Experiment unter freiem Himmel
Gelungene Premiere in Hall mit “Der Goldene Drache”

Ein hektisches Treiben in einer Thai-Küche, das einen scharfen Blick auf unsere Zeit und das Nebeneinander der Menschen aus verschiedenen Kulturen wirft. | Foto: Projekttheater Hall
  • Ein hektisches Treiben in einer Thai-Küche, das einen scharfen Blick auf unsere Zeit und das Nebeneinander der Menschen aus verschiedenen Kulturen wirft.
  • Foto: Projekttheater Hall
  • hochgeladen von Michael Kendlbacher

Das Theaterstück „Der Goldene Drache“ von Roland Schimmelpfennig feierte am 11. Juni im Haller Altstadtpark Premiere.

Hermann Freudenschuss, Mastermind und Spielleiter der Haller Schauspielgruppe „Projekttheater“, hat gleich zwei Experimente gewagt: Zum einen, dass er nicht das bewährte Haus Lobkowitz, sondern trotz launischer Wetterkapriolen den Altstadtpark als Aufführungsort wählte, zum anderen, dass er sich und seinem Laienensemble zutraute, ein surreales, zum Teil episch agierendes Stück von Roland Schimmelpfennig aufzuführen. Das Stück hat zwar einen durchgehenden Handlungsstrang, transportiert aber parallel dazu jede Menge Gesellschaftskritik und verwebt alles mit der Fabel „Die Ameise und die Grille“.

Zur Story: Es herrscht Hektik in der Küche eines Thai-China-Restaurants, alles im Stress. Da kommen die rasenden Zahnschmerzen des jungen, neu angestellten Chinesen zum schlechtesten Zeitpunkt. Der Zahn muss raus, auf eigene Faust, Zahnarzt ohne Papiere – das geht gar nicht! Im Parterre befinden sich Küche und Restaurant, nebenan gibt’s einen Kaufladen, in den Stockwerken darüber sind Wohnungen. Unerwünschte Schwangerschaft, enttäuschende Ehen, illegale Arbeitsverhältnisse, die Namen vieler guter asiatischer Gerichte – alles collageartig serviert unter Linde und Ahorn auf dem Rasen des einstigen Haller Friedhofes westlich des Rathauses. In 48 Szenen mit 17 Rollen für 5 Spielende, wobei Männer vielfach Frauenrollen, Frauen vielfach Männerrollen bzw. Jüngere ältere Menschen und vice versa Ältere junge Menschen darstellen, entwickelt sich das Stück temporeich in exakt 90 Minuten. Das Unausgesprochene lässt mitdenken, das Publikum ist gefordert, sich selbst halbe Sätze still zu Ende zu sprechen. Erich Thummer schlüpft in mannigfaltige Hüllen, ja, es gelingen ebenso die Frauenrollen, Ilse Gallister kann auch Mann sein, Andrea Perle überzeugt auch als junge, hübsche Frau, dass sie ganz burschikos sein kann, Christina Neumann schlüpft sicher in Männlein und Weiblein, sehr eloquent und temperamentvoll umgesetzt. Ein besonders komödiantisches Talent offenbart Josef Villinger, er beeindruckt vor allem als wackliger, grantiger Großvater. Nun, keine leichte Kost – und eine enorme Herausforderung für die Akteure in genau taktierten Rollen- und Szenenwechseln, die pantomimisch und erzählend das Geschehen mit den verpackten Botschaften vorantreiben. Auch die in einen chinesischen Teppich gewickelte Leiche gegen Schluss des Geschehens vermag mein Lechzen nach vietnamesischen Spezialitäten nicht zu schmälern. Für das Bühnenbild und Ausstattung sorgte Iris Jäger, Jochen Hampel schuf die rhythmische und musikalische Begleitung, Peter Holzer und Arthur Bliem waren für Bühnenbau bzw. Licht und Ton die bewährten Männer. Wenn der Wettergott mitspielt, spielt auch das Ensemble mit, und zwar bis zum 27. Juni.

Theaterbesprechung von Peter Teyml

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