Kommentar
Ist außerhalb des Gürtels Politik Männersache?
Sieht man sich an, wer in den Flächenbezirken auf dem ersten Listenplatz für die Bezirksvertretungswahlen steht, stößt man auf deutlich mehr Männer als Frauen. Reist man auf den Ausfallstraßen zurück in die 50er?
WIEN. Es rollt nicht so richtig von der Zunge: "Die Spitzenkandidaten und die Spitzenkandidatin" oder "die fünf Spitzenkandidaten und die Spitzenkandidatin" - wenn es darum geht, über jene zu sprechen, die die aktuell im Gemeinderat vertretenen Parteien in die Wien-Wahl führen, stolpert man über das Geschlechter(miss)verhältnis.
Fünf Männer und eine Frau, kann man jetzt sagen, ein Zufall, die FPÖ soll sich glücklich schätzen, dass ihnen überhaupt irgendjemand den Listenersten macht. Doch wer sich, wie wir bei der bz-Wiener Bezirkszeitung, intensiv mit den Kandidatinnen und Kandidaten für die Bezirksvertretungswahlen, die ja auch am 11. Oktober stattfinden, beschäftigt hat, bemerkt: An der Spitze ist der Zufall noch immer männlich.
SPÖ: Zwölf Männer und zwei Frauen auf Platz 1
Wir befragen aktuell die Erstgereihten auf der Bezirksebene zu ihren Vorschlägen für die Zukunft. Und während da innerhalb des Gürtels das Geschlechterverhältnis beinahe ausgewogen ist, zeigt sich in unseren Zeitungen: Je weiter weg vom Zentrum, desto mehr männliche Gesichter. Von 75 Kandidatinnen und Kandidaten der Außenbezirke sind 52, also 70 Prozent, männlich. (Wenn man jene Parteien zählt, die aktuell bereits in den Bezirksvertretungen sitzen. Eine Liste aller Kandidierenden gibt es hier.) Das ist angesichts der vielen engagierten Bezirkspolitikerinnen, denen wir tagtäglich begegnen, vielleicht doch nicht nur ein Zufall.
Ohne die vielen Neos-Kandidatinnen würde diese Bilanz noch viel schlimmer ausfallen. Und während Parteien wie die FPÖ in gewohnter Manier einfach nirgendwo Frauen an die Spitze stellen (es sind zwei in ganz Wien), scheint man bei der SPÖ zu differenzieren: Innerhalb des Gürtels halbe-halbe, außerhalb führen zwölf Männer und zwei Frauen die Bezirksparteien in die Wahl.
Warum? Traut man den Wählerinnen und Wählern nicht zu, dass sie für eine Frau stimmen? Mit der Hernalser Bezirksvorsteherin Ilse Pfeffer, die heuer in ihre vierte Wahl geht, hätte man eigentlich ein gutes Beispiel dafür, dass das nicht stimmt. Oder sind die dortigen Parteistrukturen konservativer als anderswo? Wenn ja, dann kann es durchaus sein, dass sie den Wählerinnen und Wählern hinterherhinken.
Entgegen aller Vermutungen gibt es auch in Süßenbrunn und Rothneusiedl, in Neuwaldegg und Stammersdorf Menschen, die im 21. Jahrhundert angekommen sind. Sie würden Frauen wählen, manche von ihnen legen auch nicht 100 Prozent aller Wege mit dem Auto zurück. Dass auf diese Menschen wenig Rücksicht genommen wird, würden sich die Parteien vermutlich nie nachsagen lassen. Die Listenersten sind aber zumindest ein Indiz, dass noch Aufholbedarf da ist.
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.