Wenn Wieser Häuser reden...

Auch Dipl-FTH Rainer Kolar holte sich ein druckfrisches Buch mit Widmung von der Autorin.
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  • Auch Dipl-FTH Rainer Kolar holte sich ein druckfrisches Buch mit Widmung von der Autorin.
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Wo sich einst das gesellschaftliche und Vereinleben abgespielt hat, brachte nun Anna Strauß Häuser zum Sprechen. Die Autorin hat einen neuen Urkundenbestand für Wies zusammengetragen und diesen im Buch „Wenn Häuser reden…“ dokumentiert. Eine echte Rarität in der dritten Ortschronik von Wies ist ein Bild aus den Privatgemächern des Schlosses Herberstein. Es zeigt Gräfin Maria Anna von Herberstein, die Erbauerin der Wallfahrtskirche in Wies, inmitten ihrer Familie. Die Buchpräsentation mutierte zu einem Ausflug in die Vergangenheit und einem Ortsrundgang. „Wenn Häuser reden…“ wurde von Simadruck Deutschlandsberg hergestellt!

(jf). Der Sitzungssaal im Rathaus war bis auf den letzten Platz gefüllt. Unter den Gästen weilten auch Hausbesitzer und -bewohner von Wies.
„Sie nahmen uns gut vorbereitet und gesprächsbereit auf und ließen uns mit Fotos, Dokumenten und auch Anekdoten hinter die Fassaden ihrer Häuser und Familien blicken“, betonte SR Anna Strauß. Prof. Mag. Heinz Sigl (Layout), SR Heinrich Mödlinger (Grafiken), DI Ferdinand Brunner (Beiträge, Lektorat) und Ing. Veronika Spari (Pfarrarchiv) haben sie bei ihrem Werk unterstützt. „Die Häuser sind die Geschichte eines Ortes“, so Bürgermeister Mag. Josef Waltl. „Mit dem Tod der Leute gehen viele Dinge verloren. Dieses Buch ist unsere Geschichte und Entwicklung. Es gibt Ein- und Ausblick.“

„Ich habe alle Häuser mit gleicher Freude und Liebe beschrieben!“

Autorin Anna Strauß

Die musikalische Einstimmung und Begleitung durch die Geschwister Nußbaumer – Elisabeth (Klavier, Geige), Peter (Cello, Klavier), Paul (Cello) – erweckte im Publikum das Gefühl, durch Wies zu spazieren und von Zeit zu Zeit vor einer der Fassaden zu verweilen, um den Geist der Gebäude auf sich wirken zu lassen. Zu erzählen gäbe es viel. Über die Geschichten und verschiedenen Begebenheiten, die sich in den Häusern abgespielt und zugetragen haben…

Dritte Ortschronik von Wies kann mit neuen Erkenntnissen aufwarten!

Vor zehn Jahren hat Anna Strauß aus Interesse an der Geschichte mit ihren Recherchen begonnen. Die Lust, immer Neues zu entdecken, wuchs. Mit Hilfe des neuen Urkundenbestandes, von Grundbüchern und Ansiedlungsurkunden der Herrschaft Burgstall sowie mit viel Einsatz hat die Autorin einen wichtigen Geschichtsschatz gehoben. So ist es ihr gelungen, die planmäßige Ansiedlung einer schmucken Häuserzeile auf der Wies unterhalb des Schlosses Burgstall im Jahre 1802 unter dem ersten bürgerlichen Besitzer, Anton Franz Hoffer, zu dokumentieren. Aus chronologisch weiterführenden Gewährbüchern sind sämtliche folgenden Besitzveränderungen und Gewerbewechsel eingetragen, die zur Vervollständigung der historischen Aufarbeitung der Marktgemeinde Wies beitragen, jedoch bisher gefehlt haben. Daher sind diese Quellen ein wichtiger Baustein in der Ortsgeschichte. Wies hat nun einen Baualtersplan!
Der Staatsbankrott von 1811 führte zu Besitz- und Gewerbewechsel, aber auch zur Ortserweiterung von 1812, der Parzellierung der Sulmzellen. Sie wurden das zweite Standbein der verarmten Ansiedler. Diese Zweiteilung der Anwesen – Schlossbergzeile und Sulmzeile – war der Anfang eines dorfähnlichen Ortsbildes.
Die Brandkatastrophe und der Tod von mehr als 200 Wallfahrern im Jahr 1850 hemmten den wirtschaftlichen Aufschwung. Doch scheinen Bäcker und Wirte durch die Wallfahrer zu Wohlstand gekommen zu sein. Sie gestalten ihre Fassaden mit Säulen und Stuckelementen, ihre Eingangstüren sind Portale. Mit der Erweiterung ihres Besitzes um Forst, Wiesen, und Äckern bringen sie ihr bürgerliches Lebensgefühl zum Ausdruck. Sie werden Realitätenbesitzer und Bürger von Wies.
Der lange zeitliche Abschnitt – beinahe 70 Jahre – bis zur nächsten Ortserweiterung 1874 brachte Raum- und Wohnungsnot mit sich. In den ebenerdigen Bürgerhäusern wurden Dachräume ausgebaut, sogar Stallungen aufgestockt. Wieder änderte sich das Ortsbild, diesmal in der Dachlandschaft. Es entstanden Dachgaupen. Zugezogene Familien und Kleinhandwerkern suchten Zimmer-Küche-Wohnungen.
Die Errichtung der Glasfabrik (1871) und der Bau der Eisenbahn von Lieboch nach Wies (1873) brachten den neuen Stand, Fabrik- und Bauarbeiter mit sich. Die Ansiedlergeneration wurde allmählich von „Altwiesern“ abgelöst. Es wurden zwei Häuser an der Ortsausfahrt und etliche Gaststuben gebaut. Nicht der Kirchplatz, sondern der Marktplatz war das Zentrum. Die Markttage und Viehmärkte in Wies waren weithin bekannt. Durch eine heimtückische „Krankheit“, die Spielsucht, gingen im letzten Vierteljahrhundert einige Bürgerhäuser an die Geldverleiher – Bierbrauer, Weinhändler und Sparkassen. Es kamen neue Käufer, die „Neuwieser“, die heute schon in der fünften Generation hier leben. Sie erwarben Landwirtschaften, errichteten Häuser und bauten erworbene in Personal- und Zinshäuser um.
Das geschlossene Straßenbild, das wir heute von Wies kennen, die Häuserzeile auf der Schlossbergseite und die Häuserzeile auf der Sulmseite, entstand erst durch die Bebauung der Tafernergründe, der großen landwirtschaftlichen Fluren in der Ortsmitte, beziehungsweise der Asphaltierung der „Leitingerwiesen“ zum Parkplatz von Wies.
In der Chronik wird auch die sehr unterschiedliche Entstehung der beiden Ortsteile Oberer Markt und Unterer Markt, ihre Zugehörigkeit zu zwei verschiedenen Herrschaften, Burgstall und Deutschlandsberg, und somit zu zwei verschiedenen Strukturen, Herren- und Bauernland, gut herausgearbeitet. Die Geschichte des Unteren Marktes ist um 100 Jahr jünger als die des Oberen Marktes.
Der Untere Markt, dereinst Rustikalland untertäniger Bauern ad Herrschaft Deutschlandsberg, besaß bereits seit 1694 drei bauliche Objekte. Historische Parzellen sind der Marktplatz mit religiösem Zentrum und Schulen, der Friedhof und das bäuerliche Anwesen Posch. Durch den Verkauf von Bauparzellen nach 1900 begann auch hier die Ansiedelung von Gewerbetreibenden.
Die Nachlese enthält interessante historische Zeitungsberichte über Feilbietungen und Versteigerungen ab 1795, das burgstallische Siegel sowie Eintragungen aus Pfarrmatriken, aus denen etwa Lebensdaten der letzten Besitzerin der Herrschaft Burgstall und Erbauerin der Wallfahrtskirche „Zum Gegeißelten Heiland auf der Wies“, Reichsgräfin Maria Anna von Herberstein, oder des ersten bürgerlichen Besitzers von Burgstall, Anton Franz Hoffer, dokumentier sind. Es sind die Erhebung seiner Nachkommen in den Adelsstand als „Edle von Sulmthal“ aus der Titelseite der Österreichisch Kaiserlichen Wienerzeitung aber auch „ertheilte Gnaden in der Wiß Capellen“ aus der Pfarrchronik nachzulesen.
Der Hauptteil der Publikation ist aber der ausführlichen und überaus lesenswerten Chronik der Bürgerhäuser von Wies gewidmet, die durch die engagierte und positive Mitarbeit der Ortsbewohner den historischen Teil ergänzt und dem 125 Seiten starken Buch den Titel „Wenn Häuser reden…“ gaben.
Der Archivarin Veronika Spari schenkte Anna Strauß ein seltenes Bild für das Pfarrarchiv von Wies. Es zeigt Gräfin Maria Anna von Herberstein. die Erbauerin der Wallfahrtskirche „Zum Gegeißelten Heiland auf der Wies, in trauter Familienidylle. Das Original hängt in einem der privaten Räume des Schlosses Herberstein und durfte für die Publikation dieser Chronik fotografiert werden.
Bürgermeister Mag. Josef Waltl streute Anna Strauß am Ende ihrer packenden Präsentation Blumen: „Ich möchte mich für die mit viel Herzblut geleistete Arbeit für Wies, für die Gemeinde und für die Bevölkerung aufrichtig bedanken!“

Fotos: Josef Fürbass

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