„Klischee adé!“ beim Unternehmer-Talk
Mädchen werden Friseurin oder Floristin, Buben Mechaniker und Handwerker. Dass diese rollenspezifischen Berufsbilder wirklich von gestern sind, das beweisen die Profis in der Region. Im Rahmen des „PLUSREGION-TALK“ wurde mit den Klischees aufgeräumt. Und vielleicht machen diese Erfahrungen ja auch anderen jungen Menschen Mut, sich an „untypische“ Berufe zu wagen.
FLACHGAU (ap). Lisa Latraner ist jung, kreativ und körperlich zart gebaut. Und sie behauptet sich seit fast drei Jahren in einem – ja sagen wir mal – klassischen Männerberuf. Sie ist Malerlehrling im Betrieb von Fritz Höflmaier in Neumarkt. Auch wenn sie ihren männlichen Kollegen am Bau körperlich manchmal unterlegen ist, so macht sie das durch andere Fähigkeiten und Fertigkeiten locker wieder wett.
„Es gibt echte Gentlemen am Bau“
„Ich bin sehr geduldig bei feinen Arbeiten, habe ein gutes Farbgefühl und liebe es, mich handwerklich auszutoben“, strahlt Lisa Latraner und schaut in Richtung ihres Chefs, der nickend ergänzt: „Für mich war das nie ein Thema, dass Frauen und Mädchen nicht genau so gut als Malerinnen geeignet sind wie ihre männlichen Kollegen. Lisa überzeugte von Anfang an mit Zuverlässigkeit, Sauberkeit und ihrer Kreativität. Natürlich gibt es hin und wieder mal Schwereres zu schleppen, aber dann sind da auch echte Gentlemen am Bau, die den Damen zur Hand gehen“, erzählt Fritz Höflmaier. Frauen wie Lisa haben sich durchgesetzt und sind keine Seltenheit mehr am Bau. Mittlerweile sind bereits ein Drittel der Beschäftigten im Malerhandwerk weiblich. Und nicht nur die Malerleiter erklimmen Damen ebenso spielerisch, wie ihre männlichen Kollegen, sondern auch die Karriereleiter: „Mein langfristiges Ziel ist es, die Meis-
terprüfung zu absolvieren und mich selbständig zu machen. Vielleicht sogar in der Schweiz“, verrät Latraner.
„Friseure sind traditionell Männer“
Die Feststellung, dass sein Beruf als Friseur „männeruntypisch“ sein soll, kann Daniel Andric überhaupt nicht nachvollziehen. „Der Barber war seit jeher traditionell männlich. Vor 100 Jahren gab es nur Männer, die Haare und Bärte bearbeiteten. Nur im Laufe der Jahre hat sich das geändert“, erklärt der Lehrling. Er ist im Betrieb von Robert Sporer in Neumarkt – dem Friseursalon „Powerstyle“ tätig und hat selbst das langfris-tige Ziel, eines Tages einen Barbershop für Männer zu eröffnen. „Meine Familie stammt aus Serbien, wo es noch mehr Männerfriseure gibt. Und so war mein Berufswunsch auch für meine Familie nichts Ungewöhnliches. Meine Mama hat sich darüber sogar sehr gefreut“, lacht Daniel, der an seiner Tätigkeit die Kreativität am meisten schätzt.
„Friseure verdienen nicht schlecht“
Und die Freude liegt auch ganz bei seinem Lehrherrn Robert Sporer. „Oft wird die vermeintlich schlechte Bezahlung als ‚No-Go‘ für männliche Friseure genannt. Das ist aber längst nicht mehr so, denn mittlerweile kann man in unserem Bereich schon ganz gut verdienen und durchaus auch eine Familie damit ernähren“, erklärt Sporer. In den letzten Jahren wurde der Kollektivvertrag für Friseure immer wieder angehoben und darüber hinaus stünde es laut Sporer jedem Unternehmen frei, auch mehr zu bezahlen oder Mitarbeitern Bonusmodelle wie Umsatzbeteiligungen zukommen zu lassen. So steigt der Verdienst – vom Trinkgeld ganz abgesehen.
„Rauf auf die Karriereleiter!“
„Friseure haben heutzutage kein Limit mehr. Sie sind gefragt bei Theater, Film, Fernsehen, in der Modebranche und nicht zuletzt auch in den Konzernen und in der spezifischen Verkaufsbranche. Mit etwas Biss, Wissbegierde und Training lässt sich die Karriereleiter durchaus hoch hinauf klettern“, so Friseurmeister Sporer, der selbst lange für eine namhafte Marke bei den Frisurshows mitgearbeitet hat.
„Will über Technik bescheid wissen“
Kein Limit in einem – auch heute noch – traditionellen Männerberuf gab es seit jeher für Brigitte Gerlach. Die erfolgreiche Firmenchefin des gleichnamigen Autohauses in Straßwalchen wollte nach der kaufmännischen Ausbildung unbedingt auch über die Technik bescheid wissen. „So habe ich noch KFZ-Technikerin gelernt, weil ich es schon als wichtig erachtet habe, mich als spätere Firmenschefin am Wagen selbst gut auszukennen“, so Gerlach, die in dritter Generation das Autohaus führt. Wenn sie dabei an ihre körperlichen Grenzen gestoßen ist, gab es immer Hilfsmittel oder Kollegen, die Abhilfe schaffen konnten. Die moderne Technik hat natürlich auch vor der Autowerkstatt nicht Halt gemacht. „Mittlerweile geht fast nichts mehr ohne Computer. Das macht den Beruf des KFZ-Mechanikers noch inter-essanter und vielseitiger und man muss immer am neuesten Stand bleiben“, so Gerlach über die Entwicklung in ihrer Branche.
„Frauen an der Spitze der Autohäuser“
Die Frage, ob der ansonsten etwas raue Ton in der Werkstatt sich verändert, wenn eine Frau zugegen ist, kann Gerlach bejaen: „Das schadet dem Klima nie!“ Auch in den Autokonzernen sind Frauen gern gesehen: „Bei Renault beispielsweise sitzen bereits viele Damen in führenden Positionen. Und es werden immer mehr.“
"Akzeptanz bei Kunden & Kollegen“
Auch wenn es Kundinnen oft gerne haben, beim Autokauf von einer Frau beraten zu werden, darf man das weibliche Autowissen keineswegs unterschätzen. „Die Damen kennen sich mittlerweile sehr gut aus und wissen genau, welche Anforderungen sie bei der Anschaffung an ein Fahrzeug stellen“, so Gerlach. Dabei sieht sie auch keinen Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Autokäufern. „Bei uns werden alle gleichermaßen gut beraten“.
„Bin als singender Florist bekannt“
Ganz klar in der Unterzahl unter den Floristen sind Männer. So wie Mario Adam aus Straßwalchen. „Ich habe ursprünglich Gärtner gelernt. Dann kam der Florist dazu, weil ich gemerkt habe, wie schön es ist, mit der Kundschaft Kontakt zu haben und meine Kreativität an den Blumen ausleben zu können“, erinnert sich Adam.
Mittlerweile sind schwere Zeiten für seine Zunft angebrochen. „Rund 30 Prozent der Blumengeschäfte sperren zu, weil sie mit der Konkurrenz der Großkonzerne nicht mehr überleben können. Wenn ich zusehe, wie Diskonter palettenweise Blumen und Pflanzen zu Dumpingpreisen in ihren Geschäften aufbauen, dann könnte einem richtig schlecht werden“, so der Florist, der allerdings ein unternehmerisches Ass im Ärmel hat: Er kann singen! „Wenn mich die Leute für Beerdigungen, Hochzeiten oder andere Feierlichkeiten als Sänger buchen, dann bestellen sie oft auch gleichzeitig den Blumenschmuck bei mir. Das hilft natürlich sehr“, freut sich Adam, der aber auch eingestehen muss, dass sich mit einem Floristenlohn keine Familie ernähren lässt.
„Die Konsumenten sind gefragt“
Die Blumen kosten im Großhandel teilweise mehr als beim Diskonter, da könne der Blumenhändler nur ein paar Cent auf den Verkaufspreis draufschlagen. Darüber hinaus handelt es sich um verderbliche Ware, die immer frisch angeboten werden muss. „Ob Floristen weiterhin überleben, liegt am Ende an unseren Kunden. Solange sie uns die Treue halten, wird es uns auch weiterhin geben“, so Adam, der aber gar nicht jammern will, weil: „Wenn man sich als Florist spezialisiert, kann man durchaus gut über die Runden kommen.“
Das Fazit des Unternehmer-Talks
Am Ende des angeregten Gespräches zwischen Unternehmern und Lehrlingen waren sich aber alle einig: „Rollenspezifische Berufsklischees haben in der heutigen Zeit keine Berechtigung mehr. Wenn jemand seinen Job wirklich gerne ausübt, ist es egal, ob Frau oder Mann. Die Leidenschaft dafür zählt“, bringt es Fritz Höflmaier abschließend auf den Punkt.
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