Innsbruck
"Aggressives Anwerben" weiter in Diskussion

Regeln für F2F-Fundraising: "Dass man sich nicht frontal Passanten in den Weg stellt, sondern die Passanten höflich von der Seite anspricht. Oder dass man die Passanten auch nicht über eine längere Strecke begleitet." | Foto: Stadtblatt
  • Regeln für F2F-Fundraising: "Dass man sich nicht frontal Passanten in den Weg stellt, sondern die Passanten höflich von der Seite anspricht. Oder dass man die Passanten auch nicht über eine längere Strecke begleitet."
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INNSBRUCK. Die Stadtblatt-Berichterstattung über das "aggressive Anwerben" auf Innsbrucks Straßen hat viele Reaktionen hervorgerufen. So wird im Gemeinderat ein Prüfantrag eingebracht, zahlreiche Stellungnahmen gibt es in den sozialen Medien und auch der Fundraising-Verband Österreich hat sich zu Wort gemeldet und der VGT spricht sich gegen ein Verbot aus und ein Stadtblatt-Leser schildert seine Eindrücke.

Reaktionen

In den sozialen Medien stösst die Ankündigung von GR Lucas Krakl (Für Innsbruck), im Gemeinderat eine rechtliche Prüfung zu beantragen, inwieweit sich diese Form der Spendenakquise von aggressivem bzw. gewerblichem Betteln unterscheidet. auf breite Zustimmung.  Anlaß ist das Verhalten einiger Agenturmitarbeiter. Face2Face-Fundraising und Dialoger lautet die Bezeichnung in der unternehmerischen Marketingsprache, Straßenpromoter oder Straßenkeiler wird am Stammtisch gesagt. Unangebrachtes Verhalten und fehlender Respekt von manchen Promotern gegenüber den Passanten wird immer wieder als Problem geäußert. Bei Umgang mit dem Passanten wäre es eigentlich üblich: "Dass man sich nicht frontal Passanten in den Weg stellt, sondern die Passanten höflich von der Seite anspricht. Oder dass man die Passanten auch nicht über eine längere Strecke begleitet."

Stadtblatt-Artikel: "Straßenwerbung: "Nein Danke" oder die Schwierigkeiten beim Umgang mit "Dialogern"

Stadtblatt-Artikel: "Prüfung: Aggressive "Spendenkeilerei" soll verboten werden"

Wichtiges Standbein

In einer Stellungnahme schreibt der Fundrasing-Verband Österreich, als Dachverband von 330 spendenwerbenden Organisationen und Organisatoren der „Qualitätsinitiative Fördererwerbung“ unter anderem: "Die Spendenwerbung im öffentlichen Raum sowie an der Haustüre ist eines der wichtigsten Standbeine von Österreichs gemeinnützigen Vereinen und Organisationen, die ihren wichtigen gesellschaftlichen Aufgaben abseits staatlicher Zuschüsse nur mithilfe von Spenden nachkommen können. Viele Österreicher schätzen diese Möglichkeit, mit NPOs und ihren Vertreterinnen und Vertreter ins Gespräch zu kommen. So zählt diese Spendenform zu den beliebtesten Österreichs. Dies zeigt sich aus der geringen Beschwerdequote und Umfragen zur Zufriedenheit der Förderer, die den Vereinen meist über viele Jahre treu verbunden bleiben."

Rechtssituation

Rechtlich ist die Fördererwerbung eindeutig geregelt: Während das Sammeln von Bargeld in allen Bundesländern gesetzlich in den Sammlungsrechten geregelt und beschränkt ist, unterliegt die Mitgliederwerbung im öffentlichen Raum dem Vereinsrecht.

"Wer also die Mitgliederwerbung verbieten will, verbietet auch die Vereine, denn das ist die Basis jeglichen Engagements."

Zudem kommen die ausführlichen Widerrufsrechte der Konsumentenschutzgesetze bei Lastschriftverfahren zur Geltung. Beim Aufstellen eines festen Standes ist eine Genehmigung des Grundeigentümers, häufig der Gemeinde, nötig. Günther Lutschinger, Geschäftsführer Fundraising Verband Austria, hält außerdem fest: "Wir weisen die formulierten Vergleiche von Fundraiserinnen und Fundraisern, die einer professionellen und viel geschätzten Arbeit nachgehen, mit „gewerblichen Bettlern“ aufs Schärfste zurück! Anerkannte Organisationen und ihre engagierten Mitarbeiter, die gerade in der Corona-Krise einen unermesslichen Beitrag leisten, aber auch deren Unterstützer werden durch dadurch herabgesetzt. Auch der vielfach genannte Ausdruck „Straßenkeiler“ ebenso wie Formulierungen wie „die Nötigung von Passanten“ sind absolut unangebracht und schädigen das Ansehen von Fundraiserinnen und Fundraiser, NPOs und ihrer Dienstleister massiv."

VGT gegen Verbot

"Zivilgesellschaftliche Organisationen übernehmen zahlreiche Aufgaben in Österreich, wie im Tierschutz, im Umweltschutz, in der Pflege, in der Armutsbekämpfung, im Gesundheitswesen, in der Entwicklungshilfe und unzähligen anderen Bereichen. Viele dieser Organisationen werden staatlich nicht oder nicht ausreichend gefördert, um diese Aufgaben wahrzunehmen. Für einige Organisationen ist es auch wichtig, dass sie unabhängig von öffentlichen Geldern agieren können. In all diesen Fällen steht und fällt die Existenz dieser wichtigen Einrichtungen mit den Spenden, die sie aus der Bevölkerung erhalten. Und Spenden erhalten sie nur, wenn sie die Menschen auf die eigene Arbeit und die Notwendigkeit von Spenden aufmerksam machen. Mit anderen Worten, wenn sie die Menschen um Spenden bitten." wird in der Stellungnahme der Geschäftsführung des Vereins gegen Tierfabriken angeführt. "Der Direktdialog, also das Vorstellen der eigenen Arbeit und die Akquise von meist Fördermitgliedschaften auf der Straße, stellt für viele Organisationen in Österreich ein wesentliches finanzielles Standbein dar. Würde man diese Form der Spendenwerbung verbieten, wäre das mit einem starken Rückgang des Spendenvolumens verbunden und würde die Existenz vieler renommierter österreichischer Organisationen gefährden. Auch wenn der VGT in Innsbruck selbst gar nicht von so einem Verbot betroffen wäre, weil er dort ja gar nicht aktiv um Fördermitgliedschaften wirbt, ist der VGT ganz klar gegen ein derartiges Verbot in Innsbruck."

Leserbericht

Stadtblatt-Leser Joans S. berichtet gegenüber der Redaktion: "Ich habe die Sommersaison 2018 in einem Cafebetrieb in der Maria-Theresien-Straße auf der Terrasse gearbeitet und konnte das Geschehen täglich beobachten. Der Tag der "Spendenkeiler" begann damals gleich wie meine Schicht gegen 10 Uhr an der Kirche gegenüber des Cafes. Zunächst wartete ein eher "ungepflegter "Chef" mit Rasta-Irokesen-Schnitt" auf seine Mitarbeiter. Vor Ort wurden dann die Shirts der entsprechenden Organisation übergezogen und es gab nochmals eine klare Einweisung wie man die Menschen auf der Straße stoppt und anspricht. Der Chef positionierte sich in zentraler Position in der Maria Theresien-Straße, während die anderen Werber "um ihn kreisten". Der Arbeitsablauf hatte einen klaren gewerblichen Charakter, mittags wurde eine Pause eingelegt und die Einnahmen besprochen... war es zu wenig waren auch auf Abstand die Anweisungen mehr zu generieren und "dran zu bleiben" klar vernehmbar. Es war auch erkennbar, dass Stundensätze an die NGOs abgerechnet werden, da an manchen Tagen pünktlich zu Mittag das T-Shirt und Klemmbrett gewechselt wurde. Das Depot für Shirts und andere Dinge befand sich in einem mitgebrachten "Einkaufswagele für Senioren", das zwischen einem Müllereimer und Blumenkasten im unteren Bereich der MTS platziert wurde. Die gesamte Aktion hat keinen karitativen sondern einen gut organisierten, gewerblichen Charakter und passt nicht in das Bild unserer Stadt. Beschämend und entwürdigend."

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