60 Jahre Filmmuseum
Vom Kinosterben bis zur Künstlichen Intelligenz
Das Wiener Filmmuseum sticht aus dem Gebäude der pompösen Albertina optisch nicht unbedingt hervor. Umso überraschender ist, was hinter der unscheinbaren Türe passiert: Das Museum betreibt ein Kino, bewahrt Sammlungen und ist eine wichtige Forschungs- und Bildungsstätte. Nun feiert man das 60-jährige Jubiläum.
WIEN/INNERE STADT. Es ist ein wichtiger Pfeiler der Wiener Filmkultur: das Filmmuseum in der Augustinerstraße 1, eingebettet im berühmten Gebäude der Albertina. Gegründet wurde es im Jahr 1964 von Peter Kronlechner und Peter Kubelka. Dieser Zeitpunkt war wohl kein Zufall, so gewannen Film und Kino damals erheblich an Bedeutung.
Das Ziel der beiden Gründer war es, in Österreich ein Zentrum für die Präsentation und Bewahrung der internationalen Filmgeschichte zu etablieren. Mittlerweile feiert das Filmmuseum bereits den 60. Geburtstag.
Gerade in den vergangenen fünf Jahren hätte es eine "Achterbahn der Gefühle" durchlebt, wie Michael Loebenstein, seit 2017 Direktor des Hauses, im Gespräch mit MeinBezirk.at erzählt. Allen voran – und wie so oft – wegen der Corona-Pandemie: "Wird es überhaupt so etwas wie Live-Kultur noch geben oder ist das Kinosterben endgültig eingetreten? Das waren zentrale Fragen, die wir uns gestellt haben", so der Kulturmanager.
Keine Angst vor Kinosterben?
Diese Sorgen hätten sich jedoch als unbegründet erwiesen. So seien die Leute nach der Pandemie wieder zahlreich in die Kinos gekommen, wie Loebenstein betont. Im Filmmuseum beobachtet man zuletzt, dass immer mehr jüngere Personen Gefallen an Filmvorstellungen verschiedenster Art finden. Gerade in einer Zeit, in der mobile Endgeräte und Unternehmen wie Netflix und andere Streaming-Dienste immer mehr genutzt werden, wäre es eigentlich naheliegend gewesen, dass das klassische Kino an Bedeutung verliert. "Menschen suchen aber, womöglich zur Entschleunigung, diese gewisse Echtzeit-Kultur. Das Licht geht aus, ein Film läuft linear durch, kein Websurfen dazwischen oder eine Pause", meint Loebenstein.
Weiters fänden die Leute auch immer mehr Gefallen an analogen, also digital nicht erhältlichen, Filmen. "Da sind dann Filmmuseen wie wir die richtige Anlaufstelle", so der Direktor. Schließlich setzt das Filmmuseum seit seinen Anfängen alles daran, seine Filmsammlung zu erweitern: von Klassikern des internationalen Kinos, Avantgardefilmen bis hin zu historischen Filmdokumenten und Wochenschauen. Insgesamt verfüge man mittlerweile über rund 500.000 kulturelle Objekte. Die Film- und Fotosammlungen wurden Anfang der 1980er-Jahre am Standort in Nussdorf zusammengeführt. Hier wurde auch das erste österreichische Klimadepot für Sicherheitsfilm – Farbnegativfilme müssen etwa bei Minusgraden gelagert werden – eingerichtet. Die Nitrofilme der Sammlung sind seit den 70er-Jahren in einem separaten, vollklimatisierten Lager außerhalb Wiens aufbewahrt.
Algorithmen als Chance für Filmanalyse
Auch die fortschreitende Digitalisierung hat das Filmmuseum zuletzt vor große Herausforderungen gestellt. Diesen hätte man sich jedoch gestellt. Mittlerweile forscht man, gemeinsam mit Wissenschafterinnen und Wissenschaftern der Technischen Universität (TU) Wien, bereits zum zweiten Mal an der Digitalisierung bestimmter Filmobjekte: "Hier schauen wir zum Beispiel, wie Algorithmen Filme lesen, wenn wir etwa alte dokumentarische Aufnahmen von Wien einspielen. Oder auch, wie uns Computer dabei helfen können, einen Überblick über diese großen Mengen an filmischen Materialien aus dem 20. Jahrhundert zu gewinnen", erläutert Loebenstein.
Auch das Thema Künstliche Intelligenz (KI) hat im Filmmuseum Einzug gehalten. "Früher mussten Leute, die Filme analysieren wollten, sehr anstrengende Arbeit erledigen", erzählt Anna Högner, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Filmmuseums im Bereich Katalog und Metadaten. Sie führt fort: "Sie mussten Sequenzprotokolle erstellen und aufschreiben, was in einem Film vorkommt (...) Mit KI kann man diese Arbeit automatisieren, was uns erlaubt, Filme wirklich sequenzgenau zu notieren und mit anderen Informationen zu verbinden."
Buntes Jubiläumsprogramm
Zelebriert wird das 60-jährige Jubiläum mit zahlreichen Programmhighlights. Die kürzlich eröffnete Ausstellung "Guckkasten" zeigt etwa die 60 Jahre Filmmuseum "im Spiegel seiner Gäste". 250 Einträge, Widmungen und Kommentare aus dem hauseigenen Gästebuch sollen die Vergangenheit des Filmmuseums emotional zusammenfassen. So schrieb hier etwa die französische Schauspielerin Jeanne Moreau nach ihrem Besuch im Jahr 1988: "Ich wünsche Ihnen ein langes Leben. Das Kino der Welt braucht es." Außerdem finden ab Mai im Lesesaal Interviews und Gespräche zu Film, Forschung und Recherche des Museums statt. Weitere Infos zum Jubiläumsprogramm findest du hier.
Bleibt die Frage zum Schluss: Wo sieht Direktor Loebenstein das Museum in den nächsten 60 Jahren? "Ich sehe uns nach wie vor relevant, weil egal, was das nächste große 'gehypte', digitale Medium sein wird, die Auseinandersetzung mit bewegtem Bild, dafür braucht es ein Bewusstsein für die Geschichte. Genau das leistet das Filmmuseum", so der Kulturmanager zum Abschluss.
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