Wickel um Wiener Märkte: Kein Verständnis für Gastro-Stopp
Gastro-Stopp als Aus für kleine Märkte? Seit 1. Juli dürfen Standl, die neu eröffnen oder übernommen werden, keinen Gastro-Bereich mehr anbieten. Ein Lokalaugenschein am Schwendermarkt.
WIEN. Nina und Benedikt Strasser sind beschäftigt. Schwer beschäftigt. Er schnipselt Äpfel und Marillen, träufelt Honig über Joghurt. Seine Schwester werkt an der Kaffeemaschine. Im "Landkind", einem Bauernladen samt Café am Schwendermarkt, herrscht Mittwochfrüh Hochbetrieb. "Vielleicht noch Mandelsplitter aufs Müsli?", fragt Benedikt Strasser über die hölzerne Budel gebeugt einen seiner Gäste. Die sitzen nicht nur draußen auf den – maximal erlaubten – acht Plätzen, sondern auch auf zwei Mini-Tischchen drinnen. Ja, das Geschäft laufe gut, meint Nina Strasser. "Noch", fügt sie hinzu. Denn in Sachen Gastro am Markt steigt die Stadt auf die Bremse: Standl, die neu eröffnen oder übernommen werden, dürfen seit 1. Juli keinen Gastro-Bereich mehr anbieten.
Was das mit dem "Landkind" zu tun hat? Viel. "Die Regel ist aktive Sterbehilfe für den Schwendermarkt", haben die Strassers es in einem Brief an Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) auf den Punkt gebracht. Seit Jahren bemüht man sich im 15. Bezirk um das Florieren des kleinen Marktes an der äußeren Mariahilfer Straße. Das Um und Auf dafür laut den "Landkindern": der Markt als Erlebnis. "Zu uns kommen die Leute nicht nur zum Einkaufen, sondern um auch mal bei einer Brettljause zu entscheiden, welchen Käse man mitnimmt."
Und: Auch in Sachen Ablöse verheißt der Gastro-Stopp nichts Gutes. "Wenn ich um tausende Euro eine Schank einbaue – wer zahlt bei einer Neuübernahme dafür, wenn er sie nicht nutzen kann?", so Nina Strasser. Aktuell sollen zwei Standl – die "Palme 13" und das Fischgeschäft – neu übernommen werden: "Zwei von zehn Standln könnten bald leer stehen. Wie soll das Kunden anlocken?"
Standler ziehen an einem Strang
Auch anderen Bezirken stößt die neue Regel sauer auf. Währings Bezirksvorsteherin Silvia Nossek (Grüne) ortet einen Schnellschuss, Meidling-Chefin Gabriele Votava (SPÖ) ist "entsetzt": "Das gefährdet den Weiterbestand des Meidlinger Markts. Man hätte uns in die Entscheidung miteinbeziehen müssen."
Beim Marktamt spricht man von einer lediglich "temporären Notbremse für Fressmeilen": Ab Spätherbst wird an der neuen Marktordnung gearbeitet. Dabei sollen Öffnungszeiten und "Nebenrechte" – also alles, was den Gastro-Bereich betrifft – angepasst werden, so die Auskunft. So lange will man beim "Landkind" nicht warten: "Die Nebenrechte stehen uns auch vom Gewerberecht her zu", so Benedikt Strasser. Vor Gericht ziehen will man aber derweil noch nicht. "Wir werden uns mit Standlern in anderen Bezirken zusammentun, Unterschriften sammeln. Und Frau Sima kann sich gern von unserer Fressmeile überzeugen: Am Schwendermarkt ist diese nämlich ganze zehn Meter lang."
Zur Sache:
Seit 1. Juli werden an neu übernommene bzw. eröffnete Gemüse- oder Delikatessen-Standln keine sogenannten "Nebenrechte" mehr vergeben. Diese erlaubten es den Betreibern bisher, Speisen und Getränke an bis zu acht Plätzen zu verabreichen. Gültig ist die Novelle für alle Wiener Märkte.
Das Gewerberecht sieht zwar Nebenrechte für Standler vor. Die Stadt Wien ist bei Märkten jedoch häufig Grund- bzw. Standeigentümer. Als Vermieter kann man so das Bundesgesetz übergehen – das ermöglicht den aktuellen Gastro-Stopp. "Nur weil ein Recht da ist, muss es nicht befolgt werden", heißt es dazu vom Marktamt.
Im Spätherbst soll das Marktgesetz neu verhandelt werden – darunter fallen auch Nebenrechte und Öffnungszeiten. Die Verlängerung auf mindestens 21 Uhr wird von vielen Standlern gefordert.
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