Kleinpertholz
Tagesstätte Zuversicht feiert den 20. Geburtstag
Seit 20 Jahren finden Menschen mit Handicap in der "Tagesstätte Zuversicht" in Kleinpertholz einen Arbeitsplatz. Am 20. März fand eine große Geburtstagsfeier in der Käsemacherwelt statt.
HEIDENREICHSTEIN. In der Tagesstätte Zuversicht in Kleinpertholz bei Heidenreichstein sind derzeit 23 Menschen mit Handicap nach den Richtlinien des NÖ Sozialhilfegesetzes beschäftigt. Neben Instandsetzungs-, Garten- und Hofarbeiten werden auch Aufträge für gewerbliche Zuarbeiten angenommen sowie verschiedenste Dienstleistungen für Private und Firmen angeboten. Die Mitarbeiter werden nach ihren Interessen und Begabungen in Arbeitsgruppen eingeteilt.
"Ein respektvolles Miteinander und gegenseitige Wertschätzung stehen bei uns an erster Stelle. Aus diesem Grund sprechen wir nicht von Klienten, sondern es sind unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern", betont Andrea Rapf, Geschäftsführerin der Zuversicht Waldviertel gemn. GmbH, die die Tagesstätte betreibt. Oberstes Ziel ist es, den Mitarbeitern sinnvolle Beschäftigung zu geben. "Beschäftigung ist für jeden wichtig, das Recht auf Arbeit ein elementares Menschenrecht. Arbeit ermöglicht es, Selbstwertgefühl und Selbstachtung zu entwickeln", ergänzt Rebecca Reiss, die ab Mai 2023 die Geschäftsführung übernehmen wird.
Eine Erfolgsgeschichte
Alles begann 2003 mit der Vision von Martin Hetzendorfer, Obmann des Vereins Zuversicht, in Heidenreichstein eine Tagesstätte nach dem Vorbild der Caritas- und Lebenshilfewerkstätten zu gründen. 2001 war bereits das soziale Integrationsunternehmen "MühlenHof-RadVit" auf seine Initiative hin ins Leben gerufen worden. Es hat sich ergeben, dass der alte Bauernhof gegenüber vom Mühlenhof in Kleinpertholz - der "Edingerhof" - zum Verkauf stand. Die Chance wurde ergriffen und der Bauernhof gekauft. Am 1. April 2003 nahm die Tagesstätte Zuversicht ihren Betrieb auf, damals mit zwei Mitarbeitern und einem Arbeitsbegleiter. Zu den vorrangigen Tätigkeiten zählte anfangs die Renovierung des Bauernhofes. In den folgenden Jahren stieg die Mitarbeiter- und Personalzahl stetig. 2017 erfolgten der Abbruch des Alttraktes und der Neubau.
Was sich in den letzten 20 Jahren zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt hat, begann mit vielen Stolpersteinen und auch Skepsis gegenüber Hetzendorfers Idee. "Es gab viele schlaflose Nächte, aber aufgeben war aber nie eine Option, dafür was das Projekt zu wichtig", blickt er auf die Anfangszeit zurück.
Peter Herzog, seit über 30 Jahren im Sozialbereich im Bezirk Gmünd tätig und seit Jänner Leiter der Männergruppe in der Tagesstätte, hat die Entwicklung mitverfolgt: "Der Bauernhof war schon in die Jahre gekommen, die Einrichtung spartanisch, das Werkzeug großteils geborgt, geliehen oder gespendet. Beeindruckt hat mich aber der neue, frische Wind, der durch diese alten Mauern wehte und wenn man heute sieht, was aus dem Projekt geworden ist, kann man sagen, dass die damaligen mutigen Visionen unter großem Einsatz aufgegangen sind." Die hier geleistete Arbeit sei in der Region einzigartig und unverzichtbar geworden.
Zum Gelingen beigetragen haben laut Martin Hetzendorfer Viele, ein besonderer Dank galt dem Leiter der Tagesstätte, Stephan Zimm, der die Idee umgesetzt hat und die Einrichtung gemeinsam mit einem großartigen Team zu dem gemacht hat, was sie heute ist. Auch von der Dorfgemeinschaft Kleinpertholz sei stets Unterstützung und Verständnis gekommen. Seit 20 Jahren wird das Dorffest gemeinsam mit der Tagesstätte veranstaltet.
"Besonders stolz sind wir darauf, dass unsere Mitarbeiter mit so viel Einsatz und Freude dabei sind. Bei uns wird immer viel gelacht", so Zimm, der die von Beginn an gute Zusammenarbeit mit der Stadtgemeinde und der Firma Talkner betonte. Das nächste Ziel sei der Bau einer beheizbaren Winterwerkstatt.
"Wir blicken mit viel Respekt, Stolz und Freude auf die Arbeit der Menschen, die hier tolles leisten. Es ist großartig, was sich hier entwickelt hat - nicht nur in der Tagesstätte, sondern es hat auch in der gesamten Stadt ein Umdenken gegeben. So sind wir heute in vielen Bereichen barrierefrei", sagte Vizebürgermeisterin Margit Weikartschläger.
Die Firma Talkner ist Partner der ersten Stunde, die Mitarbeiter dürfen für sie verschiedene Arbeitsaufträge erledigen. Man habe stets nur positive Erfahrungen mit den Mitarbeitern der Tagesstätte gemacht, meinte Baumeister Andreas Talkner.
Keine sozialversicherungsrechtliche Absicherung
Einen Appell richtete Martin Hetzendorfer an die Politik. Er setzt sich schon seit Jahren für eine sozialversicherungsrechtliche Absicherung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Tagesstätte ein. "Was die Mitarbeiter in Tagesstätten tun, gilt gesetzlich nicht als Arbeit, weswegen sie nicht über eine Sozialversicherung verfügen, keinen arbeitsrechtlichen Schutz genießen, keinen Anspruch auf eine Arbeitslosenversicherung haben und nie einen Anspruch auf eine eigene Pension erwerben", erklärt Hetzendorfer. Die Tagesstätte-Mitarbeiter bekommen für ihre Tätigkeit ein monatliches Taschengeld in Höhe von 91 Euro, den sogenannten Anerkennungsbeitrag. "Seit 15 Jahren habe ich mich in Briefen, E-Mails und persönlichen Vorsprachen an Politiker aller Couleur gewandt, um auf diesen Missstand aufmerksam zu machen, damit dieser beseitigt wird - bis jetzt vergeblich", so Hetzendorfer. Der Bund spiele die Verantwortlichkeit zum Land, das Land zum Bund, es geschehe aber nichts.
Peter Herzog schloss sich diesem Appell an: "Die Beschäftigung in der Tagesstätte ist kein Erwerbsarbeitsplatz. Die Menschen, die hier arbeiten, leisten eigentlich Erwerbsarbeit, erhalten aber nur ein kleines Taschengeld. Die Arbeit, die hier geleistet wird, bekommt seitens der Politik nicht die Anerkennung, die sie verdient."
Die anwesende Bundesrätin Margit Göll versicherte, mit Nachdruck daran zu arbeiten, dass diesbezüglich was in Bewegung kommt.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.