„Ich will keinen Wachmann mit Revolver“

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Im Landtagsausschuss vergangenen Mittwoch wurde die Rückgabe des Nazi-Beutekunst-Gemäldes „Litzlberg am Attersee“ von Gustav Klimt an den rechtmäßigen Erben Georges Jorisch einstimming beschlossen. Für das Stadtblatt traf Franz Neumayr den 83-Jährigen in seiner Heimat Montreal zum Interview.

STADTBLATT: Herr Jorisch, wenn Sie daran denken, dass Sie bald Gustav Klimts Gemälde „Litzlberg am Attersee“ in Händen halten werden: Was empfinden Sie dabei?
GEORGES JORISCH: „Ob ich es jetzt in den Händen halte oder noch nicht, ich bin auf jeden Fall mehr als erfreut und zufrieden, dass die Sache so ein Ende gefunden hat.“

STADTBLATT: Der Wert des Gemäldes wird auf 20 bis 30 Millionen Euro geschätzt. Welchen Wert hat es für Sie?
GEORGES JORISCH: „Das sind Zahlen und letztendlich ist das Bild so viel oder so wenig wert, wie jemand bereit ist dafür zu bezahlen. Für mich ist der Wert der, dass ich meinen mittlerweile zehn Enkeln eine ordentliche Ausbildung finanzieren kann. Außerdem ist einer davon schwer krank und eine optimale Behandlung ist hier in Kanada leider eine sehr kostspielige Angelegenheit. Ich selbst bin nicht für Extravaganzen. Ich habe gerne eine gute Kamera und etwas zum Lesen, das reicht für mich vollkommen.“

STADTBLATT: Was werden Sie mit dem Gemälde machen? Doch nicht einfach hier an die Wand hängen, oder?
GEORGES JORISCH: „Ach wo, ich will doch keinen Wachmann mit Revolver, der dann ständig vor unserer Wohnungstür stehen müsste. Was soll ich damit anfangen? So ein Riesenbild in unserer kleinen Wohnung! Außerdem hängen bei uns nur Bilder, die meine Frau oder ich gemalt haben. Und das wird auch so bleiben. Die sind mir lieber, auch wenn sie nichts wert sind. Es steht außer Frage, dass ich das Bild verkaufen werde und bei meinem Anwalt gibt es auch schon zahlreiche Anfragen dafür.“

STADTBLATT: Erinnern Sie sich auch an das Bild, daran, wo es bei Ihrer Großmutter Amalia Redlich gehangen ist oder an etwas anderes, was mit dem Bild in Zusammenhang steht?
GEORGES JORISCH: „Damals in Wien war das ganze Haus voll mit Bildern. Praktisch an jedes kann ich mich noch genau erinnern. Ein Waldmüller, dann noch Bilder einer Schweizer Malerin. Ein Stich, der die Begegnung des Kaisers mit dem Papst zeigt. Auch ein schreckliches Bild zum Tod von Kaiserin Maria Theresia. Natürlich auch an das „Litzlberg“. Wir waren sehr alleine, ich hatte wenige Freunde und da habe ich mich als Zehnjähriger schon Tag für Tag mit unseren Bildern beschäftigt. Ich wusste damals schon genau, wer Klimt war.“

STADTBLATT: Sie haben sich hier in Montreal ein neues Leben aufgebaut, bei Null angefangen. Haben Sie dabei immer daran gedacht, die Vergangenheit aufzurollen oder musste dazu erst viel Zeit vergehen? Und wie sind Sie erstmals auf die Spur des Bildes gekommen?
GEORGES JORISCH: „Natürlich war die Vergangenheit über all die Jahre auch hier allgegenwärtig. Aber es machte keinen Sinn, sich darüber Gedanken zu machen. Vor Jahren bin ich am Weg zur Arbeit bei einem Buchhändler hier zufällig auf einem Bildband gestoßen, in dem zahlreiche Klimt-Bilder zu sehen waren. Sieben Dollar hat der damals gekostet. Erst da begann sich das Rad wirklich zu drehen. Ich habe an die österreichischen Behörden geschrieben und das war fürs Erste ein Spießrutenlauf. Als ich dann an die Provenienzforscherin Ruth Pleyer verwiesen worden bin, ging alles ganz schnell, überraschend schnell. Sagen Sie das ruhig den dafür zuständigen Personen in Österreich.“

STADTBLATT: In einem Zeitungsbericht über Sie habe ich gelesen, von Ihrem Vater hatten Sie den lateinischen Satz gelernt „Fiat justitia et pereat mundus“ – zu Deutsch: Es soll Gerechtigkeit geschehen und gehe auch die Welt darüber zugrunde. Hat dieser Satz für Sie eine spezielle Bedeutung?
GEORGES JORISCH: „Nein, der Satz ist sicher nicht mein Antrieb, ein Sprichwort, nicht mehr und nicht weniger. Es steht meines Wissens an der Fassade des Landesgerichtes in Wien. Mein Vater war nur sehr ehrgeizig, was meine Bildung anbelangte, und da war Latein nicht ausgenommen. Fakt ist, dass ich stolz bin, immer noch perfekt Deutsch zu sprechen. Eine Weltsprache mit fabelhafter Literatur.“

STADTBLATT: Kommen wir zurück nach Salzburg: Waren Sie jemals dort?
GEORGES JORISCH: „Urlaub haben wir öfters am Mondsee gemacht und da waren Ausflüge in die Stadt Salzburg obligat, wenngleich es auch schon Jahrzehnte her ist. Aber den Mirabellgarten und die Festung hab ich noch klar vor Augen, einzigartig schön.“

STADTBLATT: Das Museum der Moderne verliert – ungeachtet dessen, dass es sich um Nazi-Beutekunst handelt – mit Gustav Klimts Gemälde „Litzl-berg am Attersee“ eines seiner bedeutendsten Werke. Als Erben von Amalie Redlich steht Ihnen das Bild zu, ohne dass Sie dafür eine Gegenleistung erbringen müssten. Sie wollen aber dem Museum 1,3 Millionen Euro für den Bau des Wasserturms spenden. Warum tun Sie das?
GEORGES JORISCH: „Das ist eine Familiensache. Meine Familie hat früher schon immer das Belvedere in Wien und Kunst generell unterstützt. Ich wünsche mir, dass in dem dann umgebauten Wasserturm Kinder malen lernen können oder sich anderweitig künstlerisch betätigen. Das wäre eine wunderbare Sache, dann bin ich mehr als zufrieden. Überhaupt, wenn ich es mir wünschen könnte, dann sollte es in Salzburg eine Ausstellung mit Eskimo-Kunst geben. Die haben einzigartige Stiche, Stoffdrucke, das wäre eine Premiere im deutschsprachigen Raum und wenn ich gesundheitlich fit genug bin, komme ich auch zur Eröffnung. Außerdem bin ich ein riesiger Mozartfan.“

Zur Person:

Georges Jorisch
Georges Jorisch (83) wuchs mit seiner Mutter Mathilde Jorisch und seiner Großmutter Amalia Redlich, der Schwester des zur Jahrhundertwende berühmten Mediziners Emil Zuckerkandl in Purkersdorf bei Wien auf. Der Familie gehörte das dortige Sanatorium. Im Frühjahr 1939 – da war Georges Jorisch 16 Jahre alt – erkämpfte sein Vater, ein Anwalt, das Sorgerecht für Georges Jorisch, um mit ihm zu fliehen. Mutter und Großmutter blieben in Purkersdorf zurück, während Vater und Sohn in Brüssel unterkamen. Bis etwa 1941 gab es einen regelmäßigen – wenn auch aufgrund der Zensur nicht sehr aufschlussreichen – Briefwechsel zwischen Georges Jorisch und seiner Mutter. Dann brach er abrupt ab. Mutter und Großmutter waren aus ihrer Villa geworfen und deportiert worden, vermutlich nach Polen. Weil es damals auch in Brüssel gefährlich wurde – Belgien war im Mai 1940 von den Deutschen überfallen worden –, tauchten Georges Jorisch und sein Vater dort bis zur Befreiung Brüssels von den Deutschen am 3. September 1944 unter.
1957 wanderte Georges Jorisch mit seiner Frau Eliane nach Montreal in Kanada aus, wo er sich zunächst mit Jobs in Fabriken durchschlug. Dann startete er in einem Fotogeschäft, wo er bis zu seiner Pensionierung blieb. Heute lebt Georges Jorisch mit seiner Frau in einer Seniorenresidenz.

Zum Gemälde:

Litzlberg am Attersee
Gustav Klimts Gemälde „Litzlberg am Attersee“ wurde nach den Recherchen von Provenienzforscherinnen Ruth Pleyer und Susanne Rolinek 1938 von Amalie Redlich aus dem Nachlass ihres Bruders Victor und ihrer Schwägerin Paula Zuckerkandl erworben. 1941 wurde Amalie Redlich nach Polen deportiert und ermordet. Das Bild wurde von der Gestapo beschlagnahmt und später vom Salzburger Kunsthändler Friedrich Welz erworben. 1944 tauschte Welz das Gemälde gegen ein anderes aus der Salzburger Landesgalerie aus. Danach ging es in den Besitz der Residenzgalerie und später in jenen des Rupertinums über.

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