Lehrer klagt an
"Habe Bauchweh, was wir mit diesen Kindern machen (müssen)"
Für 700.000 Schüler heißt es ab heute wieder: Ab in die Schule. Denn in Österreichs Volksschulen, AHS-Unterstufen, Neuen Mittelschulen und Sonderschulen wird nach neun Wochen Home-Schooling wieder in der Schule unterrichtet. Jedoch unter strengen Hygiene- und Abstandsregeln. Deswegen gehen auf Social Media die Wogen hoch: "Schüler haben einen fixen Sitzplatz, den sie möglichst nicht verlassen sollen", klagt ein Lehrer: "Und das ganze sechs Stunden." "In normalen Zeiten wäre das als Kindesmisshandlung bewertet worden", schreibt ein User.
ÖSTERREICH. Gleich vorweg: In der Schule herrscht jetzt das Zwei-Klassen-System, sprich, jede Klasse musste in zwei Teile geteilt werden, Gruppe A und Gruppe B. Das "neue Schulegehen" unterscheidet nun ebenso zwischen sogenannte 'Schultage' und 'Hausübungstage', an denen das Kind zuhause bleiben sollte, aber nicht muss. Es kann auch in der Schule beaufsichtigt werden, etwa indem es alleine an einem Tisch in einer Klasse sitzt oder auf einer Matte im Turnsaal, und dabei beaufsichtigt wird.
Zwei Tage Schule, fünf Tage Pause
Der Rhythmus ist unterschiedlich: So berichtet eine Mutter eines AHS Schülers, dass dieser zwei Tage Schule hätte, dann fünf Tage Pause, dann drei Tage Pause, dann eine ganze Woche frei, da die Schultage auf Pfingsten fallen. Danach folgen wieder vier Tage Schule, fünf Tage Pause, fünf Tage Schule, dann beginnen die Ferien. 14 (1) gezählte Schultage sind es, bis die Sommerferien starten –das freut das Kind, aber keinen berufstätigen Erziehungsberechtigten. Gleich am ersten Schultag lässt auch der Blick auf den Stundenplan das Kind selbiges 'jubeln': Von fünf reguläre Unterrichtsstunden werden zwei Stunden 'suppliert', da findet kein Unterricht statt, das Kind hat also Deutsch, Englisch und Religion sowie zwei Freistunden.
Ein Tag Schule, ein Tag frei
Anders in einer Volksschule: Dort folgt man den Rhythmus: Ein Tag Schule, ein Tag frei. Auch die Uhrzeiten, wann die Schule starten, sind für alle Schulen unterschiedlich, um zu vermeiden, dass zu viele Schüler gleichzeitig aufeinandertreffen. Auch der Zugang zur Schule wurde vorweg von den Lehrern an die Eltern kommuniziert, denn dieser ist je Klasse höchst unterschiedlich: Eine Klasse nimmt den Haupteingang, eine andere den Nebeneingang, eine dritte geht über den Turnsaal, und alle zu anderen Zeiten.
"Bauchweh, was wir mit diesen Kindern machen (müssen)"
Auch die Klassen sehen nun anders aus, zwischen den Tischen muss nun der oft-zitierte 'Babyelefant' Platz haben, zahlreiche Materialien, etwa in Montessori-Schulen, dürfen nicht mehr verwendet werden. Auf Social-Media macht ein Lehrer aus Wien seinem Unmut Luft und beschreibt, wie Schule nun abläuft:
Am Montag darf ich meine Schüler*innen in der Schule wiedersehen. Darauf freue ich mich sehr. Gleichzeitig habe ich Bauchweh, was wir mit diesen Kindern machen (müssen). Achtung, langer Thread! (1/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Davon abgesehen, sollen Schüler*innen also 6 Stunden pro Unterrichtstag im selben Raum und an ihrem Platz verbringen. Bewegung ist kaum möglich. Wenn doch jemand aufsteht, muss ich mir das merken - für den Fall einer Infektion. (5/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Dabei haben meine Schüler*innen in den verbleibenden eineinhalb Monaten nur 14 Unterrichtstage. Mittendrin hat eine Gruppe eine unterrichtsfreie Zeit von 11 Tagen. (7/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Dabei haben meine Schüler*innen in den verbleibenden eineinhalb Monaten nur 14 Unterrichtstage. Mittendrin hat eine Gruppe eine unterrichtsfreie Zeit von 11 Tagen. (7/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Dabei haben meine Schüler*innen in den verbleibenden eineinhalb Monaten nur 14 Unterrichtstage. Mittendrin hat eine Gruppe eine unterrichtsfreie Zeit von 11 Tagen. (7/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
"Frage mich, welchen Stellenwert die Schulen für diese Regierung haben"
"Wenn ich mich jetzt draußen umschaue, und täglich von der Öffnung neuer Lebensbereiche lese, frage ich mich schon, welchen Stellenwert die Schulen für diese Regierung haben?", postet der Lehrer. Und er kritisiert: "Was völlig fehlt, sind kreative Lösungen der politisch Verantwortlichen. Sperrt die Straßen vor den Schulen und gebt uns den Platz für Unterricht und Bewegung im Freien. Bringt uns in Museen und Ausstellungen. Öffnet große Sportplätze und Parks für Schulklassen. Wenn Athleten mit Abstand trainieren dürfen, warum dürfen sich die Kinder nicht bewegen?" Ein User sieht den neuen Usus an den Schulen gar als Kindesmissbrauch.
Was in diesem Thread geschildert wird, wäre in normalen Zeiten als Kindesmisshandlung bewertet worden und ist es auch heute. @rudi_anschober@WKogler@sebastiankurz#COVID19at
— David Schrottner (@DavidSchrottner) May 16, 2020
Dabei haben meine Schüler*innen in den verbleibenden eineinhalb Monaten nur 14 Unterrichtstage. Mittendrin hat eine Gruppe eine unterrichtsfreie Zeit von 11 Tagen. (7/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Wenn ich mich jetzt draußen umschaue, und täglich von der Öffnung neuer Lebensbereiche lese, frage ich mich schon, welchen Stellenwert die Schulen für diese Regierung haben? (9/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Meine Schüler*innen werden an den unterrichtsfreien Tagen in Lokale und Einkaufszentren gehen, sie werden sich im Park und auf Spielplätzen treffen – klassen- und schulübergreifend und weitgehend ohne Aufsicht. (10/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Sie werden draußen, im Fernsehen und Internet erwachsene Menschen sehen, die keinen Abstand halten und keine Masken tragen. Nicht nur im Kleinwalsertal. (11/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Aber in die Schule dürfen sie nur alle paar Tage. Und sollen dort strengere Regeln einhalten, als irgendwo sonst. Wie viel Zeit werde ich als Lehrer wohl mit diesen Regeln verbringen (müssen)? (12/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Öffnet große Sportplätze und Parks für Schulklassen. Wenn Athleten mit Abstand trainieren dürfen, warum dürfen sich die Kinder nicht bewegen? (18/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Verwirrung um Maskenpflicht
Weil in einem Pressepapier des Bildungsministeriums von einer „Maskenpflicht am Weg in die Schule und am Weg nach Hause“ die Rede war, wie der ORF berichtet, sei es zu Verwirrungen gekommen. Das Ministerium stellte nun klar, dass ein Mund-Nasen-Schutz nur in den öffentlichen Verkehrsmitteln zu tragen ist. Und innerhalb der Schule. "Die Kinder müssen im Schulgebäude einen Mund-Nasen-Schutz tragen", so ein Lehrer: "Also beim Betreten der Schule, wenn das Kind innerhalb der Schule etwa von einer Klasse in eine andere geht, oder auch auf der Toilette. Keinen Mund-Nasen-Schutz muss der Schüler tragen, wenn er der Klasse auf seinem Platz sitzt." Die Maskenpflicht trifft auch die Lehrer. Gefragt, wie denn der erste Schultag war, sagt ein Schüler: "Irgendwie gruselig, manche Lehrer haben sogar während des Unterrichts einen Plexiglasschutz vor dem Gesicht, und alle Schüler tragen Masken, man sieht niemanden mehr lachen."
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