Umbenennung mit allen Mitteln: aus Wikimedia wird Wikipedia
Die Wikimedia Foundation, die Trägerorganisation der Wikipedia und ihrer Schwesterprojekte, wird sich in Wikipedia Foundation umbenennen. Das Ergebnis einer seit Monaten laufenden offenen Befragung unter den freiwilligen Autoren der Wikipedia, die das Vorhaben mit klarer Mehrheit ablehnen, verwirft man seitens der Wikimedia Foundation, und führt seit 16. Juni eine intransparente Befragung durch, bei der man nur mehr die bisher von den Freiwilligen mit klarer Mehrheit abgelehnten Optionen zur Wahl stellt.
Zwischen der Wikimedia Foundation als Seitenbetreiberin der Internet-Enzyklopädie Wikipedia und den freiwilligen Mitarbeitern, die die Texte und Bilder der Enzyklopädie verfassen, gärt es wieder einmal: Die Wikimedia Foundation möchte ihr Branding verbessern. Der Begriff Wikipedia soll in den Mittelpunkt rücken, daher möchte sich die Wikimedia Foundation in Wikipedia Foundation umbenennen. Bei den freiwilligen Autoren der Wikipedia stößt das Vorhaben seit dessen Bekanntwerden im Vorjahr auf breite Ablehnung. Die Autoren der Wikipedia fühlen sich der Neutralität verpflichtet und leisten ihre Arbeit unbezahlt. Viele dieser Freiwilligen möchten nicht mit der rechtlich als Seitenbetreiber der Enzyklopädie fungierenden Wikimedia Foundation verwechselt werden, die durch die von ihr auf Wikipedia geschalteten Spendenaufrufe über ein Jahresbudget von 100 Millionen Dollar verfügt und sich zunehmend als gesellschaftlich und politisch agierende Bewegung versteht. Außerdem befürchten die freiwilligen Autoren der Internet-Enzyklopädie, dass es die kleineren Schwesterprojekte von Wikipedia – wie Wikidata, Wikinews, Wiktionary und Wikiquote –, hinter denen rechtlich ebenfalls die Wikimedia Foundation steht, durch die geplante Umbenennung noch schwerer haben werden, sich neben der Enzyklopädie Wikipedia zu behaupten.
Bemerkenswert ist, mit welchen Methoden die Wikimedia Foundation die Umbenennung durchzieht: Eine Umfrage unter den Freiwilligen, bei der sich die Mehrheit der Teilnehmer gegen die Umbenennung aussprachen, wurde von der Wikimedia Foundation in breite Zustimmung uminterpretiert, indem man die Zahl der ablehnenden Stimmen nicht mit jener der zustimmenden Stimmen verglich, sondern mit der Zahl aller Seitenaufrufe der Umfrage. Verblüfft von dieser Dreistigkeit der Wikimedia Foundation starteten die Freiwilligen vor einigen Monaten eine neue Umfrage mit übersichtlicher Auswertung; bei dieser transparenten Befragung unter den freiwilligen Autoren sprachen sich fast 90 % der Abstimmenden gegen die Umbenennung aus. Das war neuerlich nicht das von der Wikimedia Foundation gewünschte Ergebnis. Also ignorierte man seitens der Wikimedia Foundation auch diese Abstimmung und startete am 16. Juni selber eine neue 14-tägige Online-Abstimmung, die mit recht voreingenommen verfasstem Einführungstext, limitierten Abstimmoptionen, intransparenter Auswertung und der Möglichkeit von Mehrfachstimmabgaben keinesfalls ein zuverlässiges Meinungsbild liefern kann, aber mit der es der Wikimedia Foundation vielleicht nach außen hin doch gelingt, sich den Anschein eines Rückhaltes unter den Freiwilligen für die Umbenennung verschaffen zu können. Alle drei von der Wikimedia Foundation nun zur Abstimmung vorgelegten Vorschläge für die Umbenennung der Foundation (Wikipedia Foundation, Wikipedia Organization, Wikipedia Network Trust) rücken den Begriff wikipedia in den Mittelpunkt des künftigen Auftritts der Wikimedia Foundation. Den status quo hingegen hat man sicherheitshalber gar nicht erst als Option zur Abstimmung gestellt. In der am 16. Juni erfolgten Live-Online-Präsentation der zur Abstimmung vorgelegten Vorschläge wurde seitens der Wikimedia Foundation zwar versichert, dass man bei der Abstimmung zu den drei wikipedia-lastigen Vorschlägen bei Nichtgefallen gar nichts ausfüllen müsste, sondern sich auch darauf beschränken könnte, einen vierten Vorschlag zu machen – beim Ausfüllen des Fragebogens stellt sich aber für die Teilnehmer heraus, dass das so nicht möglich ist. Erst muss man die Eignung der drei Vorschläge auf mehrere von der Foundation vorgegebene Kriterien hin bewerten; die bei den bisherigen Umfragen von den Freiwilligen häufig genannten Kontraargumente tauchen in diesen Kriterien gar nicht erst auf. Am Schluss des Fragebogens gibt es zwar die Möglichkeit, selber einen Namensvorschlag zu machen. Man kann aber die anderen Vorschläge nicht ablehnen, sondern höchstens in eine gewünschte Reihung bringen, wobei ein etwaiger eigener Vorschlag zunächst einmal an letzter Stelle aufscheint.
Die Wikimedia Foundation behauptet, durch die geplante Umbenennung die Verwirrung verringern zu wollen, die in der Öffentlichkeit wegen der derzeit unterschiedlichen Namen des Seitenbetreibers und der Seiten besteht. Was die Wikimedia Foundation mit der mit allen Mitteln durchgezogenen Umbenennung tatsächlich erreichen wird, ist, dass aufgrund der dann bestehenden Gleichnamigkeit sowohl für die Leser als auch für die Spender der Unterschied zwischen dem finanziell gut aufgestellten rechtlichen Seitenbetreiber und den unbezahlten Erstellern der Enzyklopädie noch unklarer werden wird. Kurzfristig mag diese geplante Verwechselbarkeit für das Spendenaufkommen der Wikimedia Foundation positiv sein; es darf aber bezweifelt werden, ob es so gelingt, die an den Spendeneingängen nicht partizipierenden Freiwilligen, die für den Inhalt der vielgenutzten Enzyklopädie sorgen, bei der Stange zu halten.
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