Urteil
Wiener Gericht bestätigt Polizeigewalt bei Lobau-Protest
Im Februar vergangenen Jahres wurde eine Baumbesetzung in der Donaustadt geräumt. Ein Aktivist der Klima-Bewegung "LobauBleibt" wurde später im Polizeianhaltezentrum von einem Beamten verletzt. Das hat jetzt ein Gericht bestätigt.
WIEN/DONAUSTADT/ALSERGRUND. Vor knapp einem Jahr gab es mehrere Räumungen des Lobau-Protestcamps in der Donaustädter Hausfeldstraße innerhalb weniger Wochen. Während der Protestwelle haben mehrere Klimaaktivistinnen und -aktivisten der Bewegung "LobauBleibt" am 19. Februar in der Quadenstraße einen Baum besetzt und so gegen Rodungen für die geplante Stadtstraße demonstriert. Die BezirksZeitung berichtete damals:
Vor Ort wurde ein Großaufgebot der Polizei von WEGA-Spezialkräften unterstützt. Nach einigen Stunden wurde die nicht angemeldete Kundgebung geräumt. Vier Protestler wurden vorläufig festgenommen und in das Polizeianhaltezentrum (PAZ) Rossauer Lände gebracht. Dort soll ein Polizist einem 49-jährigen Aktivisten die Rippe gebrochen haben. Der Mann beschwerte sich – mit Erfolg.
Denn am Donnerstag, 19. Jänner, hat das Verwaltungsgericht Wien der Maßnahmen- und Richtlinienbeschwerde des 49-Jährigen stattgegeben. Das polizeiliche Vorgehen gegen den Aktivisten, der nach der Räumung zwecks Identitätsfeststellung ins PAZ gebracht worden war, war mehrfach rechtswidrig. Der Verwaltungsrichter Wolfgang Helm sagte bereits nach der Einvernahme des Aktivisten sowie der anschließenden Befragung von zwei Polizisten, dass man die unverhältnismäßige Gewaltanwendung "schwer bestreiten" kann.
2.400 Euro Aufwandersatz
Laut Helm agierte die Polizei "mit unverhältnismäßiger Körperkraft" gegen den Aktivisten, um von diesem ein Lichtbild anfertigen zu können. Außerdem wurde der Aktivist mit einer gebrochenen Rippe "ohne ausreichende ärztliche oder medizinische Behandlung zu lange angehalten", so der Richter.
Jetzt muss die Wiener Polizei dem Aktivisten binnen zwei Wochen 2.397 Euro an Aufwandersatz für Schriftsätze und sonstige Kosten leisten. Kein ordentliches Rechtsmittel ist gegen dieses Erkenntnis zulässig, berichtet "APA".
"Keine Gewalt" vs. "gewaltsam weggezerrt"
Am 19. Februar 2022 gab es bereits unterschiedliche Angaben zum Polizeieinsatz. Damals sagte ein Polizeisprecher, die auf der Holzplattform postierten Aktivisten wurden nach der Bekanntgabe der Auflösung der Versammlung mithilfe eines Cobra-Spezialfahrzeugs vom Baum geholt. Es habe laut der Polizei "keine Gewaltanwendung" gegeben. Doch die "LobauBleibt"-Bewegung behauptete, dass "junge Menschen gewaltsam weggezerrt" worden seien.
Wie heute bekannt wurde, wurden nach der Räumung zwei Frauen und ein Mann zum Zweck der Identitätsfeststellung festgenommen und ins PAZ gebracht. Der 49-Jährige "igelte" sich zunächst auf einer Sitzbank ein, weil er sich nicht fotografieren lassen wollte. Vier Beamte zogen ihn dann auf den Fußboden, wo er weiter versuchte, sein Gesicht mit Armen und Händen zu bedecken.
"Ins Kreuz gesprungen"
Im Verwaltungsgericht sagte der Klimaaktivist, dass der Polizist ihm daraufhin mit einem Knie "ins Kreuz gesprungen" ist. Die Folge: eine Fraktur der elften Rippe und eine Thoraxanprellung. Und das wurde von der Polizei bestritten. Ein polizeilicher Amtsarzt vermutete keine frische Verletzung, heißt es. Dazu der Richter:
"Das kommt mir reichlich seltsam vor, dass ein Unfallchirurg, sein Vorgesetzter, eine Röntgenologin und ein Gerichtsgutachter einen alten Rippenbruch nicht von einem frischen unterscheiden können"
Der 49-Jährige sagte, dass die Spezialkräfte der WEGA ihn von der Konstruktion "höchst professionell" gelöst haben. Die Beamten hätten ihn "höchst respektvoll behandelt". Erst am 20. Februar um 13.15 Uhr, also fast 24 Stunden nach der Festnahme, wurde er aus dem PAZ entlassen.
Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelte gegen einen Polizisten in diesem Fall, das Strafverfahren wurde jedoch eingestellt. Laut dem Anwalt des 49-Jährigen war nicht erweislich, welcher der Beamten für den Kniestoß verantwortlich war.
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