"Judenfreie Sommerfrische" für Nazi-Bonzen
Mattsee räumt mit seiner NS-Vergangenheit auf - Späte Ehrung für Arnold Schönberg
Mattsee (lin). Rund 70 Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges schaut die Trumerseengemeinde jetzt offiziell hin auf seine NS-Vergangenheit. Bürgermeister Renè Kuel hat sofort mit seinem Amtsantritt 2012 den Literaturhistoriker und Bildungswochen-Initiator Siegfried Hetz beauftragt, diese Zeit kritisch zu beleuchten. Und da gab es viel zu tun. Denn Mattsee der Jahre 1920 bis 1945 kann als "Urlaubsort für Judenhasser und Nazi-Bonzen" bezeichnet werden. immerhin hat man Ferien in Mattsee schon im Jahr 1921 stolz und offiziell mit "judenfreie Sommerfrische" geworben. Da passte Arnold Schönberg nicht ins ins Bild.
"Vermietet nicht an Juden"
Das steht bereits 1921 in einem Gemeindebrief, mit dem Druck auf den Gast aus Wien gemacht wurde. Und der zog sich entnervt zurück. Mehr noch, der aus einer jüdischen Familie stammende aber christlich getaufte Komponist und Erneuerer der Musik kehrte nach diesem Affront im Urlaub zum Judentum zurück. 1933, dem Jahr der Machtergreifung der Nazis in Deutschland, emigrierte Schönberg nach Amerika. Mattsee wird er nicht in guter Erinnerung behalten haben. Am Dienstag, einen Tag vor dem Nationalfeiertag, hat die Gemeinde am Milleniumsweg direkt vor Arnold Schönbergs ehemaligem Feriendomizil eine Gedenktafel enthüllt. Besser spät als gar nicht.
Tummelplatz für braune Promis
SS-Führer, Hitlers Reichsstatthalter in Wien und Reichskommissar“ in den Niederlanden, Arthur Seyß-Inquart, erholte sich von seinem 100.000-fachen Morden auf Drängen seiner Frau in Mattsee. Auch die war dem Werbeslogan von der judenfreien Sommerfrische gefolgt. Ebenso SA-Mann und Göring-Schwager Franz Huemer und der rechtskatholische Oskar Menghin. Beide waren 1938 für zwei Tages Minister im des eingegliederten Österreich, Huemer für Justiz und Menghin für Unterricht. Die zwei glühenden Antisemiten bewohnten wie Seyß-Inquart Villen in Mattsee, weil sich am konkurrierenden Attersee, am Traunsee und im übrigen Salzkammergut „zu viele Juden" tummelten, wie in Notizen und Briefen zu lesen steht.
Vergrabene Kronjuwelen
Ein besonders übles Exemplar von Faschist unter den Mattseer Sommergästen war auch der ungarische Faschistenführer Ferenc Szalasi. Er tauchte samt ungarischem Kronschatz inklusive der berühmten Stephanskrone nach dem Ende des Krieges in Mattsee unter. Aber im Gegensatz zu Huemer und Menghin verschonte ihn die Geschichte nicht. Szalasi, hauptverantwortlich für den Exodus der ungarischen Juden, wurde 1946 in Budapest öffentlich gehängt. Wie sein Freund Benito Mussolini.
Die "historischen Aufräumungsarbeiten" in Mattsee sind Teil von "Salzburg.2016". Die Details der zweieinhalb jährigen Recherchen von Siegfried Hetz werden bei den Mattseer Bildungswoche in der Reihe „fokus:mattsee, Tage der Zeitgeschichte“ präsentiert. Die Veranstaltung läuft bis zum 26. Oktober.
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