Behördliche Tierabnahme im Ötztal
Oben die Ziegen, unten das Elend
Hinweise auf dubiose Tierhaltung im Ötztal sorgten für Aufregung. Nun folgte die behördliche Beschlagnahmung.
ÖTZTAL. Ziegen hoch oben auf einer Ötztaler Alm, ganz auf sich gestellt, kein Mensch weit und breit: Mitten im Winter mag das kurios wirken, doch unfassbarer ist's eigentlich unten im Tal. Dort nämlich hält der, dem die Ziegen gehören, weiteres Nutzvieh: Kühe, Schweine, Schafe, andere Paarhufer – und das augenscheinlich teils unter erbärmlichsten Bedingungen. Das legen nicht nur Gerüchte nahe, sondern auch Bilder, die der Bezirkshauptmannschaft Imst zugesandt wurden, die auch Markus Wilhelm als Nachbar im Netz veröffentlicht hat. Zu sehen sind etwa Schweine, eingepfercht in vergleichsweise winzigen Boxen.
Schweine, die gezwungen sind, in den eigenen Fäkalien zu liegen, deren Futter sogar in kotverschmierten Schüsseln aus Plastik gereicht wird. Schweine, deren gezeigtes Elend für Zorn, für Entsetzen sorgt – und auch die Behörde hinter dem AMA-Gütesiegel sagen lässt, dass es „entsetzliche und schockierende Bilder“ aus einem Betrieb seien, der keinen Vertragspartner darstelle.
Wie kein Schwein leben will
Die Schweine seien längst schlachtreif, heißt es, und tatsächlich haben Behörde und Amtstierarzt die Schlachtung per Bescheid längst angeordnet. Eine Erlösung, wie es sich wohl formulieren ließe, doch gekommen ist es dazu nie: Weil die Schweine nicht aufgetaucht sind zum vereinbarten Termin in einem Schlachthaus, das in Tirol, aber nicht im Tal liegt. Denn trotz händeringender Suche habe sich niemand im Ötztal finden lassen, der die Schlachtung vornehmen will, so die Auskunft – weil niemand mit solcher Tierhaltung etwas zu tun haben möchte, wie eine telefonische Stichprobe nahelegt.
Vom Sterben auf der Weide
Dieser Tage sind die Fenster des Schweinestalls zugenagelt. Damit niemand das Elend sieht, sagen manche. Auf einer mageren, eingezäunten Wiese aber, im Nachbarort, dort grast eine Herde Paarhufer, die kleiner und kleiner wird, deren Mitglieder immer wieder, fast in Scharen verenden. Sie enden als Kadaver im Recyclinghof, was ihm die Tränen des Zorns in die Augen treiben würde, sagt ein Ötztaler, der sie gesehen hat.
Er vermutet, dass die Tiere verhungern. Bislang haben das die Behörden, die auf ständige Untersuchungen verweisen, ausgeschlossen. Ebensowenig geben würde es Hinweise auf „eklatante Haltungsmängel“, aber auch keine klare Antwort, warum die Tiere sterben. Eine andere, herumgehende Theorie vermutet den Grund im Wasser, das die Herde aus einem vorbeilaufenden Waal trinkt. Auch das sei Gegenstand von Untersuchungen, heißt es Mitte vergangener Woche. Das Ergebnis stehe aber noch aus.
Umsichtige Prüfung – oder: Der Vorwurf des Zuschauens
Es ist ein Betrieb, der im Tal berüchtigt scheint, den die Behörden schon länger im Auge haben, in dem der Amtstierarzt oft, quasi regelmäßig vor Ort ist. Bescheide werden ausgestellt, die manchmal erfüllt werden, manchmal nicht. Im Ötztal und im Netz sehen sich die Behörden mit Vorwürfen konfrontiert, dass zugeschaut, nichts getan wird.
Der Kritik stellt sich Bezirkshauptfrau Eva Loidhold: „Ich kann verstehen, dass solche Bilder Emotionen hervorrufen. Das tun sie bei mir genauso und ich will auch nicht, dass Tiere so gehalten werden. Dass die Behörde aber tatenlos zusieht, aufgegeben hat, das stimmt einfach nicht.“
Bevor handfestere Maßnahmen – wie etwa ein Konfiszieren der Tiere, was einen massiven wirtschaftlichen Eingriff darstelle – folgen könnten, brauche es nunmal „die notwendigen Erhebungen, die notwendigen Grundlagen“, erklärt die Juristin und oberste Bezirksbeamtin: „Es muss hieb- und stichfest sein, damit das auch hält. Wir müssen ja auch damit rechnen, dass solche Bescheide beeinsprucht werden und ganz genau geprüft wird, ob die Voraussetzungen gegeben waren.“
Das Ende des Elends
„Wir sind wöchentlich im Betrieb, kontrollieren, prüfen und sind intensiv dran“, verspricht Loidhold wie in den Wochen zuvor auch am vergangenen Donnerstag – und tatsächlich gehören die geschilderten Umstände nun der Vergangenheit an. Am Freitag folgte der Behördeneinsatz vor Ort, die behördliche Tierabnahme, die Beschlagnahmung sämtlicher Nutztiere des Tierhalters.
„Der Amtstierarzt hat bestätigt, dass nicht mehr auszuschließen ist, dass die Tiere Schmerzen leiden“, so die Begründung auf Grundlage des Tierschutzgesetzes.
Verteilt werden die Tiere – darunter auch über drei Dutzend Schafe – auf Betriebe in ganz Tirol, während zu kranke oder schlachtreife Tiere geschlachtet werden sollen. Weitere Konsequenzen wie ein Tierhalteverbot befänden sich noch in Prüfung, sagt die Bezirkshauptfrau.
Zu tragen hätte der Tierhalter jedenfalls die Kosten für die Unterbringung der abgenommenen Tiere. Dasselbe gelte für das Heimholen der Ziegen, die noch immer auf der Alm sind. Scheu, wie sie seien, wären entsprechende Versuche bislang nicht geglückt, sagt Loidhold und hofft, dass es bald gelingt.
Der Tierhalter war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Die Bezirkshauptmannschaft Imst im Internet
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