Starke Premiere der Kranewitterbühne Nassereith
„Das Geschenk“ – Tragikomödie über Fluch und Segen von Künstlicher Intelligenz

Mit dem Auftauchen von KI Pasti gerät das Familienleben der Schatzl ein wenig aus den Fugen.
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  • Mit dem Auftauchen von KI Pasti gerät das Familienleben der Schatzl ein wenig aus den Fugen.
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NASSEREITH(alra). Dem Thema KI – Künstliche Intelligenz kann man sich derzeit und wohl auch zukünftig nicht mehr entziehen. Die Franz Kranewitter b.ü.h.n.e Nassereith hat sich diesem Stoff in der aktuellen Produktion gewidmet. „Das Geschenk“ von Joseph Holzknecht, der auch für die Regie verantwortlich zeichnet, feierte im randvoll besetzten Gemeindesaal Premiere. Bis 3. November steht die Tragikomödie auf dem Spielplan des Ensembles.

In den recht monoton, aber gut organisierten Familienalltag der Patchwork- und Zahnarztfamilie Schatzl dringt plötzlich ein androider Roboter ein. „Ich bin ein Geschenk“, betont das geschlechtsneutrale Wesen und da ohnehin der 16. Geburtstag von Tochter Mathea, gespielt von Sophie Schönnach, zu feiern ist, wird diese Aussage vorerst zur Kenntnis genommen. Der Teenager ist es auch, der offen und positiv mit dem Familienzuwachs umgeht. Mathea recherchiert Basiswissen zu Künstlicher Intelligenz, sie findet heraus, wie sie „gefüttert“ werden muss und wo die Entwicklungspotenziale sind. Alsbald steht der Name für die KI fest – Pastor, liebevoll auch Pasti genannt – soll das neue Mitglied des Schatzl-Clans heißen. In der äußerst anspruchsvollen Rolle beweist Johanna Schatz enorme Konsequenz und Darstellungskraft.

Freund oder Feind?

Für Dr. Georg Schatzl, den Reinhold Mang darstellt, ist Pasti jedoch mehr Fremdkörper und Feindbild als nützliches Helferlein. Seine Vorurteile paaren sich alsbald mit Eifersucht – nicht zu Unrecht, wie sich in Folge herausstellt. Sylvia M. Huber als Ehefrau Viktoria, die durchaus ein etwas eintöniges Leben führt, das geprägt vom Organisieren des Haushalts, vom Versorgen der Familie und der Pflege von Oma Paula besteht – findet in Pasti einen Vertrauten, der ihr die fehlende Aufmerksamkeit und Zuwendung schenkt. Geschickt nutzt sie seine Aufnahmefähigkeit, um ihn mit all dem zu programmieren, was ihre Sehnsüchte stillt. Pasti wird in ihren Augen ein „er“ und der Schritt zur Vermenschlichung ist schnell vollzogen. Der androide Roboter ist rasch in der Lage, auch die emotionalen Defizite und erotischen Wünsche von Viktoria zu erfüllen.

Spannungsgeladene Beziehungen

Für Oma Paula mit Gerda Ruepp besetzt, deren Erinnerungen an die Realität zunehmend verblassen, ist Pasti der willkommene Enkelsohn, der in gleichbleibender Freundlichkeit und pflegerischen Fähigkeiten Zeit mit ihr verbringt. Große Skepsis gegenüber Pasti hegt auch Dorothea, Matheas leibliche Mutter, die von Martina Wander dargestellt wird. Sie macht sich Sorgen um das Kindeswohl und ortet in der Beziehung zur Maschine das Signal für Einsamkeit. Als Dr. Schatzl selbst zum Pflegefall wird, zieht Bettina Brand, als resolute Pflegerin Diwatha in den Haushalt ein. Sie hegt, wie auch Pfarrer Grabonski alias Stefan Agreiter, tiefe Ablehnung gegen das KI-Wesen. Es kommt unweigerlich zu Spannungen und bald steht die Entscheidung an, ob Pflege durch einen Menschen oder Pflege durch einen Roboter zu bevorzugen sind.

Innovativer Fortschritt oder Horrorszenario?

Inhaltlich greift das Stück gleich mehrere zentrale und gesellschaftlich relevante Themen auf. Zum einen ist es der Mangel an Pflegekräften bzw. auch die Leistbarkeit von Pflege – letztendlich auch die große Überforderung, mit der Menschen in diesem Beruf oftmals konfrontiert sind. Die Übernahme dieser Aufgaben durch klug programmierte Roboter wird als Zukunftsvision und mögliche Rettung vor dem Kollaps gesponnen – mit einem Höchstmaß an Kompetenzen befüllt, emotional stets stabil, vollkommen stressresistent und frei von belastenden Emotionen, drohender Ermüdung und dem Wunsch nach Work-Life-Balance. Pfarrer Grabonski, der Oma Paula regelmäßig die Kommunion spendet, hat große Bedenken: „Mitgefühl ist ein Programm bei der Maschine – es kommt nicht vom Herzen!“ Zum anderen steht auch die Frage im Raum, wie viel Gefahr ein noch nicht berechenbares Maß an KI birgt und ob das Künstliche die Macht über das Menschliche gewinnen kann. Die Balance zwischen klugem Nutzen und bedrohlichem, nicht kontrollierbarem Feindbild wird Fingerspitzengefühl benötigen. Diese Bedenken erweisen sich im Hause Schatzl als nicht ganz unberechtigt – Pasti entwickelt sich zur selbstbewussten Lebensform, randvoll mit künstlich gepushtem Wissen um menschliches Denken und Fühlen. Der Mensch wird nahezu schutzlos transparent – für die Maschine ist es ein leichtes Spiel zu kontrollieren. Es kommt, was kommen muss: Die Situation bei den Schatzls spitzt sich zu.

Innovativer Stoff – gekonnte Inszenierung

Das Stück ist als Tragikomödie beschrieben und so wechseln sich humorvolle Momente mit nachdenklichen Passagen ab. Das Ensemble spielt sich souverän durch den Premierenabend und beweist mit der Stückwahl durchaus Mut, Neues und Innovatives auf die Bühne zu bringen. Eindrücklich und faszinierend nimmt sich das Spiel von Johanna Schatz als Pasti aus. Abseits der bekannten schauspielerischen Anforderungen hat sie sich der Aufgabe gestellt, Stimme, Sprache, Gestik, Mimik eines Roboters zu übernehmen und dabei ein hohes Maß an Talent und Disziplin bewiesen. Neben der gelungenen Gesamtleistung der Darsteller*innen, die viel Applaus erntete, hat sich Schatz – auch dank ihrer interaktiven „Zugabe“ – eine Extraportion Begeisterung mitten im Publikum erobert.

Was:Mehr Infos und Reservierung unter: www.kranewitterbuehne.theater Aufführung Franz-Kranewitter-Bühne Tragikomödie „Das Geschenk“

Wann: Premiere FR 6.10.2023, weitere Termine: SO 8.10./FR 13.10./SO 15.10./FR 20.10./SO 22.10./MI 25.10./FR 3.11.2023

Wo: Gemeindesaal Nassereith

Mehr Infos und Reservierung unter:www.kranewitterbuehne.theater

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