Letzter Lebenshilfe Kindergarten schließt
Schritt für Schritt in Richtung Inklusion

Georg Willeit, GF Lebenshilfe, Elisabeth Gärtner, Bereichsleitung Kind&Familie Lebenshilfe, Leitung Kindergarten Ötztal-Bahnhof | Foto: Alle @Lebenshilfe Tirol/Schafferer
3Bilder
  • Georg Willeit, GF Lebenshilfe, Elisabeth Gärtner, Bereichsleitung Kind&Familie Lebenshilfe, Leitung Kindergarten Ötztal-Bahnhof
  • Foto: Alle @Lebenshilfe Tirol/Schafferer
  • hochgeladen von Petra Schöpf

ÖTZTAL BAHNHOF. „Unsere Kindergärten haben viele Jahrzehnte Kindern und Eltern Sicherheit und Halt gegeben und sie gestärkt. Gemeinsam sind wir viele Schritte und Wege gegangen, damit Kinder mit Behinderungen oder Entwicklungsverzögerungen gleichberechtigt mit anderen spielen, lernen und leben können. Das ist mittlerweile in allen Gemeindekindergärten Tirols möglich“, freut sich Georg Willeit, Geschäftsführer der Lebenshilfe. „Jetzt ist deshalb die Zeit gekommen, den letzten Lebenshilfe Kindergarten in Ötztal Bahnhof zu schließen und die Türen für alle Richtung Inklusion und Normalität zu öffnen. „Einen der Grundsteine für dieses Miteinander haben wir Anfang der 90er Jahre im sogenannten Arbeitskreis Einzelintegration im Kindergarten gelegt, erinnert sich Georg Willeit.

Integrationskindergärten als Wegbereiter

„Wir sind 1985 in Mötz als Fördergruppe gestartet, weil es in der ganzen Region kein Angebot für Kinder mit Behinderungen gab. Nach Ötztal Bahnhof sind wir dann 1989 übersiedelt, wo wir erstmals eine Integrationsgruppe mit maximal 15 Kinder angeboten haben. Seit 1993 sind wir ein Integrationskindergarten“, erinnert sich Kindergartenleiterin Christiane Slama an Zeiten, als das Miteinander von Kindern und Erwachsenen noch sprichwörtlich in den „Kinderschuhen“ steckte. Erst der unbeschwerte Umgang der Kinder mit und ohne Behinderungen beim gemeinsamen Spielen und Lernen hat Barrieren und Ängste abgebaut.
Mittlerweile haben sich Integrationskindergärten längst durchgesetzt. Die Gruppengröße von 12 Kindern ohne und drei mit Behinderungen erwies sich – gepaart mit einem höheren Personalschlüssel und Spezialausbildung – als Erfolgsmodell.

Von- und Miteinander lernen

Das Miteinander von Kinder mit und ohne Behinderungen funktioniert so gut, dass zahlreiche Eltern bewusst dieses Kindergartenangebot wählen. „Uns hat das Konzept des Kindergartens sehr gelockt und wir wollten, dass unsere Kinder gleich in Kontakt mit Kindern mit Behinderungen kommen können und so lernen, dass Behinderung ganz normal ist“, schätzte es etwa Julie Fritsch, dass ihre beiden Zwillingstöchter Malea und Luisa und auch ihr Sohn Moritz diese Erfahrung des Miteinanders machen durften.
Sechs Kinder der derzeitigen Gruppe wechseln jetzt in den Gemeindekindergarten am gleichen Standort. Ein Kind besucht künftig einen Kindergarten im Ötztal und die anderen starten ins „Abenteuer“ Schule. Und auch für das Personal zeichnen sich neue Lebenswege ab. „Eine Kollegin hat bereits in den Gemeindekindergarten gewechselt, eine startet eine neue Karriere und für mich und meine langjährige Assistentin geht es in Kürze in den wohlverdienten Ruhestand“, so Christiane Slama, die im August 1981 zur Lebenshilfe kam.

Spannende Zeit

Langweilig war die Arbeit im Kindergarten der Lebenshilfe nie. Neben der inhaltlichen Weiterentwicklung stand das gute Zusammenspiel von Kindern, Eltern, dem Team und Systempartnern im Vordergrund. „Wir haben immer wieder Projekte wie den Waldtag gestartet, um die Kinder in ihrer Entwicklung zu fördern“, erinnert sich Christiane Slama. So wurden Theaterstücke einstudiert, Jahreszeiten thematisch aufgearbeitet und im Werkraum gebastelt während im Bewegungsraum die Motorik trainiert wurde. „Es war schön zu sehen mit welcher Leidenschaft und Liebe zum Beruf das Team gearbeitet hat“, ergänzt Julie Fritsch. „Ein Highlight waren auch immer die Sommerfeste“.

Zur Geschichte

Auch wenn 1977 der erste integrative Kindergarten in Innsbruck (Kindergarten für alle) startete, gab es in den 80ern für Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf kaum Angebote. Die Integration von Kindern in den Regelkindergarten war visionär. Waren es anfangs meist Fördergruppen, in denen ausschließlich Kinder mit Behinderungen begleitet wurden, folgten nach und nach „integrative Gruppen“.
Die Gruppen waren groß und der Anteil an Kindern mit Behinderungen lag bei 50 Prozent und mehr. Die erste „Förderstätte für das entwicklungsbehinderte Kind“ der Lebenshilfe nahm 1985 seinen Betrieb in Absam auf. Kindergärten in Mötz/Ötztal Bahnhof, St. Johann und Kufstein folgten. Seit 1999 wurden diese Kindergärten als „Integrationskindergärten“ mit 12 Kindern ohne und drei Kindern mit Behinderungen geführt. Bereits 2007 begann die Lebenshilfe Tirol mit der Inklusion ihrer Kindergärten in die öffentlichen Gemeindekindergärten. Am 10. Juli 2020 schließt der letzte Integrationskindergarten in Ötztal Bahnhof.

Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.