Czernohorszky im Interview
"Feinde der Demokratie werden lauter"

Von der Abwicklung von Wahlen bis hin zu Partizipationsprojekten: Das Aufgabengebiet des Demokratiestadtrats Jürgen Czernohorszky (SPÖ) ist vielseitig. | Foto: Maximilian Spitzauer/RMW
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  • Von der Abwicklung von Wahlen bis hin zu Partizipationsprojekten: Das Aufgabengebiet des Demokratiestadtrats Jürgen Czernohorszky (SPÖ) ist vielseitig.
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Demokratiestadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) spricht im großen Interview mit MeinBezirk über Mitbestimmung, das Wahlrecht und die Feinde der Demokratie. Er ist dafür zuständig, dass die bevorstehende Nationalratswahl in Wien am 29. September reibungslos abläuft.

WIEN. Als Demokratiestadtrat ist Jürgen Czernohorszky (SPÖ) für den reibungslosen organisatorischen Ablauf der bevorstehenden Wahl zum Nationalrat am 29. September 2024 verantwortlich.

MeinBezirk hat er verraten, wie viele Personen dafür im Einsatz sein werden und was alles getan werden muss, wie es um das Mitspracherecht in Wien steht und wie man die Demokratie stärken kann. 

Sie sind nicht nur Klima- und Umweltstadtrat, sondern auch Demokratiestadtrat. Was macht man denn als solcher?
JÜRGEN CZERNOHORSZKY: Einerseits bin ich für das Wahlservice verantwortlich, also jene Stelle der Stadt Wien, die dafür sorgt, dass am 29. September und bei jeder anderen Wahl in Wien alles perfekt organisiert ist. Aber Wahlen sind nur eine Möglichkeit der Mitbestimmung. Mir ist wichtig, dass auch Menschen ohne Wahlrecht in Wien mitgestalten können. Beispielsweise mit den Klimateams haben wir neue Wege gefunden, wie jede und jeder dazu beitragen kann, dass sich ein Grätzl zum Besseren verändert. Oder die Jugendmillion, bei der Kinder und Jugendliche eine Million Euro zur Verfügung haben und entscheiden, welche Projekte damit umgesetzt werden. Das sind nur zwei Beispiele dafür, dass wir uns verantwortlich dafür fühlen, Möglichkeiten zu schaffen, in Wien mitzuwirken.

13.000 Personen sind im Wahl-Einsatz

Welche Aufgaben umfasst die Organisation der Wahlen und wie viele Personen arbeiten daran?
Damit eine Wahl einwandfrei über die Bühne geht, arbeiten in Wien 13.000 Personen, darunter 8.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt Wien. Die MA 54 (Anm.: Zentraler Einkauf und Logistik) sorgt beispielsweise dafür, dass die notwendigen Materialien wie Wahlzellen, Kugelschreiber und Wahlurnen vorhanden sind. Die Abteilung Kommunikation und Medien kümmert sich darum, dass auch alle wissen, dass eine Wahl stattfindet. Es werden Wahlinformationen verschickt und die Bezirksämter sorgen dafür, dass die Wahlkarten ausgestellt werden und die Wahllokale zur Verfügung stehen. Es gibt die Wahl-IT, es gibt diejenigen, die dafür sorgen, dass alle Materialien von A nach B kommen, und vieles mehr.

Der Ablauf des Wiener Klimateams für das Jahr 2024/25 ist klar strukturiert: Von September bis Oktober können Ideen eingereicht werden, gefolgt von einer Evaluierung im November. | Foto: PID/VOTAVA
  • Der Ablauf des Wiener Klimateams für das Jahr 2024/25 ist klar strukturiert: Von September bis Oktober können Ideen eingereicht werden, gefolgt von einer Evaluierung im November.
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Bei der Europawahl 2024 waren erstmals fast alle Wahlstandorte barrierefrei erreichbar. Dadurch gab es zahlreiche Änderungen. Wie hat die Umstellung funktioniert?
Wir mussten im Vorfeld 100 neue Wahlstandorte finden, damit auch wirklich jeder barrierefrei zugänglich ist. Ein Kindergarten bietet beispielsweise einen barrierefreien Zugang, allerdings benötigt der Standort für die Wahl auch Sessel für Erwachsene. Von den 1.499 Wahllokalen in insgesamt 435 Standorten sind nur elf noch nicht barrierefrei – und die werden wir bis zur nächsten Wahl auch noch knacken.

"Feinde der Demokratie werden lauter"

Die Wahlbeteiligung bei der Nationalratswahl lag zuletzt bei 75,6 Prozent. Möchten die Menschen ihr Mitbestimmungsrecht nicht wahrnehmen?
Wenn jemand diese Entscheidung trifft, dann gehe ich davon aus, dass er oder sie in der Politik kein Angebot oder keine Lösungen für seine oder ihre Ängste und Sorgen sieht. Meiner Meinung nach muss es die Aufgabe jeder Politikerin und jedes Politikers sein, das Leben der Menschen besser zu machen, hinzuhören, wo es Herausforderungen, Sorgen und Probleme gibt, und erst dann mit der Arbeit aufzuhören, wenn man Antworten gefunden hat. Wir leben in einem Zeitalter, in dem die Feinde der Demokratie lauter werden. Dementsprechend ist es die Aufgabe von Demokratinnen und Demokraten – egal, welcher Ideologie – davor zu warnen, wohin das führen kann, wenn sukzessiv Rechte und Freiheiten abgebaut werden.

"Die Erdäpfel und die Butter werden nicht billiger, wenn man einen Sündenbock gefunden hat, sondern wenn man die Teuerung bekämpft", so Czernohorszky. | Foto: Maximilian Spitzauer/RMW
  • "Die Erdäpfel und die Butter werden nicht billiger, wenn man einen Sündenbock gefunden hat, sondern wenn man die Teuerung bekämpft", so Czernohorszky.
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Aber irgendwie scheinen diese Feinde der Demokratie bei den Menschen gut anzukommen.
Ja, was nur heißt, dass man mit noch mehr Energie dagegen vorgehen muss, und zwar nicht, indem man einfach nur sagt "Das ist schlecht!", sondern indem man Lösungen für Herausforderungen findet. Die Erdäpfel und die Butter werden nicht billiger, wenn man einen Sündenbock gefunden hat, sondern wenn man die Teuerung bekämpft. Politik ist eigentlich ein relativ klar umrissener Job, nämlich: für Menschen da zu sein und das Leben besser zu machen. Probleme zu finden und brandzustiften, gehört nicht zum Aufgabengebiet.

Wahlrecht soll reformiert werden

Knapp 35 Prozent der Wienerinnen und Wiener sind nicht wahlberechtigt, da sie keine österreichischen Staatsbürger sind. Ist diese Regelung noch zeitgemäß?
Nein, das ist ein großer Missstand. Dieser Missstand wird sogar noch größer, wenn man sich vergegenwärtigt, wer die Wienerinnen und Wiener sind, die nicht wahlberechtigt sind, weil sie keine Staatsbürgerschaft haben: Es sind 60 Prozent aller Arbeiterinnen und Arbeiter und mehr als 80 Prozent aller Hilfsarbeiterinnen und Hilfsarbeiter. Das erinnert mich an das Zensuswahlrecht in der Monarchie, wo Menschen, die nicht genug Geld hatten, nicht mitbestimmen durften. Wir haben in Österreich ein sehr restriktives, ich würde sogar sagen reaktionäres Staatsbürgerschaftsrecht. Es muss auf Bundesebene diskutiert und reformiert werden.

v. l., u. a. Erker (Abteilungsleiterin Stadt Wien – Energieplanung), Neos Wien-Klimasprecher Gara, Hertzsch (Referatsleiterin Wiener Klimateam), Klimastadtrat Czernohorszky. | Foto: Stadt Wien / Votava
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Wien wurde zur Europäischen Demokratiehauptstadt 2024/25 gewählt. Bei der Bekanntgabe meinten Sie, das Ziel sei es, die Demokratie zu stärken. Wie kann man die Demokratie stärken?
Ich bin wirklich stolz darauf, dass es uns gelungen ist, Europäische Demokratiehauptstadt zu werden. Doch diesen Titel haben wir nicht nur aufgrund unserer innovativen Mitmach-Angebote erhalten. Wir werden ab November sehr viele neue Möglichkeiten finden, um noch mehr Mitbestimmung zu ermöglichen. Für mich ist das allerwichtigste Ziel dabei, die Menschen zu erreichen. Das heißt: ganz besonders dort hinzuschauen, wo wir vielleicht bis jetzt die Leute nicht erreicht haben.

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"Die Erdäpfel und die Butter werden nicht billiger, wenn man einen Sündenbock gefunden hat, sondern wenn man die Teuerung bekämpft", so Czernohorszky. | Foto: Maximilian Spitzauer/RMW
Seit 24. November 2020 ist Jürgen Czernohorszky unter anderem Stadtrat für Demokratie. | Foto: Maximilian Spitzauer/RMW
"Politik ist eigentlich ein relativ klar umrissener Job, nämlich: für Menschen da zu sein und das Leben besser zu machen", meint Demokratiestadtrat Czernohorszky. | Foto: Maximilian Spitzauer/RMW
v. l., u. a. Erker (Abteilungsleiterin Stadt Wien – Energieplanung), Neos Wien-Klimasprecher Gara, Hertzsch (Referatsleiterin Wiener Klimateam), Klimastadtrat Czernohorszky. | Foto: Stadt Wien / Votava
Der Ablauf des Wiener Klimateams für das Jahr 2024/25 ist klar strukturiert: Von September bis Oktober können Ideen eingereicht werden, gefolgt von einer Evaluierung im November. | Foto: PID/VOTAVA

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