Mobilitätsgeschichte in Bewegung
Der Wünschendorfer Gastwirt Gottfried Lagler fährt mit Leidenschaft einen Steyr-Puch 500, wie er 1957 in Österreich erstmals auf den Markt gekommen ist. Was ist daran erwähnenswert?
Das muß von einer anderen Seite her geklärt werden. Der Nimbus von Automobilen hat eine tiefe Vorgeschichte. Solche Vehikel waren gerade noch das kühne Statement reicher Leute, fuhren vor einigen Jahrzehnten der breiten Bevölkerung vor der Nase herum, machten sich auf den Straßen breit.
Ein Achtzigjähriger, der aus keinem begüterten Haus kommt, hat seinerzeit wahrscheinlich erlebt, daß die ganze Familie für sein erstes Fahrrad Geld zusammenlegen mußte.
In den 1930ern und -40ern waren Fahrräder keine Wegwerfprodukte, sondern teure Güter. Von Motorrädern wagte kaum jemand zu träumen und ein eigenes Automobil war außerhalb jeder Reichweite, nur für wohlhabende Eliten erschwinglich.
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden so nach und nach Autos gebaut, die sich weitere Bevölkerungskreise auch leisten konnten. Laglers „Puch-Schammerl“ ist ein Meilenstein jener Ära. Etwas laut, etwas eng, aber ein echter Viersitzer. Also eine soziale Sensation der 1960er-Jahre.
Damit hält Lagler ein Stück Mobilitätsgeschichte greifbar. Würde man sein „Pucherl“ nicht sehen, hören und riechen können, es fiele einem schwer, aus heutiger Sicht zu begreifen, was seinerzeit ein „tolles Auto“ gewesen ist.
Die handlichen Fahrzeuge aus Graz-Thondorf waren auch im Rennsport sehr erfolgreich. Eine feine Variante dessen, was als gesellschaftlicher „Generalfetisch“ der Masssenkultur des 20. Jahrhunderts gelten muß.
Gottfried Lagler ist treibende Kraft eines Oldtimer-Stammtisches, von dem die alljährliche „Apfelblütenfahrt“ ausgeht, welcher übrigens im kommenden Herbst die „Löwenrallye“ veranstalten wird. Damit bündelt er eine Schrauber- und Sammlerszene, die auch viel an handwerklichen Fertigkeiten repräsentiert, an denen unsere Gesellschaft zunehmend ärmer wird.
Aber das ist eine andere Geschichte. Die erzähle ich demnächst. Jedenfalls sollte man nicht unterschätzen, in welchem Maß diese Leute Kulturschaffende sind. Greifbare Kompetenzen und lebendige Sozialgeschichte finden hier zusammen, um so manches kleines Denkmal der Industrie in Bewegung zu halten.
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