Ein Zeitzeuge erinnert sich
„Vier Jugendjahre waren verloren“

Lambert Freischlager hat alle Erinnerungen für seine Familie niedergeschrieben. | Foto: Ebner
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Lambert Freischlager (97) aus Weng über seine Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg und als Gefangener nach Kriegsende.

WENG IM INNKREIS (ebba). „Ich war so geschwächt, dass an ein Laufen nicht zu denken war. Da überholte mich einer mit einem Maschinengewehr auf der Schulter. Als er gerade vor mir war, kamen von irgendwoher Schüsse. Er warf sich nieder. Es schüttelte ihn, wahrscheinlich war er schon getroffen. Ich warf mich ebenfalls zu Boden. Gleich darauf schlug eine Granate ein. Von ihm war nicht mehr viel da. Ich hatte keinen Kratzer abbekommen …“

Diese Zeilen stammen aus einem Buch von Lambert Freischlager aus Weng. Seine Erlebnisse als junger Einberufener im Zweiten Weltkrieg und in der darauffolgenden, fast vierjährigen Gefangenschaft im damaligen Jugoslawien, hat er für seine Nachkommen niedergeschrieben.

So wie eingangs beschrieben, sollte er noch viele Male Glück im Unglück haben. „Es gab einige Situationen, in denen ich nur knapp mit dem Leben davon gekommen bin“, erzählt der rüstige Zeitzeuge, der im Februar 2024 seinen 97. Geburtstag feierte.* „Ich hätte nicht gedacht, dass ich einmal dieses Alter erreichen würde.“ Und bei all dem, was er erzählt, lässt sich gut nachvollziehen, wie er das meint.

12. März 1938 – der Anschluss

„Den ganzen Tag brachen die Kolonnen nicht ab und auch Staffeln von Fliegern überflogen unser Land. Viele Leute standen an der Straße und schauten. Für uns Buben war es ja interessant: Wir suchten die leeren, von den Soldaten weggeworfenen Zigarettenschachteln, in denen Bilder von Soldaten oder Hitler waren … Alle Jugendlichen mussten damals bei der Hitler-Jugend sein. Unser Vater war aber dagegen. Es war damals ein Risiko, dagegen zu sein. Am Anfang war mir eigentlich leid, aber schon bald merkte ich selber, was dahinter steckte.“

Nichtsahnend in den Krieg

Kurz vor seinem 18. Geburtstag, im sechsten Kriegsjahr, wurde Lambert Freischlager einberufen. Nach einem gemeinsamen „Vater unser“ verließ er sein Zuhause. Er sollte dann Teil des Infanterieregiments 133 werden, kam später in Italien zum Gebirgsjägerregiment 137, und war in der Nachrichten- und Pionierkompanie eingesetzt.

In der Niederschrift seiner Erlebnisse erinnert er sich: „Eine Granate schlug ein, einen Oberjäger hat es getroffen. Er war blutüberströmt. Vom Oberkörper war nichts mehr da. Der erste Tote, den wir gesehen haben… Nun sahen wir eine Maschinengewehr-Stellung mit Steinen aufgebaut, aber niemand war dort. Alles war blutbespritzt. Hier oben lag ein toter Partisane. Er musste dem Aussehen nach schon einige Tage dort gelegen sein. Er hatte gute deutsche Bergschuhe an. Unser Gruppenführer meinte zu mir, ich solle sie ihm ausziehen, denn er hatte die seinen schon mit Draht zusammen gebunden. Da ich sagte ‚Ich kann das nicht‘, tat er es selbst.“

Vom Krieg in die Gefangenschaft

„In Villa del Nevoso hieß es 1945, der Krieg sei zu Ende, die Waffen niederwerfen! Und so warf ich auch mein Gewehr in den Straßengraben. Wir waren froh, dass alles zu Ende war und hofften, bald nach Hause zu kommen. Doch es kam anders …“

Lambert Freischlager: "Ich bin ein friedliebender Mensch. Nichts auf der Welt ist so sinnlos, wie der Krieg."

Er und weitere Soldaten wurden von Partisanen aufgegriffen und waren von nun an Gefangene. Es folgte ein elftägiger Hungermarsch über hunderte Kilometer und fast vier Jahre Gefangenschaft mit Zwangsarbeit. „An Brot war nicht zu denken. Wenn man aufstand, wurde einem schwarz vor den Augen. In einer Nacht wurden fünf Männer erschossen, weil man bei ihnen noch Wertsachen fand. Ich hatte meine Uhr noch. Daraufhin habe ich sie gleich mit einem Stein zerschlagen und im Sand vergraben… Als wir durch Karlovac marschierten, warf die Bevölkerung Lebensmittel in die Kolonne. Das meiste wurde zertreten und die Posten schlugen mit den Gewehrkolben zu“, schildert Freischlager im Buch.

Er kam in ein Lager in Turanj (Kroatien). Dort erledigte er die Hausarbeit für den Lagerarzt – die wohl „gemütlichste Phase“ seiner Gefangenschaft. Später wurde er für Arbeiten in einem Wald in Vojnic verpflichtet. „Wir mussten schweres Holz tragen, bis zu 35 Kilometer waren täglich zu Gehen“, erinnert sich der 97-Jährige. Das war 1945/46 – die für ihn schlimmsten Jahre: „Zu Essen gab es nur alle zwei, drei Tage und auch nur ganz wenig. Es ging uns sehr schlecht: Abgemagert, schwach, kahlgeschoren und in Fetzen gekleidet.“

Vom Gefangenen zum freien Mann

Ein weiterer „Zwangsarbeitsplatz“ sollte auf ihn warten, in einem Kohlebergwerk in Dobra sreca (Serbien). Hier verbrachte er als Aufzugswärter und Stollenarbeiter, gemeinsam mit vielen anderen Gefangenen aus Deutschland und Österreich, die nächsten 28 Monate.

Verpflegung und Verhältnisse dort wurden mit den Jahren besser. Man teilte den Gefangenen schließlich mit, dass sie von nun an sogar Geld für ihre Arbeit erhalten würden. „Öfter feierten wir nun kleine Feste. Hunger kannten wir nicht mehr… Wir konnten regelmäßig nach Hause schreiben und bekamen auch regelmäßig Post von zuhause.“ 1949 wurden die Männer schließlich freigelassen. „Wir hätten auch bleiben können und wären freie Menschen gewesen, doch von unserem Lager hat sich niemand dazu entschlossen“, erinnert sich Freischlager.

Und dann endlich ...

Am 15. Jänner ging es mit dem Zug in Richtung heimwärts. Am 17. Jänner rollte der Zug noch immer. Erst am 18. Jänner 1949, um 3 Uhr morgens, kam Lambert Freischlager in Obernberg-Altheim an, wo ihn seine Eltern bereits erwarteten. „Ich war knapp 22. Etwas mehr als vier Jugendjahre waren verloren. Mit 50 österreichischen Schillingen wurden wir von unserem Staat entschädigt. Das war Geld, mit dem man sich vielleicht ein Hemd kaufen konnte.“

*Anmerkung der Redaktion: Lambert Freischlager verstarb am 18. Oktober 2024 im 98. Lebensjahr.

Lambert Freischlager hat alle Erinnerungen für seine Familie niedergeschrieben. | Foto: Ebner
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Freischlagers "Personalausweis" aus dem Kohlebergwerk. | Foto: Ebner
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