Museum Traiskirchen
Zwischen Geschichte und Vergangenheitsbewältigung
Wo wurde vor 100 Jahren eingekauft? Wie haben die "normalen Leute" gewohnt? Antworten auf diese Fragen gibt es auf anschauliche Weise im Museum Traiskirchen. Die Räumlichkeiten in der ehemaligen Kammgarnspinnerei in Möllersdorf laden zu einer beeindruckenden Zeitreise in die lokale Geschichte ein. Ab 2. März ist wieder geöffnet. Nicht nur Besucher sind herzlich willkommen – das Museum sucht auch stets freiwillige Helfer.
MÖLLERSDORF. Das Gebäude an sich ist schon beeindruckend: Am Stadtrand von Möllersdorf, einem Ortsteil von Traiskirchen, kann man auf drei Stockwerken in die Vergangenheit der Region eintauchen. "Trotzdem ist mehr als ein Heimatmuseum", sagt Museums-Chefin Karin Weber-Rektorik. Seit mehr als 20 Jahren ist sie Herrin über die vielen Tausend Ausstellungsstücke – und die gehen von kleinsten Werkzeugen bis zu riesigen Feuerwehrautos und einer alten Badner Bahn Garnitur.
Die Direktorin gewährte den BezirksBlättern einen exklusiven Blick ins Museum: Wir durften es noch während der Schließtage besuchen. Ein besonderes Gefühl – fast wie bei "Nachts im Museum". Ab dem 2. März hat es dann wieder donnerstags, sonn- und feiertags regulär für Besucher geöffnet.
Ein Stück Industriegeschichte
Die weitläufigen Gänge und Hallen waren ab Mitte des 19. Jahrhunderts eine Spinnerei: erst für Baum-, später dann für Schafwolle. Bis zur Schließung Mitte der 1970er Jahre waren rund 1.400 Personen hier beschäftigt, vorwiegend Frauen. 60.000 Spindeln drehten sich in der Halle, in dem heute das große Feuerwehrmuseum beheimatet ist. Der Lärm war enorm, das Verletzungsrisiko ebenfalls.
Zwischen Zeitreise und "Altlasten"
Im Museen sind meistens historische Dinge zu finden, im Fall des Museums Traiskirchen sogar jede Menge: Alleine in der Bassena-Wohnung sind es über 400 Exponate. Hauptsächlich sind es Alltagsgegenstände: "Genau das ist bei uns so authentisch", sagt Karin Weber-Rektorik.
"Eben diese Vielfalt macht die Atmosphäre in der Ladenzeile so besonders. Das schätzen auch die Besucher."
In diesem Sammelsurium stößt man auch mal auf Dinge, die genau genommen heute nicht mehr als politisch korrekt gelten, zum Beispiel eine original Firmentafel aus dem 2. Weltkrieg mit Hakenkreuz . Verstecken will die Museumsleiterin diese Originalobjekte aber nicht, wohl aber in einen Kontext setzen: Sie gehören erklärt, nicht weggeräumt. Derzeit startet ein Projekt mit externen Experten, wie man geschichtlich belastete Dinge entsprechend thematisieren kann. "Wir haben einen Bildungsauftrag", erklärt Weber-Rektorik. Geschichte totzuschweigen zählt da nicht dazu.
Das Menschliche hinter den Geschichten
An die dunklen Zeiten der Geschichte erinnert nicht nur der nach Erinnerungen eines Museumsmitarbeiters nachgebaute Luftschutzkeller aus dem 2. Weltkrieg. Das Modengeschäft von Arpad Braun, das es – wie alle Geschäfte in der Ladenzeile im 1. Stock – in Traiskirchen oder Möllersdorf tatsächlich gab – wurde während der Nazizeit arisiert, d.h. dem jüdischen Besitzer weggenommen. Arpad Braun überlebte den Nationalsozialismus und kehrte nach dem Krieg zurück. Er bzw. seine Familie begründete die Marke "Licona".
Auch die Geschichte der "Treff Kofferfabrik" aus Tribuswinkel bewegt: Der Fabriksbesitzer hatte zwar während des 2. Weltkriegs Zwangsarbeiter, war aber als sehr sozial bekannt. Viele Jahre später hat die Enkelin eines ehemaligen Zwangsarbeiters Kontakt mit dem Museum aufgenommen und Fotos ihres Großvaters geschickt. "Mich persönlich interessieren solche Zusammenhänge sehr", erzählt die Direktorin. Besonders tragisch: der Hintergrund der IMCO Feuerzeuge, die bis 2012 produziert wurden: Der Besitzer Hanns Silberknopf nahm sich 1938 aus Angst vor den Nazis das leben. Zuvor übergab er sein Unternehmen seinen verlässlichsten Mitarbeitern, die diese erfolgreich weiterführten.
Neues Programm ab März
Ab 2. März ist das Museum Traiskirchen wieder für Besucher geöffnet. Dann wartet neben der beliebten "Zeitreise" für Kinder auch ein neues Format: Bei "Treffpunkt Museum" werden erfahrene Traiskirchnerinnen und Traiskirchner über ihre Erfahrungen und Erlebnisse berichten. Den Auftakt macht Christiane Brüstl. Sie ist vielen durch ihre Stadtspaziergänge und als ehemalige Kindergärtnerin bekannt und besticht durch ihr enormes Wissen über die Stadtgeschichte. Im April öffnet dann die neue Ausstellung zum Thema "130 Jahre Geldgeschichte".
Helfende Hände gesucht
Das Museum Traiskirchen erstreckt sich auf über 4.000 m2 auf drei Stockwerken – die ehemalige Spinnereihalle, die das Feuerwehrmuseum beheimatet, nicht mitgerechnet. 1988 wurde es von Enthusiasten aufgebaut. Nachdem das Gebäude über zehn Jahre lang leer stand, war es eine Bruchbude, wie die Museumsleiterin erzählt. Die Generation, die jahrzehntelang freiwillig und ehrenamtlich zur Seite stand, ist jetzt großteils über 80.
"Die 'alte Garde' ist früher dreimal die Woche gekommen, hat überall angepackt. Wir haben alleine schon viele Fahrräder und Motorräder, die regelmäßig aufgepumpt werden müssen",
erzählt die Direktorin.
"Wir suchen dringend freiwillige Mitarbeiter, die sich bestimmter Themen wie Matador annehmen oder eimal pro Monat im Museum die Aufsicht übernehmen",
ergänzt sie. Zu tun gäbe es genug: Beim Matador-Raum ist ständig etwas zu reparieren, auch "Backstage-Arbeiten" gäbe es eine Menge. Menschen mit Liebe zum Museum können sich gerne melden – gute Geister im Museumsdienst sind immer herzlich willkommen!
Website Museum Traiskirchen: www.museum-traiskirchen.at
Museum Traiskirchen
Wolfstraße 18
Ortsteil Möllersdorf, 2514 Traiskirchen
Öffnungszeiten:
März bis 24. Dezember
Donnerstag 14 – 18 Uhr
Sonn- und Feiertag 9 – 17 Uhr
Donnerstag Feiertage (Christi Himmelfahrt, Fronleichnam) 9 – 17 Uhr
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