Der Winter heuer ist tückisch

Bergrettung Telfs auf Übungseinsatz. Der Munde-Osthang ist heuer ganz kritisch. Foto: Bernhard Hangl | Foto: Hangl
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REGION. "Auf den Pisten ist man derzeit am sichersten", rät Dr. Norbert Hofer, Ortsstellenleiter der Bergrettung Telfs und Bezirksleiter-Stv.: "Es wird den ganzen Winter lawinengefährlich bleiben." So warnt auch Rudi Mair, der Leiter des Tiroler Lawinenwarndienstes: "Der schneearme Winter ist sehr tückisch, denn der Schneedeckenaufbau ist sehr schlecht, und daran wird sich auch in nächster Zeit nichts ändern." Schuld seien die frühen Schneefälle und das sehr wechselhafte Wetter mit geringen Neuschneezuwächsen über 2000 m Seehöhe, so Mair: "Am besten wäre mit großen Neuschneemengen geholfen, aber auch diese sind über das Wochenende hinaus nicht in Sicht. Die Lawinensituation in Tirol bleibt daher äußerst angespannt."
So würde der Telfer Bergretter Norbert Hofer den bei Tourengehern beliebten Osthang der Hohe Munde heuer meiden: "Da ist es jetzt ganz heikel! Es gibt aber auch ehemalige Pisten, wo ich mich trauen würde, etwa entlang der ehemaligen Schipiste auf die Rauthhütte, das ist jetzt ein richtiges Tourengebiet." Kritisch wird die Situation zudem im Bereich Breitlehn und die Grieslehn-Rinne, die den Weg nach Strassberg kreuzt.
Franz Markart, der Alpine Einsatzleiter der Polizei im Bezirk Innsbruck Land, kennt die Situation am Seefelder Plateau, er beobachtet einen Boom besonders bei Pistentouren oder pistenähnlichen Touren, auch beim Variantenfahren gibt es eine Zunahme: Ein beliebtes Gebiet für Freerider ist das Gelände im Bereich Rosshütte - Härmelekopf in Seefeld. Die meisten dort anzutreffenden Leute fahren auch mit der entsprechenden Notfallausrüstung (LVS, Schaufel und Sonde) sowie mit Airbag Rucksäcken.
"Ein Anliegen der Alpinpolizei wäre, außerhalb des organisierten Skiraumes niemals alleine zu gehen", so Markart. Wer es trotzdem wagt, sollte unbedingt Bekannten sein Tourenziel bekannt geben und das LVS Gerät einschalten, so Markart: "Im freien Schiraum ist unbedingt die erforderliche Sicherheits- Notfallausrüstung mitzuführen. Und: Sollte eine Lawine ausgelöst werden und es ist nichts passiert, sollte man diesen Vorfall der Leitstelle Tirol Tel.-Nr: 140 melden, um einen Sucheinsatz zu vermeiden."

Lage schwierig einzuschätzen
Bergretter Dr. Norbert Hofer erklärt, heuer sind durch Schneefälle und in Kombination mit heftigen Winden viele Verfrachtungen entstanden: "Die Triebschneepakete können jederzeit los brechen." Wo die Lawinengefahr am größten ist, hängt natürlich von mehreren Faktoren ab, wie z.B. Schneemenge, Windeinfluss, Steilheit, Geländebeschaffenheit, Exposition etc. Ein guter Anhaltspunkt ist der Lawinenlagebericht: Daraus ist ersichtlich, wo Gefahrenstellen sind und welche Hänge nicht so labil sind - Garantie gibt es in der Lawinenkunde aber nicht!
Auch seitens der Bergrettung Leutasch wird auf die Frage der Einschätzung der Lage beantwortet: "Momentan erfordert es ein hohes Maß an Erfahrung und Wissen in der Schnee und Lawinenkunde um den ständigen Wechsel innerhalb der Schneedecke zu erkennen und dann zu beurteilen. Der Schneeaufbau heuer ist sehr sehr schlecht und verändert sich zurzeit aufgrund des stürmischen Windes und den großen Temperatur schwankungen innerhalb weniger Stunden von halbwegs günstig zu sehr gefährlich!"
Unerfahrene und gelegenheits-Tourengeher sollen sich nicht über die Waldgrenze hinaus bewegen. Vorhandenen Spuren blindlings zu folgen ist nicht ratsam, es kann sich in der Zwischenzeit von der Stabilität der Schneedecke her schon stark verändert haben und diese Spuren sind dann auch nicht mehr sicher!
TIPP: Bei großer Gefahr sind überall Touren ins freie Gelände zu vermeiden. Pistentouren sind okay, aber auch dann bei der Abfahrt auf der Piste bleiben!

Der Telfer Helmut Wagner musste sich in seiner Zeit als Bergführer über rücksichtslose und verantwortungslose Tourengeher ärgern: "Die folgen blind anderen Spuren ohne zu wissen, ob derjenige, der da vorausgegangen ist, Erfahrung hat." Das Kollektiv sowie die technische Ausrüstung verleihen manchen zusätzlich eine vorgetäuschte Sicherheit.

Schitouren auf Pisten und im Gelände

Folgende Pistentouren am Seefelder Plateau sind fast immer machbar:
Rauthhütte – Leutasch (aufgelassene Schipiste, aber auch nicht mehr weiter als Richtung Joch gehen, da mit Selbstauslösungen von der Hohen Munde Ostflanke zu rechnen ist)
Mühlberg – Scharnitz (ehem. Schipiste);
Seefelder Joch/Spitze über Roßhüttenskiabfahrt (an stark frequentieren Tagen – bis ca. 400 Personen. Aufgrund des neuen Weges ist ein Aufstieg im unteren Teil durch den Wald möglich; keine Pistenberührung bis zur Hocheggalm);
Gschwandtkopf – Südseite (ehemalige Piste – kein Liftbetrieb mehr).

Schitouren im freien Schiraum:
Hohe Munde (früher eher eine Frühjahrstour, wird den ganzen Winter über begangen);
Leutascher Dreitorspitze
Pleisenspitze – Karwendelgebirge (Hausberg der „Süddeutschen“ wird ebenfalls den gesamten Winter über begangen)
Larchetkarspitze (große Riedelkarspitze – Abfahrt in Richtung Pleisenhütte oder bei günstigen Verhältnissen über Neunerkar – Marxenkar ins Karwendeltal – allerdings langer Retourweg nach Scharnitz ca. 12 km)
Hohe Gleirsch (Frühjahrsskitour)
Weitere Gipfel im Karwendeltal
Bereich Eppzirl (von Gießenbach aus oder vom Seefelder Joch/ Spitze oder Reitherkar aus erreichbar).

"Notfall-App" der Bergrettung Tirol:

Die Leitstelle Tirol hat 2012 gemeinsam mit der Bergrettung Tirol die „Notfall App Bergrettung Tirol operated by Leitstelle Tirol GmbH“ speziell für Notfälle im alpinen Bereich innerhalb Tirols entwickelt. Die Smartphone-App ist nur in Tirol einsetzbar und steht kostenlos zur Verfügung. Sie übermittelt in der akuten Notsituation per Knopfdruck den eigenen Standort (per GPS-Koordinaten) und stellt gleichzeitig eine Telefonverbindung zur Leitstelle her. In Folge werden die benötigten Rettungskräfte alarmiert und disponiert.

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