Alles koscher in der Synagoge
In der Blumauergasse findet täglich das Morgengebet statt. In der Synagoge wird aber nicht nur gebetet.
LEOPOLDSTADT. Das schwere Eichentor ist nicht versperrt, trotzdem wird man neugierig beäugt, wenn man vom Gehsteig kommend hindurchtritt: Alle Anwesenden tragen eine Kippa auf dem Kopf, die religiöse jüdische Kopfbedeckung. Auch Gäste müssen den Kopf bedecken, notfalls genügt auch eine Schirmkappe. Im hellen Innenhof stehen einige Tische aneinandergereiht, an denen plaudernd und lachend gegessen und getrunken wird. "Kommen sie, setzen sie sich zu uns! Möchten sie einen Tee?" rufen jetzt alle freundlich durcheinander.
Morgengebet ist gut besucht
Bis vor wenigen Minuten hat im Gebetsraum der Synagoge Blumauergasse das alltägliche Morgengebet stattgefunden, das von Rabbiner Moshe Israelov zelebriert worden ist. Seit ihrer Gründung vor 15 Jahren steht er der familiären Synagoge vor, die organisatorisch der Hauptsynagoge in der Tempelgasse zugeordnet ist. "Beim Morgengebet jeden Tag in der Früh ist unsere Synagoge immer gut gefüllt, aber kommen sie einmal am Sabbat, also am Samstag, - da ist sie dann wirklich voll!", erklärt der Rabbi und wendet sich wieder dem Talmud, dem heiligen Buch der Juden, zu, dass er vor sich liegen hat.
Während die Gläubigen essen und trinken, liest ihnen Rabbi Israelov Stellen aus dem Talmud vor und stellt ihnen anschließend Fragen dazu. Sobald einer von ihnen antwortet, ergibt sich schnell eine lebhafte Diskussion, die vom Rabbi schließlich beendet wird, indem er auf hebräisch lobt - und zur nächsten Talmudstelle weitergeht. Es fällt auf, das ausschließlich Männer in der Synagoge sind. "Frauen sind vom Gebet in der Synagoge befreit", erklärt Rabbiner Israelov. Im Judentum glaubt man, dass die Seele der Frau Gott ohnehin besonders nahe ist, weil Frauen Kinder bekommen können.
"An Jom Kippur, unserem Versöhnungsfest, beten und fasten wir in unserer Synagoge 25 Stunden lang" - Joschajo Aronbaew
Der Gebetsraum selbst ist mit Lustern prachtvoll geschmückt - am wichtigsten ist aber der der leicht erhöhte Toraschrein an der Stirnseite des Raums. An den Wänden hängen Gebotstafeln und Psalmen in hebräischer Schrift. Wenn sie in den Holzbänken sitzen, in die an den Seiten Davidsterne eingraviert sind, tragen die frommen Juden nicht nur den Tallit, ein viereckiges Tuch mit Quasten, sondern auch Gebetsriemen, die Tefillin, an Stirn und Oberarm. Die Tefillin sind mit Lederriemen versehene eckige Gebetskapseln, in denen handgeschriebene Pergamentrollen mit Texten aus der Tora, der jüdischen Bibel, enthalten sind. "Auf der Stirn drücken sie gegen den Kopf, wo der Verstand sitzt, und am Arm drücken sie gegen das Herz. Beides ist wichtig, aber nur gemeinsam", erklärt Joschajo Aronbaew.
Wie die anderen ist auch er ein bucharischer Jude, der aus den ehemaligen Sowjetrepubliken stammt: Geboren wurde der 61-jährige in Samerkant, Usbekistan. "Gebetszeiten sind dreimal am Tag. Am längsten mit etwa einer Stunde dauert das Morgengebet. Aber das ist nichts gegen Jom Kippur, unser Versöhnungsfest: Da beten und fasten wir in unserer Synagoge 25 Stunden lang", erzählt er vom wichtigsten religiösen Fest des Judentums.
Nur koschere Speisen in der Synagoge
Das Morgenfrühstück neigt sich langsam dem Ende zu, die letzten Brote werden aufgegessen. Am Tisch stehen viele verschiedene Speisen, die meisten Verpackungen haben hebräische Aufschriften. "In der Synagoge gibt es nur koschere Speisen", bemerkt Joschajo Aronbaew. "Gut, dass sie heute gekommen sind", sagt Rabbiner Israelov beim Verabschieden, "morgen bin ich zum Morgengebet nämlich nicht da. Da habe ich einen Beschneidungstermin."
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