"Sextortion"-Phänomen
Gruppe erpresst Kinder mit geschickten Nacktfotos

- Ein Netzwerk digitaler Gruppierungen versucht, Minderjährige dazu zu bringen, Nacktfotos zu schicken und diese damit zu erpressen. Mit dem erpressten Material werden Opfer unter Druck gesetzt, weitere Straftaten zu begehen. (Symbolbild)
- Foto: Pixabay
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Ein Netzwerk digitaler Gruppierungen versucht weltweit, vor allem Minderjährige dazu zu bringen, Nacktfotos zu schicken und diese damit zu erpressen. Im Fachjargon: "Sextortion". Doch dabei bleibt es nicht. Das erpresste Material wird anschließend eingesetzt, um die Opfer unter Druck zu setzen, weitere Gewalthandlungen vorzunehmen. Nun gibt es möglicherweise erste Fälle in Österreich.
WIEN/ÖSTERREICH. Ein Phänomen, das schon in den USA, Deutschland und Frankreich aufgetaucht ist und wegen des die Behörden Europol und Interpol bereits Warnungen ausgeschickt haben, könnte möglicherweise auch in Österreich Fuß fassen.
Es geht um Gruppen wie "764", die Teil eines Netzwerkes digitaler Gruppierungen sind, das sich durch "Sextortion" (sexuelle Erpressung) sowie die Inszenierung und Verherrlichung von Gewalt auszeichnet. Genauer gesagt ein digitales Netzwerk, das primär Minderjährige dazu zwingt, kindesmissbräuchliches Bildmaterial herzustellen.
Keine offiziellen Fälle in Österreich
Das erpresste Material wird anschließend eingesetzt, um die Opfer unter Druck zu setzen, Straftaten zu begehen – darunter Gewalt- und Tiermisshandlungen oder Selbstverletzungen. Laut Informationen der Bundesstelle für Sektenfragen gab es zwischen 2021 und 2024 mindestens zehn bekannte Festnahmen von "764"-Mitgliedern in den USA, Schweden, Frankreich und Rumänien. Nun gibt es möglicherweise Hinweise darauf, dass das Phänomen auch in Österreich Fuß fassen könnte.

- Laut Infos der Bundesstelle für Sektenfragen gab es zwischen 2021 und 2024 mindestens zehn bekannte Festnahmen von "764"-Mitgliedern in den USA, Schweden, Frankreich und Rumänien.
- Foto: Valentina Marinelic/MeinBezirk
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"Wir haben ein oder zwei Fälle, die möglicherweise damit zu tun haben", sagt etwa Dieter Gremel, stellvertretender Leiter der "Beratungsstelle Extremismus" im MeinBezirk-Gespräch. Von offizieller Seite konnte man dies jedoch nicht bestätigen: "Die Szene ist allgemein sehr vernetzt, allerdings sind in Österreich noch keine spezifischen Fälle vorgekommen", heißt es etwa von der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) gegenüber MeinBezirk. Auch von der Geschäftsführerin der Bundesstelle für Sektenfragen, Ulrike Schiesser, gibt es keine offizielle Bestätigung. "Aber nachdem das online stattfindet, wäre es sehr unwahrscheinlich, dass es in Österreich nicht auch schon passiert."
Schutzbedürftige junge Personen im Fokus
Europol, die polizeiliche Behörde der Europäischen Union (EU), beschreibt auf ihrer Website wie Mitglieder dieses Netzwerkes vorgehen: "Die Täter nutzen Online-Gaming-Plattformen, Streaming-Dienste und Social-Media-Plattformen, um ihre Opfer zu identifizieren und anzulocken". Dabei sollen die Mitglieder dieser Gruppen es auf schutzbedürftige junge Menschen abgesehen haben, insbesondere auf Minderjährige zwischen 8 und 17 Jahren, "vor allem auf LGBTQ+, rassische Minderheiten und Menschen, die mit psychischen Problemen zu kämpfen haben."
Schiesser erklärt im MeinBezirk-Gespräch den Organisationsaufbau: Neue Mitglieder werden "irgendwann einmal (in die Organisation, Anm.) hineingeholt, indem man ihnen eine Freundschaft verspricht, indem sie vielleicht selbst zu einer Gruppe gehören, die sich ausgeschlossen fühlt, gemobbt wird, suizidal oder depressiv ist oder z. B. an einer Essstörung leidet. Und dann ist da jemand, der verständnisvoll ist, der nett zu ihnen ist und eine Beziehung aufbaut. Jemand, der vorgibt, im selben Alter zu sein."
Sobald eine vorgetäuschte Beziehung zu den Personen aufgebaut wurde, kommt dann die Bitte, dass diese ein Nacktfoto von sich schicken. "Und in dem Moment hat er was gegen sie in der Hand", so Schiesser. Manche brechen unter dem ansteigenden Druck zusammen, andere empfinden auch eine gewisse Macht, Teil einer solchen Gemeinschaft zu sein.
Nachverfolgung schwer möglich
Hinzu kommt, dass es sehr schwierig sei, in dieses Netzwerk hineinzukommen. "Weil man da undercover nicht hineinkommt, ohne dass man Mutproben bringt", erklärt die Leiterin der Bundesstelle für Sektenfragen. "In diesen Kreisen müssen sie Videos hochladen, wo sie andere Menschen quälen, sich selbst verletzen. Also, sie müssen das jeweils beweisen. Und vor allem, wenn man in die inneren Zirkel kommen will. Je höher der Rang, desto höher ist das, was man von ihnen verlangt."

- "In diesen Kreisen müssen sie Videos hochladen, wo sie andere Menschen quälen, sich selbst verletzen", erklärt die Geschäftsführerin der Bundesstelle für Sektenfragen gegenüber MeinBezirk.
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Dieses Problem sieht wohl auch der Verfassungsschutz: "Die Ermittlung im Online-Raum ist aufgrund der rechtlichen Lage für die Sicherheitsbehörden in Österreich allerdings eine Herausforderung." Relevanz für den DSN ergibt sich auch daraus, da es als terroristische Gefahr eingeschätzt wird, so Schiesser. So gab es etwa in Brasilien einen Anschlagsversuch auf ein Konzert von Lady Gaga, der verhindert werden konnte. Laut Schiesser dürfte der Tatverdächtige auch aus diesem Netzwerk kommen.
Präventive Maßnahmen
Wie sollte nun mit dem Phänomen umgegangen werden? "Die DSN informiert Schülerinnen und Schüler sowie Eltern und Lehrpersonal im Rahmen von Extremismuspräventionsworkshops in ganz Österreich. Auf strategischer Ebene arbeitet die DSN eng mit nationalen und internationalen Partnern zusammen, um Entwicklungen wie diese frühzeitig zu erkennen", heißt es seitens der DSN. "Eine Geschichte ist es natürlich immer, die Plattform zu ermahnen", meint Schiesser. Überdies sei es laut ihr wichtig, vulnerable Jugendliche im Auge zu behalten und darauf zu achten, was sie etwa posten.

- "Auf strategischer Ebene arbeitet die DSN eng mit nationalen und internationalen Partnern zusammen, um Entwicklungen wie diese frühzeitig zu erkennen", schreibt die DSN.
- Foto: ALEX HALADA / AFP / picturedesk.com
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"Ich glaube, das Wichtigste für mich ist, dass man genau für diese Zielgruppe etwas tut", erklärt die Expertin. "Es gibt einfach Menschen, die in einer totalen Notsituation sind und wenn sie sonst niemanden haben, wird die ganze Warnung nichts helfen." Wenn hier das Hilfsangebot schneller wäre als das „Erpressungsangebot“, hätte man nach Schiesser mehr erreicht.
Anlaufstellen und Ort zum Austausch
Gremel, stellvertretender Leiter der "Beratungsstelle Extremismus", betont die besondere Bedeutung niederschwelliger Anlaufstellen: Es sei primär wichtig, dass es Einrichtungen gibt, an die sich etwa Angehörige wenden können, wenn ihnen bei Kindern oder Jugendlichen auffällige Veränderungen begegnen.
Überdies sei es wichtig, Jugendliche zu begleiten, die sich im digitalen Raum bewegen. "Es geht nicht darum, das alles zu überwachen von Elternseite, sondern dass es hilfreich ist, wenn Jugendliche einen Ort haben, wo sie sich darüber austauschen können, wenn ihnen da etwas begegnet, das sie irritierend finden", so Gremel.
Auch Europol weist auf ihrer Website auf bestimmte Verhaltensweisen hin, auf die Eltern bei ihren Kindern achten sollten. Genannt werden unter anderem übermäßige Geheimhaltung hinsichtlich der Online-Aktivitäten, sozialer Rückzug und Isolation, Anzeichen von emotionalem Leid sowie ein auffälliges Interesse an schädlichen Inhalten.
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