Interview Veronica Kaup-Hasler
Patente, Kapitalismus und letzte Meter

- Kultur- und Wissenschaftsstadträtin Veronica Kaup-Hasler fordert, dass die Impfpatente der gesamten Menschheit zur Verfügung stehen.
- Foto: Markus Spitzauer
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Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (parteilos) über den langen Atem der Kultur und seltsame Begrüßungsverrenkungen.
WIEN. Veronica Kaup-Hasler, Stadträtin für Kultur und Wissenschaft, findet im bz-Interview klare Worte über den eigentlichen Sinn von Forschung, sinniert über eine Entprivatisierung von Wissen und verrät, was sie in Zeiten von Corona besonders vermisst.
Es kommt zu einem erneuten Lockdown: Geht jetzt der Wiener Kultur endgültig der Atem aus?
VERONICA KAUP-HASLER: Ich hoffe nicht. Aber aktuell sind viele mit ihren seelischen und psychischen Kräften am Ende. Und dennoch bin ich beeindruckt, wie Künstlerinnen und Künstler nach wie vor nicht müde werden, ihr Publikum über digitale Streaming-Plattformen zu suchen.
Sind Streaming-Plattformen die Antwort auf die Krise?
Anfangs waren die Leute davon begeistert. Aber auch hier hat sich eine Müdigkeit eingeschlichen. Absolut nachvollziehbar, denn aktuell ist unser Alltag von zahlreichen digitalen Meetings geprägt, die viel anstrengender sind als jede analoge Konferenz. Kulturelle Streaming-Angebote funktionieren dann, wenn sie professionell produziert werden.

- Als kleine Corona-Aufmunterung gab es ein "Wiener Jaukerl". Der "Impfstoff" wurde vom Bioweingut Lenikus und der bz-Wiener Bezirkszeitung kreiert.
- Foto: Markus Spitzauer
- hochgeladen von Nicole Gretz-Blanckenstein
Wie lange muss sich die Kultur noch so durchwurschteln?
Wir müssen jetzt noch einmal all unsere Kraft für die letzten paar Meter aufbringen, damit der Gap durch die Impfungen geschlossen werden kann.
Aufgrund des fehlenden Impfstoffes könnten es noch ein paar Meter mehr werden.
Vor einem halben Jahr hatten wir noch keine flächendeckenden Tests und keine Impfung. Seither ist viel Positives passiert. Es ist enorm, was die Wissenschaft hier leistet. Dennoch müssen wir angesichts dieser weltweiten Notlage auch über die Entprivatisierung von diesem Wissen sprechen. Das sind Pharmakonzerne, die enorme Zuschüsse an Steuergeldern für die Erforschung des Virus erhalten haben. Dort arbeiten Wissenschaftler, die von öffentlichen Bildungseinrichtungen gefördert werden, damit sie exzellente Forschung betreiben können. Warum ist es nicht möglich, ihnen das Patent für den Impfstoff – gerne für gutes Geld – abzukaufen und es der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen? Das ist ja eigentlich der Sinn von Forschung. Corona führt uns die Problematik einer durch und durch kapitalisierten Wirtschaft vor Augen. Das ist unerträglich, weil jeder weitere Tag im Lockdown unfassbar viel Schaden anrichtet.
Gastro oder Kultur: Wer soll zuerst aufsperren?
Ich will keine Bereiche gegeneinander ausspielen, das wäre Quatsch. Ich sehne mich genauso sehr danach, wieder bewirtet zu werden und ins Kino, Theater oder auf ein Konzert zu gehen. Der Mensch braucht geistige Nahrung. Daher hoffe ich, dass Kunst und Kultur zu den Ersten gehören werden, die wieder aufsperren dürfen.

- Kultur- und Wissenschaftsstadträtin Veronica Kaup-Hasler fordert, dass die Impfpatente der gesamten Menschheit zur Verfügung stehen.
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Die Wiener Kulturszene hat kreativ auf die Pandemie reagiert. Welches Projekt hat Sie besonders beeindruckt?
Ich finde es toll, dass wir als weltweiter Vorreiter den Wiener Kultursommer ins Leben gerufen haben. In der ganzen Stadt gibt es Covid-19-sichere Orte, an denen Künstler wieder auftreten können. Dabei decken wir alle Sparten ab, heuer sogar auf 40 Bühnen. Oder auch die Serie "Abgesagt? Angesagt!" des Rabenhof Theaters. Mich haben durch die Bank alle beeindruckt, die sich nicht einfach dem Lamentieren hingegeben haben.
Wie wird sich Corona künftig in der Kultur widerspiegeln?
Ich meine, zu spüren, dass sich die Themen mehr auf den Menschen und das soziale Zusammenleben konzentrieren werden. Der unregulierte Kapitalismus hat sich durch Corona unglaublich relativiert. Wir werden darüber nachdenken müssen, was solidarisches Zusammenleben bedeutet.
Was vermissen Sie nach diesem Jahr am meisten?
Umarmungen und das Gedränge in den Foyers, körperliche Nähe und zufällige Berührungen ohne Angst und Erstaunen. Ich möchte nicht mehr darüber nachdenken müssen, wie ich mein Gegenüber begrüßen soll: Ellbogen, Faust, Fuß oder Nicken? Meistens macht man dann alles auf einmal und gleich mehrfach, was auch eine super Performance sein kann. Aber ich will mich nicht daran gewöhnen.



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