Interview
"Es wird ein schwieriger Herbst"

Erwin Zangerl (AK-Präsident): "Wir hatten in den ersten sechs Wochen nach Beginn der Krise an die 70.000 Beratungen telefonisch und via eMail." | Foto: Friedle
  • Erwin Zangerl (AK-Präsident): "Wir hatten in den ersten sechs Wochen nach Beginn der Krise an die 70.000 Beratungen telefonisch und via eMail."
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INNSBRUCK. Arbeiterkammer Tirol Präsident Erwin Zangerl im Bezirksblätter-Interview zu den Belastungen für die Arbeitnehmer, der politischen Krisenbewältigung und den aufgehobenen Urlaubsplänen.

Bezirksblätter: Sehr geehrter Herr Präsident, Tirol erholt sich langsam von der Schockstarre des Corona-Virus. Wie schätzen Sie aktuell die Lage vor allem für die Tiroler Arbeitnehmer ein?
AK-Präsident Erwin Zangerl: Ich würde sagen, die Lage ist angespannt. Es gibt eine hohe Zahl an Arbeitslosen und eine noch höhere bei jenen, die sich in Kurzarbeit befinden. Ich befürchte einen schwierigen Herbst. Das dürfte auch die Bundesregierung erkannt haben und scheint sich bei der Erhöhung des Arbeitslosengeldes zu bewegen. Was überaus vernünftig wäre und längst überfällig ist. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in einem Hochpreisland leben. Wer soll schon den Konsum antreiben, wenn er nicht einmal Geld für die Miete hat? Deshalb haben wir auf Landesebene auch sofort reagiert und den Härtefall-Fonds für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eingerichtet und einen umfassenden Plan zur Krisenbewältigung an die Bundesregierung gerichtet. Denn, dass es viel Geld brauchen wird, um aus dieser Krise zu kommen, steht außer Frage.

Die Arbeiterkammer ist die Anlaufstelle bei Fragen über die rechtliche Situation der Arbeitsverhältnisse. Welche Schwerpunkte haben sich im Rahmen der Corona-Krise bei den Beratungen der AK-Mitglieder ergeben?
Wir hatten in den ersten sechs Wochen nach Beginn der Krise an die 70.000 Beratungen telefonisch und via eMail, eine unglaubliche Zahl. Das zeigt, wie sehr die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gerade in Tirol von dieser Krise getroffen wurden. Deshalb waren gerade die Expertinnen und Experten im Arbeitsrecht gefragt, aber natürlich auch die Wohn- und Mietrechtsexperten und der Konsumentenschutz bis hin zum Sozialrecht.

Allgemein wird befürchtet, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen vor allem im Herbst spürbar werden. Teilen Sie diese Befürchtungen und wie ist die AK darauf vorbereitet?
Nicht nur Österreich wurde aus einer Phase der Hochkonjunktur binnen kurzer Zeit in die Krise gerissen. Die kommenden Monate werden ein harter Kampf gegen die Arbeitslosigkeit sein. Auf jeden Fall müssen wir alles daransetzen, dass diese Gesundheitskrise nicht zur sozialen Krise wird. Jedes Prozent mehr Beschäftigung ist ein Impuls für unsere Volkswirtschaft, für unsere Konjunktur und für unser Sozialsystem. Wir haben der Regierung ein umfassendes Programm vorgelegt, welche Schritte unsere Meinung nach zu setzen sind, um diese Krise möglichst rasch zu bewältigen. Das geht von der Senkung der Arbeitslosigkeit bis hin zu einem befristeten höheren Steueraufkommen für jene, die es sich leisten können. Durch diese Krise können wir nur gemeinsam durch.

Viele Menschen bedürfen einer raschen und möglichst unbürokratischen Hilfe. Auch die AK hat entsprechende Hilfefonds eingerichtet. So wichtig dieser Fonds auch ist, ist er nicht auch ein Beweis dafür, dass das soziale Netz in Österreich noch zu durchlässig ist?
Unser Sozialstaat hat bewiesen, wie wichtig er für uns alle ist und es hat sich auch gezeigt, dass das soziale Netz hält. Aber wir dürfen nicht aufhören, daran zu arbeiten. Auch jene, die im „System sparen wollen“, wurden eines Besseren belehrt. Corona hat uns klar vor Augen geführt, dass jeder und jede von uns in eine Notlage geraten kann. Umso wichtiger ist ein funktionierender Sozialstaat. Beim Bildungs- und Schulwesen, bei Pension, Krankheit, Pandemie oder Pflege, bei Arbeitslosigkeit oder Erwerbslosigkeit können wir dank der solidarischen Beiträge vor allem der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Fug und Recht behaupten, in einem der sozialsten und sichersten Länder der Welt zu leben. Globalisierung und Neoliberalismus haben bewiesen, wie anfällig Länder in Krisensituationen dadurch sind. Am System sparen zu wollen, heißt Sparen am falschen Platz.

Auch die AK selbst ist von der Krise betroffen, welche Pläne gibt es, um die nötigen Einsparungen umzusetzen?
Es geht uns diesbezüglich wie allen Unternehmen im Land, das Löhne, Steuern und Abgaben zahlen muss. Natürlich führt die hohe Arbeitslosigkeit dazu, dass wir mit bis zu 25 % weniger Einnahmen rechnen müssen, was unseren budgetären Spielraum klarerweise verringert. Deshalb werden derzeit auch alle Möglichkeiten evaluiert, wo Einsparungen möglich sind.

Ein Blick auf die Landespolitik. Die Aufarbeitung der Krise ist zum parteipolitischen Zankapfel geworden, was meint der AK Präsident dazu und wie beurteilt er das politische Klima?
Ich meine, dass es hier um die Tirolerinnen und Tiroler geht. Wenn Fehler bei der Krisenbewältigung gemacht wurden ist das erstens menschlich und zweitens gehe ich von einer Aufarbeitung aus, damit man aus den Fehlern lernt um für die Zukunft noch besser gerüstet zu sein. Corona war und ist ja keine alltägliche Krise. Die Menschen erwarten sich aber in erster Linie rasche Hilfe sowie Perspektiven und kein Hick-Hack, bei dem der ein oder andere politisches Kleingeld wechseln will. In diesem Fall werden wir uns schon eingestehen müssen, dass wir unser Land nur gemeinsam wieder auf die Erfolgsspur bringen können.

Christoph Walser wurde einstimmig zum WK Präsident gewählt, wie läuft die Zusammenarbeit der wichtigsten Sozialpartner?
Die Sozialpartnerschaft hat gerade in der Corona-Krise gezeigt, dass sie uns sozialen Frieden und Sicherheit auch in Notzeiten garantiert, das gilt auch in Tirol für die Zusammenarbeit mit Präsident Walser. Ich denke, wir sind uns einig, dass die Sozialpartnerschaft das Erfolgsmodell der Zweiten Republik ist. Die Sozialpartnerschaft hat immer gemeinsam mit der Regierung wichtige Maßnahmen umgesetzt, damit es den Menschen in unserem Land seit nunmehr 75 Jahren stetig besser gegangen ist, auch in Tirol. Leider brauchte es erst diese Krise, damit die Kritiker verstummt sind, die die Sozialpartnerschaft für überholt bzw. tot erklärt haben. Unser Land ist groß geworden, weil Arbeitgeber und Arbeitnehmer trotz aller Unterschiede immer zusammengearbeitet haben. Getragen stets von der Überlegung, was für die jeweils andere Seite zumutbar ist.

Corona hat alles geändert, wie sieht die Sommerplanung von AK Präsidenten Erwin Zangerl aus?
Corona hat wirklich alles geändert: Deshalb gibt es aufgrund der aktuellen Situation heuer auch keine konkreten Pläne.

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