Sprachkunst im Rampenlicht der Stadtbühne
Faszinierende Wortwelten beim Poetry Slam in Imst

Nathan der Nice, Thalia K., Alexandra Rangger, Markus Köhle (Moderation), Roswitha Matt, Tamara Stocker, Silke Gruber und Günther (nicht im Bild) bewiesen die Vielfalt und Kreativität, die im Poetry Slam möglich ist.
38Bilder
  • Nathan der Nice, Thalia K., Alexandra Rangger, Markus Köhle (Moderation), Roswitha Matt, Tamara Stocker, Silke Gruber und Günther (nicht im Bild) bewiesen die Vielfalt und Kreativität, die im Poetry Slam möglich ist.
  • hochgeladen von Alexandra Rangger

IMST(alra). Sieben Slammer stellten sich am 27. Jänner in der Stadtbühne Imst ans Mikro und begeisterten rund 160 Besucher*innen mit facettenreichen Themen, wortgewandten Weltanschauungen und gehaltvollem Stoff für das Kopfkino. Als Moderator fungierte gewohnt schlagfertig der Gründer der österreichischen Poetry Slam Szene, Markus Köhle.

Die Vorgaben für den literarischen Wettbewerb sind rasch erklärt. Vorgetragen werden eigene Gedichte und Texte, erlaubt sind sämtliche literarischen Formen und Genres – von Kurzprosa, Lyrik, Rap bis Comedy-Beiträge. Hauptsache selbstverfasst, selbstinszeniert und in bühnentaugliche fünf Minuten und fünfzehn Sekunden verpackt. Die Bewertung erfolgt teils durch das Voting der Publikumsjury, teils durch Applaus des Publikums.

Verbalimpressionen – emotional, kraftvoll, authentisch

In der ersten Runde holten nach ausgeloster Reihenfolge Alexandra Rangger, Silke Gruber, Thalia K., Roswitha Matt, Nathan der Nice, Tamara Stocker und Günther mit ihren individuellen Betrachtungen inhaltlich und stilistisch weit aus.
Alexandra Rangger schüttete durchdringende Lebensfarbe in das Herz lyrischer Seelenbilder und erspürte den Sommer in jedem Atemzug – „leise haucht das Dunkel Sehnsucht.“ Silke Gruber nahm die fünfte Jahreszeit – „inser Erbe“ – unter die Lupe und warf einen genauen Blick auf den „Ranzenpanzer“ und unter die Larven der „Insrigen“. Thalia K. beschäftige sich mit der Bedeutung eines Mustertextes, dessen Musterworte ausgetauscht und veredelt werden können. „Bin ziemlich Mensch dafür, dass ich eigentlich nur Buchstaben bin“, verhalf sie dem „Lorem ipsum“ zum Leben. Lokalmatadorin Roswitha Matt mixte Begrifflichkeiten rund um Astrologie und Gastronomie bis hin zum „Aquaplaning der Zunge“, um sich dann „Lightyears lighter und dennoch nicht gscheiter“ zu fühlen. Nathan der Nice gab als bekennender, wütender Gutbürger, der wütend auf Wutbürger ist, ein kraftvolles Statement ab: „Das ist ein Text gegen RECHTS und kein Hassmanifest. Ich bin wirklich verliebt in die Demokratie, doch wer Menschen verachtet, hat keine Meinung verdient.“ Eine knallharte Abrechnung mit der gesellschaftlichen Tabuisierung der Menstruation lieferte Tamara Stocker. Nach Zeiten, in denen Periodenprodukte wie Schmuggelware versteckt gehalten werden, rief sie eine längst überfällige „Schamnesie“ und die strikte Abschaffung von bescheuerten Euphemismen rund um das allseits gefürchtete „Hormon-ster“ aus. Günther sinnierte über das Erwachsensein und stellte die berechtigte Frage, ob man sich in aller Verschiedenheit wirklich noch auf Augenhöhe begegnet. „Tagtäglich Blödsinn machen kann ich mir nicht mehr leisten“, lautete sein Fazit, dem er tröstlich doch noch ein „just do it“ nachsetzte.

Stimme erheben – Gehör verschaffen

Im Finale trafen Silke Gruber, Tamara Stocker, Roswitha Matt und Nathan der Nice erneut aufeinander. Silke Gruber überzeugte als geniale Beobachterin des leicht skurrilen Alltags am Haller Bauhof. Ihre Story mit Satirequalität (und ernstem Unterton) rund um die „Da-igen“ und den „Anderscht Woherigen“ verlieh der Vorstellung von banalen Fahrten zu Orten der Mülltrennung vollkommen neue Aspekte. Tamara Stocker verwob komplexe zwischenmenschliche Beziehungen mit mathematischen Begriffen: „Du bist das verflixte X in jeder x-beliebigen Gleichung, mit dem ich einfach nix anzufangen weiß – du bist einfach unberechenbar.“ Ein allgegenwärtiges Thema – körperliche, sexuelle und psychische Gewalt an Frauen beschäftige Roswitha Matt in ihrem Text. „Ich möchte das ansprechen, worüber viele nicht reden können, weil ihnen die Worte fehlen,“ so Matt, die eindringlich dem Gehör verlieh, das zu oft unausgesprochen bleibt. Nathan der Nice zeigte zum Abschluss mit seinem Text über „Angsthasen“, wie emotional und expressiv Poetry Slam sein kann – bewegend lieferte der 18-Jährige Einblicke in dunkelste Ängste zwischen Zweifeln, Entscheidungen und der Last der Verantwortung für das eigene Leben. Ängste, die selbstbewusst benannt und ausgesprochen werden dürfen – die gehört und ernst genommen werden sollen.

Breites Spektrum an individuellen Sprachschätzen

Am Ende des Abends teilten sich Tamara Stocker und Nathan der Nice die Bestplatzierung, gefolgt von Roswitha Matt und Silke Gruber, die nachfolgend ebenfalls ex aequo gewertet wurden. Insgesamt lieferten alle sieben Literatur-Performer ein üppiges stilistisches und inhaltliches Spektrum. Sie kratzen an der Oberfläche, durchdrangen Seelenwelten, rüttelten kritisch an Traditionen, verliehen dem Alltag Unterhaltungswert, prangerten Missstände und Entwicklungen an, eröffneten neue Perspektiven und füllten tief blickend und laut denkend den Raum mit Worten, Stimmen und Emotionen.

Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.