Test "Bye Sweet Carole"
Ein Märchen wird zum Albtraum

- Ein Märchen und ein Horrorspiel zugleich? In "Bye Sweet Carole" steckt mehr, als der erste Blick vermuten lässt.
- Foto: Maximum Entertainment / Little Sewing Machine
- hochgeladen von Iris Wilke
Bye Sweet Carole ist nicht das handelsübliche Märchen, in dem die Prinzessin auf den Prinzen trifft und beide bis zum Ende aller Tage glücklich leben. Was beschaulich beginnt, schlägt recht schnell ein düsteres Kapitel auf – erzählerisch als auch visuell. Ob das Konzept Märchen und Horror für Herzklopfen sorgt, erfahrt ihr in unserem Test.
Manche werden die Disney-Zeichentrickfilme von den Märchen „Aschenputtel“ und „Schneewittchen“ noch kennen. Künstlerisch orientiert sich Bye Sweet Carole sehr stark an diesen Vorbildern, bei denen noch jede Szene in mühevoller Kleinarbeit mit der Hand gemalt wurde. Auch die Animationen von Bye Sweet Carole sind alle handgezeichnet. Wer die Spielewelt betritt, fühlt sich sofort in eine von Disney erschaffene Welt transportiert, die lieblicher nicht sein könnte und ein Gefühl von Nostalgie und Geborgenheit aufkommen lässt.
In dieser Spielwelt treffen wir auf Lana Benton, ein Waisenmädchen im England des frühen 20. Jahrhunderts, das sich auf die Suche nach ihrer Freundin Carole Simmons begibt. Das Tutorial entführt uns in eine verträumte, zauberhafte Welt, in der wir mit der Steuerung vertraut gemacht werden. Spiel und Zeichentrickfilm verschmelzen gekonnt miteinander und schaffen so einen besonderen Einstieg in die Spielwelt. Was gleich zu Beginn auffällt, ist, wie blass Lana Benton gezeichnet ist und damit in Kontrast mit der freundlich, bunten Gestaltung der Spielwelt steht. Warum das so ist, erschließt sich dann einige Minuten später, wenn der Brief, der sich auf einem Ast verfangen hat, immer wieder unseren Händen entgleitet.
Vom düsteren Märchen und der Maid
Nach mehrmaligen erfolglosen Versuchen, den Brief und damit seinen Inhalt zu ergattern, ändert sich dann plötzlich der Ton des Spiels. Vom bunten Märchen geht es hinab in die düstere Mär, wo wir von unheimlichen Gestalten bedroht werden. Und der Brief? Der fliegt munter weiter und wird zum heiß begehrten Objekt der düsteren Gestalten, wie der Eule Velenia und Mr. Kyn. Auf der Flucht vor Letzterem fallen wir in ein Loch, und als wir erwachen, finden wir uns im Klassenzimmer von Bunny Hall wieder, einem Waisenhaus. War also alles nur ein böser Traum? So erscheint es zunächst, doch im Laufe des Spiels zeigt sich, dass es mehr als nur eine Welt gibt, und in beiden ist Lana nicht von allen gut gesinnt.

- Foto: Maximum Entertainment / Little Sewing Machine
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Bei einem Streich von einer Klassenkameradin wird Lana Benton fälschlicherweise der Tat beschuldigt und von der strengen Direktorin Ms. Hinman zur Strafe in den dunklen Keller verbannt, um dort sauberzumachen. Nicht nur eine unbeliebte Aufgabe, sondern auch der Punkt, an dem die Geschichte ihre Erzählung aufnimmt und die Wesen aus der anderen Welt wieder sichtbar werden. Nun gilt es nicht nur, die Beine in die Hand zu nehmen, jetzt müssen auch die grauen Gehirnzellen angestrengt werden. Denn damit Lana an den Brief gelangt, den auch Velenia, die inzwischen wieder präsent ist, haben möchte, muss das junge Waisenmädchen Rätsel lösen, klettern, springen und im weiteren Verlauf sich in eine Häsin verwandeln.
Jetzt halt mal die Luft an
Ganz allein ist Lana auf ihrer albtraumhaften Reise aber nicht. Da wären zum einen Mr. Baesie, der seine Gestalt verändern kann und Lana zur Seite steht, während sie nach dem Brief und nach ihrer verschwundenen Freundin Carole Simmons sucht. Immer wieder gibt es Verfolgungspassagen, in denen Lana unter „Zeitdruck“ Schalterrätsel lösen muss, bevor sie entdeckt wird. Das Spiel bietet auch Verstecke an, um nicht gesehen zu werden. Am besten hält man dabei noch die Luft an – bloß nicht zu lange, sonst wird es mit der Luft schnell eng.

- Foto: Maximum Entertainment / Little Sewing Machine
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Oder man läutet eine Glocke und lockt den Feind in einen anderen Raum, damit man schnell in den nächsten huschen kann, um in Ruhe die Gehirnzellen arbeiten zu lassen. Wird man entdeckt und kann nicht rechtzeitig entkommen, kann das zum Ableben von Lana führen. Ganz tragisch ist das aber nicht, weil man wieder an den letzten Speicherpunkt transportiert wird. Zudem gibt es Briefkästen, bei denen zwischendurch auch gespeichert werden kann.
Richtig kombiniert ist gewonnen
Die 2D-Reise von Lana führt durch unzählige Räume, die mit Rätseln aufwarten. Manchmal reicht es, einen Schalter oder eine Kurbel zu betätigen. Aber es gilt auch, Gegenstände zu finden und diese zu kombinieren, damit sie eingesetzt werden können. Manche davon sind für ungeübte Spielerinnen und Spieler nicht schnell und leicht zu lösen. Ein bisschen Zeit muss man dafür schon einrechnen, aber die Freude ist umso größer, wenn das Rätsel gelöst ist und man in den nächsten Abschnitt weiterkommt.

- Foto: Maximum Entertainment / Little Sewing Machine
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Wer darauf hofft, vom Spiel eine Hilfestellung zu erhalten, der wird an dieser Stelle enttäuscht sein. Entweder man löst es von allein, oder es geht eben nicht weiter. Je weiter man im Spiel voranschreitet, desto mehr möchte man wissen, was mit der verschwundenen Carole Simmons passiert ist, und warum die düsteren Gestalten Jagd auf Lana machen. Da nimmt man die teils knackigen Rätsel in Kauf und labt sich an den optischen Reizen, die das Spiel präsentiert."
Fazit
"Bye Sweet Carole" ist ein handgezeichnetes Meisterwerk, das optisch in den Bann zieht und mit vielen liebevollen Details aufwartet. Der Wechsel zwischen bunt und düster gelingt nahtlos und schafft so eine wunderbare Atmosphäre, die von der stimmigen Musik im Hintergrund getragen wird. Das Konzept Märchen und Horror gilt im abgeschwächten Sinne, denn das Spiel zielt nicht per se darauf ab, Spielerinnen und Spieler zu erschrecken. Vielmehr wird das Horrorelement durch die visuelle Gestaltung getragen, und Herzklopfen stellt sich dann ein, wenn der Verfolger einem dicht auf den Fersen ist.
Großartige Bugs sind nicht aufgetreten. Jedes Rätsel ließ sich mit viel Geduld lösen, an einer Stelle hatten wir jedoch ein Problem. Hier musste Lana beispielsweise einen Hebel ziehen, doch interessanterweise funktioniert das nur, wenn man einen Sessel auf einen ganz bestimmten Platz schiebt, von dem aus der Hebel betätigt werden kann. Und das, obwohl man diesen zuvor zur Auslösung einer Aktion an einer völlig anderen Stelle bestieg. Solche zum Teil unlogischen Hindernisse können einiges an Zeit vergehen lassen und das Frustlevel in die Höhe schnellen lassen. So kann man auch zwei Stunden in einem Kapitel verweilen und nur einen Bruchteil erreicht haben.
Grundsätzlich ist das Spiel sehr logisch aufgebaut. Was man aber als Erstes zu erledigen hat, ist trotz Aufgabenliste oft nicht ganz klar. Alles wird bewusst etwas diffus gehalten, man fühlt sich öfters verloren und weiß nicht genau, wie man weiter vorgehen soll. Oft ist es nötig, sich zu verwandeln, wobei die Wechselanimation von Lana in die Gestalt eines Hasen sehr gelungen ist. Als Hase ist man flinker, kann höher springen, aber auch enge Wege durchqueren und so ein Rätsel lösen. Mitdenken ist Pflicht, denn obwohl es klar war, dass morsches Holz bricht, hat es etwas gedauert, um zu erkennen, dass Lana dagegen treten muss.
"Bye Sweet Carole" ist, auch wenn die Spielmechaniken bekannt sind, gefühlt etwas wirklich Neues. Denn wann kann man sich schon als Figur im Stil der alten Disney-Zeichentrickfilme bewegen? Das macht gehörig Spaß und vermittelt auch ein gewisses Nostalgie-Gefühl, das sich wärmend um das Herz der Spielerinnen und Spieler legt. Allein aus diesem Grund ist das Spiel sehr empfehlenswert und sollte von allen angetestet werden, die gerne ein verträumtes Rätselspiel mit gelegentlichen Gruseleffekten lieben.
MeinBezirk hat "Bye Sweet Carole" von Maximum Entertainment zum Testen erhalten. Der Entwickler hatte keinen Einfluss auf den Testbericht.
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