Fortsetzung: Vertrieben (30)

Foto: Bayrischer Rundfunk

Die wahre Geschichte eines kleinen Mädchens

Autorin: U. Hillesheim ©

Bald merken wir, dies ist ein Schreckens- und Hungerlager. Das Lager gilt als Lager für Schwerkriegsverbrecher. Männer und Jungen werden tagtäglich gefoltert und grausam verprügelt. Viele werden zu Tode geprügelt. Vor allem nachts hört man das Schreien der Gequälten. Da wir Kinder tief schlafen, bekommen wir das zum Glück längst nicht so mit wie unsere Mütter.

Gelegentlich kommen Männer zu unserer Frauenbaracke, lassen sich etwas Zerrissenes flicken und erzählen von dem, was sie aushalten mussten. Man dürfe nicht jammern und keine Angst zeigen. Solche, die schrien und stöhnten, würden besonders ausgiebig geschlagen. Denn dies errege bei den Tschechen erst recht grausame Lust. Bei denen, die sich beherrschen, verlieren die Peiniger eher die Freude an weiteren Quälereien.

Wir dürfen die Baracke tagsüber verlassen und können uns weitgehend frei auf dem Lagergelände bewegen. Aber von Zeit zu Zeit werden alle zusammen getrieben und in die Baracke gesperrt. Von aussen werden dann sogar die Fensterläden zugeschlagen und fest verriegelt. Man hört Autogeräusche. Was geht draussen vor, das wir nicht sehen sollen? Brech Fritz und wir entdecken einen Spalt in der hölzernen Aussenwand und können hinaus spähen. Aus dem Auto werden reglose, blutige Männer gezogen. Man schleift sie in die Kellereingang neben unserer Baracke. Ein Folter- und Sterbekeller liegt neben uns. Dieses bestimmte Auto kennen wir bald und wir nennen es „Leichenauto“.

In der Frühe gibt man uns eine trockene Brotschnitte und einen Schöpfer schwarzen Ersatzkaffee. Die nächste Mahlzeit ist abends: Ein Schöpflöffel Suppe und eine Brotschnitte. Die Suppe ist dünn und wässrig und nur wenige Kartoffel- oder Möhrenstückchen schwimmen darin. Bald haben wir Hunger, nagenden Hunger.

Hunger! Hunger! Der Hunger hat uns bald vollkommen erfüllt. Vorstellungen und nahezu alle Gedanken kreisen um Essen. Muttl hat aus Bennisch Mehl mitgenommen. Auf selbst gebauten Öfchen kocht sie uns mittags eine Mehlsuppe. Das Mehl wird mit kaltem Wasser angerührt und dann in Wasser gekocht. Muttl würzt die Suppe mit dem Rest eines Pflaumensirups aus unseren Vorräten. Löffelweise teilt sie den dünnflüssigen Brei an uns aus. Und wir Kinder achten mit Argusaugen darauf, dass ja der Löffel bei den anderen nicht voller ist als der eigene. „Bei euch müsste man eine Goldwaage haben“, sagt Muttl.

Zeitweise müssen die Frauen – auch Muttl – in die Stadt arbeiten gehen. Wir drei Kinder sind dann den ganzen Tag uns selbst überlassen. Jetzt müssen Adelheid und ich diesen Mehlbrei kochen. Schnell lernen wir, ein Öfchen zu bauen und mit Feuer umzugehen. Das Öfchen besteht einfach aus zwei Steinen, über die eine Metallplatte gelegt wird. Holz zum Feuern liegt auf dem Lagergelände überall herum. Muttl schärft uns auch ein, möglichst abseits zu kochen, um nicht den Neid anderer zu erregen.

Von der Arbeit bringt Muttl manchmal Gemüsereste, zum Beispiel Kohlstücke oder Salatblätter mit, die sie auf dem Abfallhaufen gefunden hat. Auch sie werden in Wasser gekocht und gierig verschlungen. Vage erinnere ich mich, dass Muttl (mit anderen Frauen?) mehrmals in ein und dasselbe Haus zu Putzen angefordert wurde, obwohl es dort wahrhaft nichts mehr zum Putzen gab. Offenbar wollte der Eigentümer die Frauen aus dem Lager heraus holen und ihnen besseres Essen zukommen lassen. Es gab eben auch menschliche Tschechen.

Fortsetzung folgt

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