Zerstörerische Intrigen

Sie sind die Drahtzieher der „Gefährlichen Liebschaften“: der Vicomte de Valmont (Samuel Maxted) und die Marquise de Merteuil (Anna Romanova). | Foto: TLT
  • Sie sind die Drahtzieher der „Gefährlichen Liebschaften“: der Vicomte de Valmont (Samuel Maxted) und die Marquise de Merteuil (Anna Romanova).
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Enrique Gasa Valga begeistert seine Fans erwartungsgemäß auch mit seinem neuesten Tanzstück „Gefährliche Liebschaften“.

Wer sollte sich auf dieses Stück besser verstehen als er, beherrscht er doch die Kunst der Verführung durch Schönheit und barocker Raffinesse im dramaturgischen Zusammenspiel von Bühne, Kostüm, Musik, tänzerischer Darstellung wie kein Zweiter. Da mussten es ja irgendwann auch die „Gefährlichen Liebschaften“ sein, also ein Tanzstück über die famose Marquise de Meurteuil, diese durch und durch bösartige Menschenverächterin und ihren kongenialen Brief- und Intrigenpartner Vicomte de Valmont aus Laclos’ gleichnamigen und berühmtesten Briefroman des 18. Jahrhunderts. Die beiden kennen – wie es scheint - nur ein wirkliches Vergnügen: sich darin anzustacheln, emotionsbegabte Frauen wie Männer aus ihrem gesellschaftlichen Umfeld aus der emotionalen Reserve zu locken, mit ihnen zu spielen wie mit Marionetten und sie hinterher eiskalt abzuservieren, wobei die Marquise dieses ebenso fatale wie skrupellose Ränkespiel lange zu dominieren glaubt, doch schließlich ausgerechnet über das Gefühl der Eifersucht stolpern wird. Laclos’ Roman hat bekanntlich nicht nur Heiner Müller zu einem sprachlich überaus dichten Zweipersonenstück inspiriert, der eine oder andere erinnert sich vermutlich auch an Stephen Frears vielfach preisgekrönten Kinofilm aus dem Jahr 1988 mit Schauspielgrößen wie Glenn Close, John Malkovich, Michelle Pfeiffer, Uma Thurman und Keanu Reeves. Oder Milos Formans Film „Valmont“ nur ein Jahr später mit Colin Firth und Annette Bening.

Nun gibt es die „Gefährlichen Liebschaften“ also auch im Großen Haus des TLT, als Tanzstück von Enrique Gasa Valga. Und einmal mehr ist er allen Erwartungen seiner Fans gerecht geworden, gleichwohl er sich dieses Mal mit den bei ihm sonst üblichen dramaturgischen Extraefffekten nobel zurückhält. Gasa Valga fokussiert sich stattdessen ganz auf sein Ensemble, für das Eva Praxmarer bestechend schöne, farblich wunderbarst abgestimmte Kostüme ersonnen hat. Helfried Lauckner wiederum hat in seinem Bühnenbild mit nur ganz wenigen Mitteln und Symbolen erneut die verschiedenen psychodynamischen Ebenen des Stücks eingezogen: perfekte Kulissen mit zahllosen Jagdtrophäen an den Wänden, denen er einen sehnsuchtsvollen Ausblick in eine üppig grüne Natur gegenüberstellt, der zuletzt alles Leben und alle Liebe ausgetrieben wird. Dazu lässt Gasa Valga im Orchestergraben ein wunderbar disponiertes Ensemble im ersten Teil Schuberts Forellen-Quintett und im tragödischen zweiten Teil Brahms’ Klavierquartett in g-Moll musizieren. Seine Tänzer/innen – allen voran Anna Romanova als Marquise de Merteuil und Samuel Maxted als Valmont – tanzen ihre jeweiligen Partien mit Verve und begeistern einmal mehr durch ihre jugendliche Grazie und die vermeintliche Leichtigkeit in ihren tänzerischen Bewegungen. Das ist alles wunderschön anzuschauen, und sein Publikum quittiert diesen Abend wenig verwunderlich mit begeisterten Standing Ovations. Mir fehlte indessen etwas der psychische Bodensatz, auch in der Interaktion der einzelnen Figuren. Ich habe irgendwie die lauernde Gefahr vermisst in diesem grotesken Wechselspiel aus Verführung und Verführbarkeit, aus Liebessehnsucht und der absurden sadistischen Lust an der Zerstörung anderer Menschenseelen.

Wo: Tiroler Landestheater, Rennweg 2, 6020 Innsbruck auf Karte anzeigen
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