Causa "Bierwirt"
Urteil wegen übler Nachrede gegen Sigi Maurer aufgehoben
Die Nachricht des Tages: Das Urteil wegen übler Nachrede gegen Sigi Maurer wurde heute vom Oberlandesgericht (OLG) aufgehoben. "Wir dürfen nicht vergessen, dass in diesem Verfahren, die Belästigte auf der Anklagebank sitzen musste", heißt es in einer ersten Reaktion von Zara.
WIEN. Im Oktober wurde Sigi Maurer, ehemalige Grünen-Politikerin, wegen übler Nachrede verurteilt. Maurer hat im vergangenen Mai private Facebook-Nachrichten, die vom Account eines Bierlokalbesitzers an sie geschickt wurden, veröffentlicht. Der Inhalt der Nachrichten damals: obszöne, sexistische Beleidigungen und Drohungen.
In seiner Urteilsbegründung gegen Maurer sprach Richter Apostol im Oktober davon, dass Maurer erreichen wollte, dass es zu einer Ächtung des Klägers komme. Für Maurer habe die Beweisführung nicht ausgereicht. Man könne nicht mit absoluter Sicherheit sagen, dass der Besitzer des Ladens die Nachrichten verfasst habe. „Daher sind Sie wegen übler Nachrede schuldig, weil Sie diese wissentlich begangen haben“, so der Richter damals. Das Urteil sorgte in diversen Foren auf Social Media für Entsetzen.
„Der Richter hat aus dieser Verhandlung einen Indizienprozess um Beistriche und Rufzeichen gemacht", kommentierte etwa ein User in einem Forum den Prozess. „Dieses Urteil ist ein Schlag ins Gesicht aller Opfer von sexueller Belästigung“, schrieb ein anderer. Maurers Anwältin, Maria Windhager, kündigte daraufhin volle Berufung an. Nun steht fest: Alles zurück an den Start.
OLG: "Nicht vorstellbar", dass ein Gast die Nachrichten geschickt hat
Tatsächlich war die Befragung des Klägers im Prozess verwirrend. Dieser konnte nämlich konkret niemanden nennen, der die Nachrichten verschickt haben hätte können. Seine Befragung ergab lediglich, dass andere Personen Zugang zum Computer hatten und die Nachrichten in einem Abstand von 12 Minuten verschickt wurden. 12 Minuten, in denen, wie der Kläger damals behauptete, der Computer unbeaufsichtigt war. Er selbst sei immer wieder vor der Türe des Lokals gewesen oder beim "Billa".
Das alles war für das OLG nun zu dünn. Die bloße theoretische Möglichkeit, dass die Nachrichten von anderen Personen verschickt werden hätten können, reiche als Begründung nicht aus. Und noch mehr: Selbst die Möglichkeit, dass einer der Lokalgäste die Nachrichten geschickt hätte, sei nicht vorstellbar, heißt es vom OLG. Denn dieser hätte, unbemerkt von den anderen Gästen und dem Bierwirten, zum Computer gehen und von dort aus die Nachrichten schicken müssen.
Zara: Die Belästigte saß auf der Anklagebank
Sigi Maurer selbst freut sich über das Urteil. Dem Online-Magazin futurezone sagt sie: „Ich freue mich sehr über die Urteilsaufhebung. Das bestätigt meine Wahrnehmung und die vieler Beobachter_innen, dass die Begründung für meine Verurteilung lebensfremd und absurd war. Es ist ein Etappensieg - noch bin ich nicht freigesprochen, aber ich bin zuversichtlich in der zweiten Runde zu gewinnen.“
„Das Urteil durch das OLG ist nicht überraschend. Dennoch ist es sehr gut zu sehen, dass die österreichische Gerichtsbarkeit funktioniert und mit diesem Urteil dafür sorgt, dass die Anforderungen an diejenigen, die Hassnachrichten bekommen, wieder auf ein menschliches und machbares Maß gesetzt werden“, zeigt sich Dieter Schindlauer, Geschäftsführer von Zara-Zivilcourage und Antirassismusarbeit zufrieden.
„Wir dürfen nicht vergessen, dass in diesem Verfahren, die Belästigte auf der Anklagebank sitzen musste. Es ist vor allem wichtig, dass das OLG klargestellt hat, dass die bloß theoretische Möglichkeit, dass auch jemand anderer Zugang zu einem PC hatte und das genutzt hat, nicht ausreicht, um den Wahrheitsbeweis unmöglich zu machen.“ Letztlich lasse sich das Urteil – in Übereinstimmung mit anderen Bestimmungen der Rechtsordnung – schon auch so lesen, dass man ein gewisses Maß an Verantwortung dafür habe, was vom eigenen Account verschickt wird.
Rechtshilfefonds sammelt weiter Spenden gegen Hass im Netz
Gemeinsam mit Zara hat Sigi Maurer einen Rechtshilfefonds für Betroffene von Hass im Netz gegründet. Auch hier hat sich schnell gezeigt, wie unverständlich das erste Urteil für viele Beobachter war. Denn in nur zwei Tagen konnte der Fonds damals die ersten 100.000 Euro sammeln. Damit waren nicht nur die Kosten abgedeckt, die im Prozess gegen Sigi Maurer drohten, zudem können Klagen weiterer Betroffener finanziert werden. In einer zweiten Phase des Projekts „Rechtshilfefonds gegen Hass im Netz" sollen das kostenlose rechtliche Beratungsangebot von ZARA abgesichert und ausgebaut, sowie weitere Klagen von Betroffenen finanziert werden.
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