"Nur klatschen ist zu wenig"
Mangelnde Wertschätzung für Corona-Helden im Bezirk Freistadt

- Vizepräsidentin der AK-OÖ: Elfriede Schober.
- Foto: AK OÖ
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Elfriede Schober, Vizepräsidentin der Arbeiterkammer Oberösterreich, und Silvia Rentenberger-Enzenebner, Betriebsrätin des Klinikums Freistadt, fordern den vielversprochenen "Corona-Tausender" für jene Helden, die das System während der Corona-Krise am Laufen halten. In erster Linie seien das Frauen.
BEZIRK FREISTADT. "Die Corona-Krise hat deutlich gezeigt, wer die wahren Helden und Leistungsträgerinnen unserer Gesellschaft sind, nämlich die Arbeitnehmer", betont AK-OÖ-Vizepräsidentin Elfriede Schober. Nun sei es an der Zeit, den Einsatz dieser Menschen zu honorieren und ihnen die Wertschätzung zukommen zu lassen, die sie verdienen.
Corona: Beinahe Verdoppelung der Arbeitslosigkeit
Der Bezirk Freistadt ist verhältnismäßig gut durch die Corona-Krise gekommen. Den Grund dafür sieht Schober in den vielen klein- und mittelständischen Betrieben in der Region. Derzeit liegt die Arbeitslosenquote im Bezirk bei 3,6 Prozent und somit ein Viertel unter dem Landesdurchschnitt von 4,8. Dennoch habe die Pandemie auch hier viele Betriebe, Arbeitnehmer und deren Familien vor große Herausforderungen gestellt. Die Jobsituation ist für viele Freistädter nach wie vor unsicher.
"Bis Ende April ist die Zahl der Arbeitslosen auf 1.555 hinaufgeschnellt, das sind um 89 Prozent mehr als im Jahr zuvor. 65 Prozent der Corona-Arbeitslosen haben innerhalb von drei Monaten wieder einen – vielfach den alten – Arbeitsplatz gefunden. Ende August waren außerdem immer noch fast 1.700 Beschäftigte in rund 200 Betrieben in Kurzarbeit",
fasst Schober die Arbeitsmarktsituation in Freistadt zusammen. Sie möchte jedoch nicht nur die nackten Zahlen auf den Tisch legen, sondern vor allem auch die persönlichen Schicksale der Helden vor den Vorhang holen. Für Menschen, die während der Krise Außerordentliches geleistet haben, fordert sie finanzielle Wertschätzung, sie nur zu beklatschen sei eindeutig zu wenig.
Viel Leistung für wenig Geld
Die wirtschaftliche Tendenz vor der Pandemie war im Bezirk Freistadt Schober zufolge außerordentlich gut. "Die Leistungsbereitschaft und Flexibilität der Freistädter ist einzigartig in Oberösterreich", betont die AK-OÖ-Vizepräsidentin. 2019 leisteten die Freistädter Arbeitnehmer nach AK-Berechnungen rund 47 Millionen Arbeitsstunden, davon waren 1,9 Millionen Überstunden. Umgerechnet entspricht das 1.100 Vollzeitarbeitsplätzen. So gut die Freistädterinnen und Freistädter bei Überstunden und Flexibilität sind, so schlecht ist die Entlohnung der Angestellten im Bezirk. Der Bezirk Freistadt ist das Schlusslicht beim Einkommen der Angestellten in ganz Oberösterreich. Im Schnitt liegt das monatliche Brutto-Einkommen bei 2.153 Euro.
Belastungsprobe – vor allem für Frauen
Auffallend ist außerdem die hohe Teilzeitquote im Bezirk, auch das hänge mit der Unternehmensstruktur im Bezirk zusammen. Die hohe Teilzeitquote bei Frauen wird auch beim Bruttogehalt nach Geschlechtern deutlich: Männer verdienen im Schnitt 2.589 Euro und Frauen 1.510 Euro. Nach Steyr und Rohrbach ist das der dritthöchste Einkommensunterschied aller oberösterreichischen Bezirke. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gestalte sich im Bezirk Freistadt deutlich schwieriger als in anderen Bezirken. Frauen waren auch während des Lockdowns besonders gefordert, nicht nur aufgrund von Kinderbetreuung zu Hause und Home-Schooling. In erster Linie sind es Frauen, die in den systemerhaltenden Berufen wie dem Handel oder der Pflege arbeiten, etwa im Klinikum Freistadt.
Hut ab vor den Mitarbeitern des Klinikums Freistadt
Die Situation während des Lockdowns im Klinikum Freistadt beschreibt Betriebsrätin Silvia Rentenberger-Enzenebner. Im Freistädter Spital wurde in kürzester Zeit auf Covid-Modus umgestellt. "Die Mitarbeiter leisteten Unglaubliches. Es waren emotional und körperlich herausfordernde Zeiten. Die Schutzkleidung kam zu spät, war teilweise defekt, täglich kamen neue Instruktionen, alle Bereiche wurden umstrukturiert und neue Schichtmodelle eingeführt", sagt Rentenberger-Enzenebner. Dazu kamen Ungewissheit, Sorge und Angst – nicht zuletzt aufgrund der Horrorbilder aus Italien. "Viele haben auch in anderen Bereichen ausgeholfen. Unsere Mitarbeiter zeigten enormen Einsatz und waren überaus flexibel und loyal – und das, obwohl wir ohnehin viel zu wenig Personal in der Pflege haben. Da kann sich jeder Arbeitgeber nur glücklich schätzen."
AK OÖ fordert Corona-Tausender
"Ohne die zahlreichen Beschäftigten und ihren unermüdlichen Einsatz hätten wir die Krise nicht überstanden", sind sich Schober und Rentenberger-Enzenebner einig. Sie warten immer noch darauf, dass ihr Einsatz und das erhöhte Erkrankungsrisiko honoriert werden. Die AK OÖ fordert deshalb: Die Anhebung der Netto-Ersatzrate auf mindestens 70 Prozent des letzten Einkommens, eine Anhebung der KV-Löhne und Gehälter auf mindestens 1.700 Euro, eine rasche, vollständige Umsetzung der Lohnsteuer-Reform sowie die Auszahlung des vielversprochenen Corona-Tausender.



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