Poesie
Frühlingslied
Nun, da Schnee und Eis zerflossen
Und des Angers Rasen schwillt,
Hier an roten Lindenschossen
Knospen bersten, Blätter sprossen,
Weht der Auferstehung Odem
Durch das keimende Gefild'!
Veilchen an den Wiesenbächen
Lösen ihrer Schale Band;
Primelngold bedeckt die Flächen;
Zarte Saatenspitzen stechen
Aus den Früchten; gelber Krokus
Schießt aus warmem Gartensand.
Alles fühlt erneutes Leben:
Die Falänen, die am Stamm
Der gekerbten Eiche kleben,
Mücken, die im Reigen schweben,
Lerchen, hoch im Ätherglanze,
Tief im Tal das junge Lamm!
Seht! erweckte Bienen schwärmen,
Um den frühen Mandelbaum;
Froh des Sonnenscheins erwärmen
Sich die Greise, Kinder lärmen
Spielend mit den Ostereiern
Durch den weißbeblümten Raum.
Sprießt, ihr Keimchen, aus den Zweigen,
Sprießt aus Moos, das Gräber deckt!
Hoher Hoffnung Bild und Zeugen,
Dass auch wir der Erd' entsteigen,
Wenn das ewgen Frühlings Odem
Uns zur Auferstehung weckt!
Poesie: Johann Gaudenz von Salis-Seewis (1762 - 1834)
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