Zum Semesterzeugnis: "Müssen weg von der Fixierung auf Schularbeiten!"
Lehrer rät seinem Berufsstand und den Eltern sich weniger auf Noten zu konzentrieren
WAIDHOFEN. Oswald Farthofer ist nicht nur Direktor der Neuen Mittelschule in Waidhofen sondern beschäftigt sich aus beruflichem Interesse mit Lernforschung und den dabei ablaufenden Prozessen im Gehirn. Zeugnistage wie der bevorstehende 30. Jänner sind für Farthofer ganz besondere, denn "Schularbeiten und Tests werden traditionell überbewertet. Die daraus abgeleiteten Zeugnisnoten widerspiegeln die Fähigkeiten eines Kindes all zu oft sehr unzureichend, weil oben angeführte Prüfungstechniken ausschließlich fehlerorientiert sind und sich meist zu wenig am Wissens- und Könnenszuwachs orientieren,“ so Farthofer.
Ein Dorn im Auge ist dem Pädagogen das - wie er es nennt - Bulimielernen. Sprich das Auswendiglernen großer Mengen teils unreflektierter Lerninhalte, welches kurzfristig bei Schularbeiten und Tests abgerufen werden, um es leider wieder rasch zu vergessen, ähnlich wie bei der Ess-Brech-Sucht. "Die Gehirnforschung beweist eindrucksvoll, dass speziell diese isolierte Form des Lernens, weil häufig unmotiviert und abstrakt, nicht die gewünschte nachhaltige Abspeicherung im Gehirn zur Folge hat", so der Waidhofner Lehrer. Vielmehr gelte es in einer Note auch Leistungsbereitschaft, Durchhaltevermögen sowie Teamfähigkeit, soziale Sensibilität und organisatorische Fähigkeiten einfließen zu lassen, Tugenden, die von einem mündigen Bürger gefordert werden.
Genau deshalb hält Farthofer das medial viel diskutierte Modell der Neuen Mittelschule, welches in wichtigen pädagogischen Bereichen neue Wege geht, für zukunftsweisend: Immerhin hat man in Waidhofen bereits zwei Jahre Erfahrungen gesammelt und das Fazit fällt eindeutig positiv aus. Durch so genanntes Teamteaching seien auch die Lehrer deutlich motivierter, weil sie nicht mehr als "Einzelkämpfer" in der Klasse stehen. Leistungsgruppen dürfen natürlich auch räumlich getrennt gebildet werden, um den Bedürfnissen aller Kinder gerecht zu werden. Ebenso möchte man bei den Schülern auf das Schlagwort Motivation setzen: projektorientierter Unterricht, offene Unterrichtsformen und eigenverantwortetes Lernen sollen dabei helfen.
Auch an der Organisationsstruktur der Schule wurde in den vergangenen drei Jahren kräftig geschraubt. Neben einem Schulentwicklungsteam sind so genannte Fachkoordinatoren aus Deutsch, Englisch, Mathematik und zusätzlich Jahrgangsteamleiter/innen – quasi als Abteilungsleiter/innen
- im Einsatz. Sie legen fest, welche Unterrichtsformen, Methoden und Projekte entwickelt bzw. durchgeführt werden. In regelmäßigen pädagogischen Sitzungen werden Erfahrungen im Kollegium ausgetauscht.
Gleichzeitig setzt man in Waidhofen auf Informatik und Medienkunde: "Die kritische Anwendung digitaler Technologien wird immer wichtiger", so Farthofer. Deshalb gibt es fünf bis sieben – je nach Interesse - fix installierte Informatikstunden und in beinahe jedem Gegenstand kommen interaktive Tafeln für moderne Unterrichtsführung zum Einsatz.
Die Viertklässler aus der Volksschule können aus drei Schwerpunkten, nämlich Musisch-Kreativ, Sport und Naturwissenschaften wählen. Zahlreiche attraktive Unverbindliche Übungen ergänzen das breite Lernangebot.
46 Lehrer und Lehrerinnen unterrichten derzeit an der Neuen Mittelschule bzw. Hauptschule Waidhofen rund 400 Schüler.
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