Asyl-Debatte
Situation in Traiskirchen untragbar – Babler fordert Politik
Im Erstaufnahmezentrum im niederösterreichischen Traiskirchen (Bezirk Baden) sind derzeit viermal soviele Personen untergebracht als vorgesehen. Viele sind Familien mit kleinen Kindern . Traiskirchens Bürgermeister forderte gestern in der ZiB 2 dringend Maßnahmen seitens der Verantwortlichen. Denn trotz monatelanger Zusagen für Verbesserung hat sich die Lage im sogenannten "Erstaufnahmezentrum Ost" nicht verbessert – im Gegenteil.
TRAISKIRCHEN. Trotz monatelanger Verbesserungszusagen des Innenministeriums droht die Situation im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen zu eskaliern: "Wir haben in den vergangene Wochen 700 obdachlose Menschen versorgt – Menschen, die vom System obdachlos gemacht wurden", klagt Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ) in der gestrigen ZiB 2 an. Die geflüchteten Menschen werden quer durch Österreich geschickt, landen dann spät abends in Traiskirchen. Das Lager sei heillos überfüllt, weil niemand die Menschen auf andere Bundesländer verteilt. Babler sieht in dem Problem politisches Kalkül – es geht um 4.000 Menschen, die in der Grundversorgung sind. Nicht viele für ein Land wie Österreich. Babler sparte dabei nicht mit scharfer Kritik an der Vorgehensweise der Bundesregierung. „Wie man heute sieht, ist das ein gewünschtes Thema, um von anderen Sachen abzulenken, die der ÖVP nicht gut zu Gesicht stehen“, so Bablers konkreter Vorwurf.
Situation war vorhersehbar
Die Situation sei keinesfalls neu: Schon vor zwei Monaten machte Babler öffentlich darauf aufmerksam, dass viel zu viele Menschen in Traiskirchen untergebracht seien. Passiert ist seitdem, trotz Zusagen von Verbesserungen, nichts. Im Gegenteil: Es sind noch mehr Menschen im Lager als vorher. "Die Situation war absehbar", betont Babler in der ZiB 2. Er habe den Eindruck, eine "politische Eskalation" sei gewollt, um von anderen Dingen abzulenken. Er plädiert für eine bessere Qualität bei den Bundeseinrichtungen, konkret den Unterkünften, mit medizinischer Betreuung und einem strukturierten Tagesablauf der Bewohner. Im ZiB2-Interview sprach er sich einerseits für bessere Qualität in den Bundeseinrichtungen und andererseits für bessere Ankunftskapazitäten in Österreich aus.
Abartige Verhältnisse in Bosnien
Babler berichtete in der ZiB2 auch über seinen Besuch im bosnischen Bihać, wo Menschen mit Wärmebildkameras und Hunden gejagt werden und sogenannte "Push Backs" zurückgedrängt werden.
"Ich habe noch nie so etwas Abartiges gesehen",
sagt Babler. Der Traiskirchner Bürgermeister plädiert dafür, den Menschen ein Gesicht zu geben. Die Zusammenpferchung unter widrigen Umständen in Massenquartieren sei eine Entmenschlichung. Die Männer, Frauen und Kinder haben großteils traumatisches während ihrer Flucht erlebt, und "dann fangen wir hier so ein Theater an", klagt Babler an. Dabei geht es nicht um viele Menschen: Konkret sind es 4.000 in sieben Bundesländern.
Zahnlose Vereinbarung
Seit Jahren würde die 15a-Vereinbarung (Artikel 15a des Bundesverfassungsgesetzes, Anm.) zwischen dem Bund und den Ländern über gemeinsame Maßnahmen zur vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde nicht funktionieren, wenn mehr Flüchtlinge zu versorgen seien. Verantwortlich für die Flüchtlingspolitik und die Aufnahme sei „der Bund alleine, das heißt für das Versagen und die menschlichen Tragödien, die wir in Traiskirchen hautnah erleben, gibt es eine direkte Verantwortung im Innenministerium“. Die Vereinbarung sei aber "zahnlos". Laut Babler brauche es „ein ordentliches Aufnahme- und Betreuungsgesetz mit Rechten und Pflichten der Bundesländer und gleichzeitig eine gute und qualitätsvolle Betreuung."
Das ZIB2-Interview auf Facebook:
Temporäres Durchgriffsrecht
Ein erneutes Durchgriffsrecht vom Innenministerium hält Babler für sinnvoll. Allerdings verwies er darauf, ein ein solches Verfassungssache ist: „Es geht nur darum, die Situation jetzt zu verändern, weil es jetzt Leute gibt, die schlecht behandelt werden in Österreich.“
Große Solidarität in Traiskirchen
Nur wenige Stunden vor dem Interview in der ZIB2 war Andreas Babler selbst am Traiskirchner Hauptplatz im Einsatz. Via Social Media hatte der Bürgermeister kurzfristig um Spenden für Kinder – Winterschuhe, Haben, Handschuhe und Kinderwägen – gebeten, und viel Menschen aus dem ganzen Industrieviertel kamen. Zahlreiche Helfer – Gemeindemitarbeiter, Feuerwehr und Freiwillige – waren im Einsatz, nahmen die Spenden entgegen und sortierten.
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