Leserbrief aus dem Bezirk
"Wir sollten auch unseren Standpunkt vertreten"

Leserbrief von SPÖ-Bezirksgeschäftsführer Andreas Peterlechner zum Thema Arbeitszeitverkürzung.

SPÖ Chef Andreas Babler hat mit seiner lauten Forderung nach einer deutlichen Arbeitszeitverkürzung ohne Reduzierung der Bezahlung eine veritable Debatte in Gang gebracht. Wichtig und richtig in einer Parteiendemokratie. Es gab in der Vergangenheit immer wieder Arbeitszeitverkürzungen. Die letzte in den Jahren 1970 bis 1975, von 45 auf 40 Stunden. Bis dahin wurde in vielen Branchen am Samstag bis Mittag gearbeitet. Das wünschen sich vermutlich nur wenige zurück. Seitdem hat sich die Produktivität verdoppelt.
Vor jeder Arbeitszeitverkürzung haben Arbeitgebervertreter und konservative Parteien den Untergang der Wirtschaft prophezeit, und jedes Mal hat die Umsetzung funktioniert und die Lebensqualität der Menschen gesteigert.

Aktuell ist spannend zu beobachten, dass viele unselbständig Erwerbstätige, also Arbeiter und Angestellte lautstark gegen diese Forderung zu ihrem eigenen Vorteil auftreten. Freut man sich grundsätzlich über freie Tage, oder einen kurzen Arbeitstag, scheint sich vor einer generellen Arbeitszeitverkürzung Panik breit zu machen.
Dabei bedeutet eine Arbeitszeitverkürzung keineswegs, dass man im Falle des Falles nur mehr 32 Stunden arbeiten darf. In vielen Bereichen gibt es die Möglichkeit und auch die Notwendigkeit, Überstunden zu machen. Letzteres könnte man gut mit der ÖVP-Forderung nach steuerlicher Begünstigung von Überstunden verknüpfen. Wer Geld braucht, um beispielsweise Wohneigentum zu schaffen, kann das nach wie vor durch Mehrleistung erreichen. 3 freie Tage pro Woche schaffen zudem Zeit für einen Zweitjob, oder Eigenleistung auf der Baustelle. Führungskräfte arbeiten jetzt schon oft ohne Arbeitszeiterfassung oder mit Überstundenpauschalen, da würde sich kaum etwas ändern.
Die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung bedeutet nicht, dass von einem Tag auf den anderen plötzlich umgeschaltet wird. Eine schrittweise Angleichung wie Anfang der 1970er Jahre ist der Plan. Gut abgestimmt auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Branchen.
Das ist selbstverständlich auch für die Finanzierbarkeit wichtig. So ist zum Beispiel in der Baukostenindex seit 2020 um ca. 30% gestiegen. Bei einem so großen Zuwachs, müssen auch für die arbeitende Bevölkerung ein paar Prozente drinnen sein.

In Branchen mit starker psychischer oder körperlicher Belastung wie am Bau oder im Gesundheits- und Pflegebereich kann eine Arbeitszeitverkürzung helfen, bis zum regulären Pensionsantrittsalter im Job zu bleiben und nicht in die Frühpension gedrängt zu werden.
Bundeskanzler Karl Nehammer spricht in Salzburg vor ÖVP-Funktionären über eine Beleidigung der Landwirte, die die Forderung nach einer 32 Stunden Woche darstellen würde. Nun ist es in Österreich aus bekannten Gründen so, dass ein großer Teil der Landwirte auf Nebenerwerbsbetrieben leben, wo viele von ihnen ihre Freizeit inklusive Urlaub für den Betrieb der Landwirtschaft aufwenden. Ich kann mir vorstellen, dass für diese Menschen eine Arbeitszeitverkürzung eine große Erleichterung sein kann.
In Zeiten der Vollbeschäftigung ist es auch wichtig, die Leute in den Betrieben zu halten. Unter anderem aufgrund schwerer politischer Versäumnisse der vergangenen Jahre gab und gibt es eine bedrohliche Personalflucht aus dem Gesundheits- und Pflegebereich, aus Handwerk, Gewerbe, Gastronomie und Kinderbildung. Hier geht es darum die Leute in den Betrieben zu halten. Das funktioniert nachgewiesenermaßen durch Attraktivierung der Arbeitsbedingungen. Dazu gehört auch die Arbeitszeit.
Mit nicht verfügbaren Kinderbildungs- und Pflegeplätzen steigt auch die Notwendigkeit diese Tätigkeiten selbst, in der Familie zu übernehmen. Das erschwert die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Bewiesen ist das dadurch, dass die Teilzeitquote der Frauen, die nach wie vor diese Tätigkeiten zum großen Teil verrichten, immer noch bei ca. 50% liegt, was sich wiederum negativ auf deren Pensionshöhe auswirkt. Eine Arbeitszeitverkürzung würde es erleichtern, Pflege- Betreuungs- und Haushaltstätigkeiten gerechter zwischen den Geschlechtern aufzuteilen.
Wir dürfen den Arbeitgebern, politisch vertreten durch die ÖVP mit ihren Bünden und gut vernetzt von der Wirtschaftskammer bis zur Industriellenvereinigung ruhigen Gewissens zutrauen, ihren Standpunkt ausreichend zu vertreten, damit die Betriebe nicht unter die Räder kommen. Die brauchen nicht die Unterstützung der Arbeitnehmer: innen.
Jede Veränderung braucht Mut und Kreativität und politischen Willen, um Realität zu werden und neue Perspektiven und Chancen für unsere Gesellschaft zu bieten. Besonnene Diskussion auf Augenhöhe nach bewährter österreichischer sozialpartnerschaftlicher Tradition muss der Arbeitszeitverkürzung vorausgehen. Keine Panik. Aus Sicht der Arbeitnehmer: innen kann ich keine Nachteile erkennen. Arbeiter und Angestellte müssen solidarisch ihre Interessen für mehr Gestaltungsfreiheit für ihr Leben durch Arbeitszeitverkürzung einstehen. Die Arbeitgeberseite wird das für ihre Interessen mit ihren Netzwerken bestimmt vehement tun.

Von Andreas Peterlechner (SPÖ) aus Braunau

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