Geschichte
Vertrieben aus der Volksoper
Viele Künstler wurden 1938 aus der Volksoper vertrieben. Mit ihrem Schicksal beschäftigt sich ein neues Buch.
ALSERGRUND."Man hat mich gefragt, ob ich nicht ein Buch mit Porträts der aus der Volksoper vertriebenen Künstler schreiben könnte", sagt Marie-Theres Arnbom. Die Historikerin und Autorin erzählt in ihrem Buch "Ihre Dienste werden nicht mehr benötigt" anhand ausgewählter Künstler vom Schicksal jener, die im Nationalsozialismus verfolgt wurden.
"Die Volksoperndirektoren wurden sofort ausgetauscht, Entlassungen auf allen Ebenen des Hauses folgten, von Opernsängern bis zum Theaterarzt", erklärt Arnbom. Theaterarzt Friedrich Schreiber wird im Buch besonders hervorgehoben. "Er gehörte 30 Jahre lang zur Volksoper, war eine angesehene Persönlichkeit im 9. Bezirk und Operndirektor Karl Lustig-Prean bezeichnete ihn als seinen besten Freund. Er war ein Arzt mit großem sozialen Gewissen."
Schreiber setzte sich unermüdlich für soziale Fragen ein und war Vorstand der Säuglings- und Kinderfürsorge, einer Institution, die sich der unterversorgten und oft tuberkulösen Kinder annahm. „Kinder wurden in der Volksoper geboren, Menschen starben während einer Vorstellung – Schreibers Tätigkeit als Theaterarzt hatte eine enorme Bandbreite", setzt Arnbom fort. "Er war Vermittler zwischen den Sängern und dem autokratischen Direktor. Oft traten Künstler nur dem Arzt zuliebe auf. Mit seiner Klugheit gelang es ihm, manche Vorstellung zu retten.“
Dem Theaterarzt zuliebe
Wie das damals abgelaufen ist? "Er schleppte etwa eine widerspenstige Sängerin auf die Bühne oder ließ eine schwer erkrankte aus ihrer Wohnung bis auf den Schnürboden tragen, damit sie auf Wunsch des Direktors vier Takte im ‚Parsifal‘ von der Höhe herabsingen konnte", erzählt Arnbom schmunzelnd. 1938 muss Friedrich Schreiber seine soziale Betätigung aufgeben: Am 28. Juni 1938 meldet er sich von der Adresse Wilhelm-Exner-Gasse 30, die ihm 28 Jahre lang Zuhause und Praxis war, nach Prag ab."
In dem Buch werden sehr unterschiedliche Künstler porträtiert. Alle mussten plötzlich flüchten und eine neue Existenz aufbauen. Das Buch zu schreiben, sei keine leichte Aufgabe gewesen, sagt Arnbom: "Aber ich habe es mit großer Freude, Demut und oft auch Verzweiflung getan, denn es war zuerst gar nicht einfach, die Menschen, die 1938 entlassen wurden, zu finden. Im zweiten Schritt waren plötzlich etwa 4.000 Seiten Primärquellen da, die es aufzuarbeiten galt."
Auf Basis von Archivbeständen, Lebenserinnerungen und Gesprächen mit Nachkommen skizziert die Autorin den Lebensweg der Vertriebenen. Einige konnten sich erfolgreich neue Existenzen aufbauen, manche wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Die meisten sind vergessen –#+ihnen wird nun ihre Geschichte zurückgegeben.
Zur Sache
Marie-Theres Arnbom: "Ihre Dienste werden nicht mehr benötigt"
Amalthea-Verlag, 25 Euro
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.