Gewalt in der Familie:
160 Burgenländer prügelten ihre Frauen!
Teller. Möbel. Fäuste. Ausraster bei Männern führen oft zu Gewalt gegen Frauen. Jahrzehntelang wurde Anschreien, Drohen und Prügeln als „Kavaliersdelikt“ abgetan. Falsch verstandene Scham und Angst ließen die Opfer schweigen. Doch im Wandel der Zeit mutierte dieses bagatellisierte Tabuthema zu einem gesellschaftlichen Aufschrei. Mit drastischen Konsequenzen. Fast täglich muss die Polizei im Burgenland wegen „Streitereien“ einschreiten.
BURGENLAND. In den vergangenen 190 Tagen sprach die alarmierte Exekutive landesweit 160 Mal ein Betretungs- und Annäherungsverbot aus. In der Regel gegen wütende Männer. Die Aggressions-Bandbreite umfasst verbale Angriffe bis hin zu körperlichen Attacken. Anbrüllen, Morddrohungen, Schubser, Schüttler - ehe alles fliegt, was nicht niet- und nagelfest ist. Das Spektrum der Wurfgeschosse beinhaltet Geschirr, Besteck, Lebensmittel, kleinere Einrichtungsgegenstände bis hin zu Sesseln, Tischen und Kästen. Damit ist das Ende der Gewaltspirale aber noch nicht erreicht. In manchen Fällen eskaliert der Streit in Schlägen mit Hand und Faust sowie Tritten gegen Körper und Kopf.
Täterprofil: Vom Arbeitslosen bis zum Akademiker...
„Es gibt punkto häuslicher Gewalt nichts, was es nicht gibt“, umrahmt Alexander Grohs seine Erfahrungen als diplomierter Sozialarbeiter beim Verein „Neustart“, zugleich Leiter der Organisation für Niederösterreich und Burgenland. „Quer Beet auch die Täterschaft. Vom Jugendlichen bis zum 70-jährigen Opa, vom Arbeitslosen bis hin zum Akademiker. Wenngleich nicht nur Männer ausrasten. Eine Statistik weist einen knapp 10 prozentigen Anteil gewalttätiger Frauen aus.“
Seit 1. September des Vorjahres sind all jene Personen, gegen die von der Polizei ein Betretungs- und Annäherungsverbot (früher Wegweisung) nach § 38a Sicherheitspolizeigesetz ausgesprochen wird, verpflichtet, eine Gewaltpräventionsberatung zu absolvieren. „Da kommt unser Verein ins Spiel", berichtet Alexander Grohs den RegionalMedien Burgenland in einem Exklusiv-Interview. "Innerhalb von 5 Tagen nach dem Vorfall müssen sich die Betroffenen in unseren Einrichtungen in Oberwart oder Eisenstadt melden und einen Termin vereinbaren!“
Über mehrere Sitzungen verteilt versuchen die besonders geschulten SozialarbeiterInnen dann durch intensive Gespräche einen Wandel im Bewusstsein des Aggressors herbeizuführen. Es soll die fatale Verharmlosung der Tat erkannt werden, auch, dass es für psychische und physische Ausraster keine Rechtfertigung gibt. „Wir haben dafür sechs Stunden Zeit. Das funktioniert recht gut. Fast alle Personen erkennen ihre Fehler. Und am Ende der Beratung ist keiner der Betroffenen stolz auf seinen Gewaltausbruch. Ganz im Gegenteil“, so Alexander Grohs. „Rückfälle gibt es zwar, aber in geringem Ausmaß“.
Drakonische Strafen bei Nichterscheinen
„Erscheint jemand nicht zu der verpflichtenden Gewaltprävention, gibt es eine behördliche Vorladung und im schlimmsten Fall eine Verwaltungsstrafe von bis zu 2.500 Euro beim ersten Mal und bis zu 5.000 Euro im Wiederholungsfall“, analysiert der leitende Sozialarbeiter. „Über 80 Prozent erscheinen freiwillig in unseren Einrichtungen, der Rest muss mit den angeführten Konsequenzen leben.“ In besonders schweren Fällen sowie bei Gefahr in Verzug kann es sogar bis zur U-Haft führen.
Bei der Auswertung der aktuellen Zahlen für das Burgenland zeigt sich der Experte vom Verein „Neustart“ überrascht. „Man könnte vermuten, dass die häufigsten Gewaltausbrüche in Ehen, Partnerschaften oder Beziehungen bei jungen Menschen zu finden sind. Mit Nichten. Die größte Gruppe mit Betretungs- und Annäherungsverbot, nämlich rund ein Drittel aller Fälle, betrifft Personen im Alter zwischen 31 und 40 Jahren.“
Paar- und Generationen-Gewalt
Generell jedoch erstreckt sich die „Auszucker“-Alterspalette vom Halbwüchsigen bis hin zum Großvater. Alles unter dem Kausal-Begriff „häusliche Gewalt“ einzuordnen. SozialarbeiterInnen unterteilen dann noch in „Paar-Gewalt“ und „Generationen-Gewalt“. Letzteres beschreibt das Misshandlungs-Szenario zwischen Eltern und Kindern bzw. umgekehrt.
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