Während Corona-"Pause"
Bis zu 60 Prozent weniger Erdbewegung in Österreich
Die Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 führten zum weltweit längsten und markantesten Rückgang von menschlich verursachten Vibrationen der Messgeschichte.
ÖSTERREICH. Die durch den Menschen verursachten Vibrationen im Erdboden, etwa durch Verkehr und Industrie, werden "seismische Bodenunruhe" genannt. Diese ist nicht spürbar, aber messbar. Während der Corona-Krise sind diese Erdbewegungen so stark zurückgegangen wie noch nie. "Die Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 führten auf der gesamten Erde zu einem massiven Rückgang menschlicher Aktivität", heißt es von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG).
Die Messdaten sind das Ergebnis einer weltweiten Studie des Wissenschaftsjournal "Science " zu den Auswirkungen der Lockdowns auf die menschlich verursachten Schwingungen im Boden. 66 wissenschaftliche Einrichtungen aus der ganzen Welt waren an der Studie beteiligt. Den Beitrag aus Österreich lieferte die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG).
In Österreich bis zu 6o Prozent weniger seismische Bodenunruhe
Für Österreich war Maria-Theresia Apoloner verantwortlich, Seismologin an der ZAMG: "Wir haben unter anderem die Erdbebenstationen in Wien und in Damüls in Vorarlberg untersucht. So haben wir Daten aus einer Millionenstadt im Flachland und aus einer kleinen Gemeinde in einem alpinen Tal." Während des Lockdowns seien die Messwerte um bis zu 25 Prozent durchschnittlich zurückgegangen, erklärt Apoloner. "In Damüls waren die Messwerte kurzzeitig sogar um bis zu 60 Prozent reduziert." Besonders mit dem Tag des Lock-downs seien die Werte sehr stark gesunken und die Erde ruhiger geworden.
Verlauf der Lockdowns weltweit deutlich messbar
Der Vergleich der weltweiten Daten zeigt für nahezu die gesamte Erde eine Reduktion der menschlich verursachten Bodenschwingungen, beginnend mit China im Jänner 2020, gefolgt von Europa und vielen anderen Ländern im März und April 2020. Der Rückgang sei in vielen Regionen stärker als in den normal ruhigsten Zeiten des Jahres gewesen, wie beispielsweise an Wochenenden und zu Weihnachten, so die ZAMG. Im weltweiten Mittel ging die seismische Bodenunruhe von März bis Mai 2020 um rund 50 Prozent zurück.
Daten für Erdbebenforschung
Die durch Menschen verursachte seismische Bodenunruhe ist meistens störend bei Messungen. Sie müsste üblicherweise mit aufwändigen Verfahren herausgerechnet werden , um Erdbeben besser analysieren zu können, erklärt Apoloner.
"Die neuen Daten helfen uns, industrie- und verkehrsbedingte Erschütterungen zu identifizieren, wodurch wir diese besser eliminieren können“, so die Seismologin. Außerdem würden die Daten zeigen, wo sich in Österreich Gebiete mit sehr geringer Bodenunruhe befinden, die optimale neue Standort für Seismometer wären.
Erdbebengefahr besser bestimmen
Außerdem nutzen die Daten bei Fragen der Erdbebengefährdung. "Je genauer wir über den Untergrund Bescheid wissen, desto besser lässt sich die Erdbebengefährdung einer Region bestimmen", so Apoloner. Bisher werden die Informationen über den Aufbau des Erdinneren vor allem durch die Art der Ausbreitung von Erdbebenwellen bestimmt. "In letzter Zeit gab es aber interessante Studien, die seismische Bodenunruhe an verschiedenen Bebenstationen verglichen um damit die Struktur des Untergrundes zu analysieren", sagt Apoloner. Der Vorteil sei, dass diese seismische Unruhe immer da ist und für lokale Bodenuntersuchungen herangezogen werden könne.
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