Prozess
Pflegekind in Amstetten misshandelt und beinahe verhungert
AMSTETTEN (ip). Zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage fand die St. Pöltner Staatsanwältin Barbara Kirchner in einem Prozess am Landesgericht kaum Worte für grausames Vorgehen gegen Kinder. War es vor Kurzem ein Großvater, der seine Enkelin bis zu 400 Mal vergewaltigt haben soll, muss sich nun eine 44-Jährige aus dem Bezirk Amstetten wegen der fortgesetzten Gewaltausübung gegenüber einer mittlerweile Neunjährigen verantworten.
Geistige und Körperliche Folgen
Die Beschuldigte, selbst Mutter von drei Kindern, übernahm 2013 als ausgebildete Tages- und Pflegemutter die damals eineinhalbjährige Janine (Name von der Redaktion geändert). Das Kind wog bei seiner Aufnahme in die Pflegefamilie zwölf Kilo und brachte fünf Jahre später kaum mehr auf die Waage. Obwohl es sich schließlich um einen akuten Notfall gehandelt habe, landete Janine erst drei Wochen danach im Krankenhaus.
Körperlich massiv zurückgeblieben, stark auffällig im sozialen Verhalten und Narben führten zu Ermittlungen, wobei Janine selbst sich nur gegenüber Gutachter Salvatore Giacomuzzi äußerte. Laut Anklage bekam das Kind jahrelang kaum zu essen, wurde geschlagen, mit Handschellen ans Bett gefesselt, gebissen und musste nicht zuletzt Kot essen.
Ungewaschen und verwahrlost besuchte Janine Betreuungseinrichtungen. Eine Volksschullehrerin brachte entsprechende Maßnahmen schließlich ins Rollen, nachdem das Mädchen auch dadurch aufgefallen war, dass es den Schulkameraden die Jause stahl und häufig nicht in der Lage war, über Stiegen zu kommen.
Urteil bleibt noch aus
Vor Gericht bestritt die Frau bis jetzt alles, was Kirchner ihr zur Last legt. Janine habe an vielen Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten gelitten und anscheinend beschlossen, nicht mehr zu wachsen. Sie habe alles Mögliche getan, habe sich auch ärztlichen Rat geholt und versucht, das Kind in geeigneten Kindergärten unterzubringen.
Der vorsitzende Richter ließ ein psychiatrisches Gutachten einholen. „Das gibt es ja nicht, dass ein geistig gesunder Mensch so etwas macht“, wandte er sich an den Sachverständigen Werner Brosch, der zwar einen auffälligen Charakterzug, aber keine Störung im Sinne einer Erkrankung bei der Frau diagnostizierte. „Menschen begehen mitunter abscheuliche Dinge auch ohne Krankheit“, so Brosch.
Im Gegensatz zu ihrer körperlichen Entwicklung besitze Janine geistig durchschnittliche Fähigkeiten und sei zu entsprechenden Aussagen in der Lage, meinte Giacomuzzi. Sie habe sich jahrelang in einem lebensbedrohlichen Zustand befunden, der unter anderem mit täglichen Schmerzen von zwölf bis 16 Stunden verbunden gewesen sei. „Sie hat es nicht verstanden, sondern ertragen und Symptome entwickelt“, so der Gutachter.
Sowohl seitens des Gerichts als auch von Verteidiger Georg Thum werden noch zahlreiche Zeugen benötigt, bevor ein Urteil gefällt werden kann.
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