.
Nicht weit von der Stelle, wo der Weg nach Alpel abzweigt,
stand ein Kreuz mit dem lebensgroßen Bilde des Heilands.
Es stand, wie es heute noch steht,
an seinem Fuß Johannes und Magdalena,
das Ganze mit einem Bretterverschlag verwahrt,
sodass es wie eine Kapelle war.
Vor dem Kreuz auf die Bank, die für kniende Beter bestimmt ist,
setzte ich mich nieder, um Mittag zu halten.
Eine Semmel , die gehörte mir, meine Neigung zu ihr war so groß,
dass ich sie am liebsten in wenigen Bissen verschluckt hätte.
Allein das schnelle Schlucken ist nicht gesund,
das wusste ich von anderen Leuten,
und das langsame Essen macht einen längeren Genuss, 
das wusste ich schon von mir selber.
Also beschloss ich,
die Semmel recht gemächlich und bedächtig zu genießen
und dazwischen manchmal eine gedörrte Zwetschge zu naschen.

Es war eine köstliche Mahlzeit,
wenn ich heute etwas recht Gutes haben will,
das kostet außerordentliche Anstrengungen aller Art...
"Ach, wenn man nie und nie einen Mangel zu leiden hat,
wie wird man da arm!
Und wie war ich so reich damals, als ich arm war!"

Als ich nach der Mahlzeit mein Doppelbündel wieder auflud,
wars ein Spaß mit ihm, flink ging es voran.
Als ich später in die Bergwälder hinaufkam und der graue Nebel dicht in den schneebeschwerten Bäumen hing, dachte ich an den Grabler Hansel.
Das war ein Kohlenführer, der täglich von Alpel seine Fuhr ins Mürztal lieferte.
Wenn er auch heute gefahren wäre!
Und wenn er jetzt heimwärts mit dem leeren Schlitten des Weges käme
und mir das Bündel auflüde! Und am Ende gar mich selber!
Dass es so heiß sein kann im Winter!
Mitten in Schnee und Eisschollen schwitzen!
Doch morgen wird alle Mühsal vergessen sein. -
Derlei Gedanken und Vorstellungen verkürzten mir unterwegs die Zeit.

Auf einmal roch ich starken Tabakrauch.
Knapp hinter mir ging - ganz leise auftretend - der grüne Killian.
Der Kilian war früher einige Zeit lang Forstgehilfe
in den gewerkschaftlichen Wildungen gewesen,
jetzt war ers nicht mehr, wohnte mit seiner Familie in einer Hütte drüben
in der Fischbacher Gegend. 
Man wusste nicht so recht, was er trieb, nun ging er nach Hause.
Er hatte einen Korb auf dem Rücken, an dem er nicht schwer zu tragen schien,
sein Gewand war noch ein jägermäßiges, aber hübsch abgetragen,
und sein schwarzer Vollbart ließ nicht viel sehen
von seinem etwas fahlen Gesichte.
Als ich ihn bemerkt hatte, nahm er die Pfeife aus dem Mund, lachte laut
und sagte: "Wo schiebst denn hin, Bub?"  "Heimzu", meine Antwort.
"Was schleppst denn?"   "Sachen für den Christtag."
"Gute Sachen?  Der Tausend sapperment! Wem gehörst denn zu?"
"Dem Waldbauer!" 
"Zum Waldbauer willst gar hinauf!  Da musst gut antauchen."
"Tu's schon", sagte ich und  tauchte an.
"Nach einem solchen Marsch wirst gut schlafen bei der Nacht", 
versetzte der Kilian, mit mir gleichen Schritt haltend.
"Heut wird nicht geschlafen bei der Nacht, heut ist Christnacht."
"Was willst denn sonst tun, als schlafen bei der Nacht?"
"Nach Kathrein in die Messe gehen."
"Nach Kathrein?", fragte er, "den weiten Weg?" 
"Um zehn Uhr abends, fragte er, "den weiten Weg?"
"Um zehn Uhr abends gehen wir von Hause fort,
und um drei Uhr früh sind wir wieder daheim."  
Der Kilian biss in sein Pfeifenrohr und sagte:
"Na hörst du, da gehört viel Christentum dazu. Beim Tag ins Mürztal
und bei der Nacht in die Mette nach Kathrein! 
So viel Christentum hab ich nicht, aber das sage ich dir doch:
Wenn du dein Bündel in ,einem Buckelkorb tun willst,
dass ich dir eine Zeit lang trag,,
und du dich ausrasten kannst, so hast ganz Recht,
warum soll der alte Esel nicht auch einmal tragen!"

Damit war ich einverstanden, und während mein Bündel in seinen Korb
sank, dachte ich: Der grüne Kilian ist halt doch ein besserer Mensch
als man sagt.
Dann rückten wir wieder an, ich huschte frei und leicht neben ihm her.

"Ja, ja die Weihnachten!", sagte der Kilian pfauchend, "
da geht's halt drunter und drüber.
Da reden sich die Leut' in eine Aufregung und Frömmigkeit hinein,
die gar nicht wahr ist. Im Grunde ist der Christtag
wie jeder andere Tag, nicht einen Knopf anders.
Der Reiche, ja, der hat jeden Tag Christtag,
unsereiner hat jeden Tag Karfreitag."
"Der Karfreitag ist auch schön", war meine Meinung.
"Ja, wer genug Fische und Butter und Eier und Kuchen
und Krapfen hat zum Fasten!", lachte der Kilian.
 Mir kam sein Reden etwas Heidentümlich vor. 
Doch was er noch weiteres sagte, das verstand ich nicht mehr,
denn er hatte angefangen, sehr heftig zu gehen,
und ich konnte nicht recht mitkommen.
Ich rutschte auf dem glitschigen Schnee mit jedem Schritt
ein Stückchen zurück, der Kilian hatte Fußeisen angeschnallt,
hatte lange Beine, war nicht abgemattet - da gings freilich voran.
"Herr Kilian!", rief ich.   Er hörte es nicht.
Der Abstand zwischen uns wurde immer größer,
bei Wegbiegungen entschwand er mir manchmal ganz aus den Augen,
um nachher wieder in größerer Entfernung,
halb schon von Nebeldämmerung verhüllt, aufzutauchen.
Jetzt wurde mir bang um mein Bündel.

Kamen wir ja doch schon dem Höllkogel nahe.
Das ist jene Stelle,
wo der Weg nach Alpel und der Weg nach Fischbach sich gabeln.
Ich hub an zu laufen; im Angesichte der Gefahr war alle Müdigkeit dahin,
ich lief wie ein Hündlein und kam ihm näher.
Was wollte ich aber anfangen, wenn ich ihn eingeholt hätte,
wenn ihm der Wille fehlte, die Sachen herzugeben, und mir die Kraft,
sie zu nehmen?
Das kann ein bitteres Ende werden mit diesem Tage, denn die Sachen
lasse ich nicht im Stich, und sollte ich ihm nachlaufen müssen
bis hinter den Fischbacher Wald zu seiner Hütte!

Als wir denn beide so merkwürdig schnell vorwärts kamen,
holten wir ein Schlittengespann ein, das vor uns mit zwei grauen Ochsen
und einem schwarzen Kohlenführer langsam des Weges schliff.
Der Gabler Hansel. 
Mein grüner Kilian wollte schon an dem Gespann vorüberhuschen,
da schrie ich von hinten her aus Leibeskräften:
"Hansel, Hansel! Sei so gut, leg mir meine Christtagsachen auf den Schlitten,
der Kilian hat sie im Korb, und er soll sie dir geben!"
Mein Geschrei muss wohl sehr angstvoll gewesen sein,
denn der Hansel sprang sofort von seinem Schlitten
und nahm eine tatbereite Haltung an.
Und wie der Kilian merkte, ich hätte hier einen Bundesgenossen,
riss er sich den Korb vom Rücken
und schleuderte das Bündel auf den Schlitten.
Noch knirschte er etwas von dummen Bären und Undankbarkeit, 
dann war er aber auch schon davon.
Der Hansel rückte das Bündel zurecht und fragte,
ob man sich draufsetzen dürfe. Das bat ich nicht zu tun.
So tat er's auch nicht, wir setzten uns hübsch nebeneinander auf den Schlitten,
und ich hielt auf dem Schoß sorgfältig mit beiden Händen
die Sachen für den Christtag. 
So kamen wir endlich nach Alpel.

Als wir zur ersten Fresenbrücke gekommen waren,
sagte der Hansel zu den Ochsen: "Oha!", und zu mir: "So!"
Die Ochsen verstanden und blieben stehen,
ich verstand nicht und blieb sitzen. Aber nicht mehr lange,
es war ja zum Aussteigen, denn der Hansel musste links in den Graben hinein
und ich rechts den Berg hinauf.
"Dank dirs Gott, Hansel!"   "Ist schon gut, Peterl!"

Zur Zeit, da ich mit meiner Last den steilen Berg hinanstieg
gegen mein Vaterhaus, begann es zu dämmern und zu schneien.
Und zuletzt war ich doch daheim.
"Hast alles!", fragte die Mutter am Kochherd mir entgegen.  "Alles!"
"Brav bist. Und hungrig wirst sein."
Beides ließ ich gelten. Sogleich zog die Mutter mir die klingend hart
gefrorenen Schuhe von den Füßen, denn ich wollte,
dass sie frisch eingefettet würden für den nächtlichen Mettengang. 
Dann setzte ich mich in der warmen Stube zum Essen.
Aber siehe, während des Essens geht es zu Ende mit meiner Erinnerung,-
Als ich wieder zu mir kam,
lag ich wohl ausgeschlafen in meinem warmen Bette,
und zum kleinen Fenster herein schien die Morgensonne
des Christtages.

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