"Heute ist es eine Managementfunktion"

Michael Berger ist seit 2010 Bezirkshauptmann in Kitzbühel. | Foto: Land/Forcher
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  • Michael Berger ist seit 2010 Bezirkshauptmann in Kitzbühel.
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KITZBÜHEL (niko). Anlässlich des Tages der offenen Tür zum Jubiläum "150 Jahre Bezirkshauptmannschaften" sprachen wir mit BH Michael Berger.

BEZIRKSBLÄTTER: Wie wichtig sind die BH in Zeiten des zunehmenden Online Service als persönliche Ansprechpartner?
MICHAEL BERGER: "Online Service ist dort sinnvoll, wo es wirklich einen Mehrwert bringt, also insbesondere bei Themenbereichen mit im Wesentlichen immer gleichgelagerten Fällen in großer Zahl. Wenn es aber, was in einer BH auch sehr oft vorkommt, um höchstpersönliche Dinge wie etwa familiäre Probleme oder Gesundheitsbelange geht, ist die persönliche Kommunikation unerlässlich. Auch bei oft komplexeren Themen wie zum Beispiel gewerblichen Betriebsanlagen oder auch Wohnbauförderungsanträgen zeigt sich, dass das persönliche Beratungsgespräch meist effektiver ist als diverse bereits vorhandene „Online-Tools“. Die Möglichkeit des unkomplizierten persönlichen Kontaktes wird von den Menschen sehr geschätzt und auch in Anspruch genommen. Deshalb wird die BH auch im digitalen Zeitalter immer auch eine persönliche Anlaufstelle bleiben."

Ist das Amt des Bezirkshauptmanns/frau noch zeitgemäß?
"Die meisten Menschen bringen mit dem inzwischen 150-Jahre alten Begriff Bezirkshauptmann immer noch in erster Linie Repräsentationstätigkeiten in Zusammenhang. In Wirklichkeit hat sich diese Funktion in den letzten 20 Jahren völlig geändert. Der Bezirkshauptmann ist kein halber Politiker, dessen Hauptaufgabe der Besuch diverser Veranstaltungen ist. Vielmehr handelt es sich heute um eine Managementfunktion in einem Dienstleistungsbetrieb, in dem es wie in jedem anderen Betrieb auch um nüchterne betriebliche Zahlen, Daten und Fakten geht. Darüber hinaus, und das ist das Besondere und Reizvolle an dieser Funktion, ist der inhaltliche Aufgabenbereich aber sehr vielfältig und betrifft nahezu alle Lebensbereiche der Menschen. Es sind nicht selten Entscheidungen zu treffen, die für die Betroffenen von substantieller Bedeutung sind und das erfordert ein hohes Maß an Verantwortung.

Wie viele Referate gibt es und wie viele Mitarbeiter sind beschäftigt?
"Es gibt in der BH Kitzbühel 8 Referate und 10 Subreferate, die man auch als Fachbereiche bezeichnen kann. Derzeit sind 111 Mitarbeiter beschäftigt, davon knapp die Hälfte in Teilzeit (92 VZÄ). Auf Führungebene sind es vier Männer und vier Frauen."

Wie sehen Sie Ihre Dienststelle in Zukunft?
"Die BHs sind, um das allgemeine Jubiläumsmotto zu zitieren, '150 Jahre nahe am Menschen'. Ich behaupte, die BHs waren noch nie so nahe am Menschen wie aktuell, zumal Ärmelschonermentalität und Obrigkeitsdenken Gott sei Dank längst der Vergangenheit angehören. Es geht in Zukunft natürlich um das ständige Bemühen, Bürgernähe und Kundenorientierung, aber auch Wirtschaftlichkeit und Effizienz weiter auszubauen. Was manchmal aber vergessen wird, wir sind auch Behörde und haben als solche eine besondere Verantwortung für das in einem demokratischen Rechtsstaat hohe Gut einer gesetzmäßigen Verwaltung. Die zukünftige Stellung der BHs ist eine politische Frage. Ich vermute aber, dass im Sinne der Stärkung der Prinzipien der Subsidiarität und der dezentralen Verwaltung der BH in Zukunft noch mehr Aufgaben und Verantwortung als heute zukommen werden. So kann ich mir durchaus die BH der Zukunft mit 2 Geschäftsbereichen vorstellen, und zwar mit dem klassischen behördlichen Gesetzesvollzug einerseits und als allgemeine Servicestelle für die Bevölkerung im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung andererseits. Entsprechende Überlegungen werden derzeit etwa unter dem Stichwort 'Sozialraumorientierung' diskutiert."

Personalsituation? Gibt es genügend Bewerber?
"Das wichtigste Kapital eines Dienstleistungsbetriebes und ganz besonders für eine Behörde sind gute MitarbeiterInnen. Deshalb führen wir, wenn Stellen zu besetzen sind, sehr aufwändige und auch gut dokumentierte Auswahlverfahren durch. Es gelingt zwar fast immer, MitarbeiterInnen aufzunehmen, die eine echte Verstärkung und Bereicherung sind, die Auswahl könnte manchmal aber durchaus größer sein. Bemerkenswert ist für mich, dass der öffentliche Dienst für Männer im Allgemeinen keine besondere Anziehungskraft zu haben scheint. Ein aktuell schwieriges Thema, das wir aber mit mehreren Institutionen gemeinsam haben, ist die Rekrutierung von ärztlichem Personal."

Wie läuft im Krisenfall das Management an der BH?
"Natürlich kommt dem Bezirkshauptmann auf Bezirksebene, ähnlich wie dem Bürgermeister auf Gemeindeebene, im Krisenfall eine tragende Rolle zu. Ich kann mich aber im Ernstfall auf eine sowohl technisch als auch personell sehr gut ausgestattete Bezirkseinsatzleitung stützen. Wir arbeiten gemeinsam beständig an der Vorbereitung für Krisenfälle und es gibt Krisenpläne für viele denkbare Szenarien. Aktuell arbeiten wir in enger Zusammenarbeit mit den Gemeinden an den Krisenplänen für größere Stromausfälle. Unsere 'Krisenzentrale' kann übrigens beim Tag der offenen Tür am 1. September besichtigt werden."

Historischer Abriss

Die Bezirksstruktur im heutigen Bundesland Tirol war schon bei der Einführung der Bezirkshauptmannschaften im Jahr 1868 dieselbe wie heute. Der erste k.k. Bezirkshauptmann von Kitzbühel war ein gewisser Josef Anton Neuner. In den 77 Jahren bis 1945 gab es nicht weniger als 22 Bezirkshauptmänner mit teilweise sehr kurzen Amtszeiten, bis 1910 in eine Dienstuniform gekleidet und bis dahin zumeist im Adelsstand. Die BH Kitzbühel ist seit 1929 im heutigen BH-Gebäude in der Hinterstadt, das im 16. Jahrhundert als Verwaltungsgebäude der „Bergbaugewerke“ errichtet wurde, untergebracht. Die weitere wirtschaftliche Entwicklung machte stetige bauliche Erweiterung erforderlich, sodass die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel schließlich bis zum Jahr 2016 auf die Objekte Hinterstadt 28, 30 und 34, das Gesundheitsamt im Gebäude Pfarrau 1 und die Bezirksforstinspektion in der Landwirtschaftsschule Weitau in St. Johann aufgeteilt war. 2015 wurde das ursprünglich 1857 erbaute und als Waisenhaus, Kindergarten und zuletzt auch als Musikschule genutzte „Marienheim“ baulich erweitert und in ein modernes Verwaltungsgebäude für die BH Kitzbühel umgebaut. Gleichzeitig konnten die Standorte Hinterstadt 34 und Pfarrau 1 aufgelassen werden.

Die Bezirkshauptleute seit 1945:

31. 12. 1945 bis 31. 12. 1976 Hans Trentinaglia
1. 1. 1977 bis 30. 6. 2006 Hans-Heinz Höfle
1. 7. 2006 bis 31. 1. 2010 Christoph Hochenegg
seit 1. 2. 2010 Michael Berger

Michael Berger

Dr. jur. Michael Berger, 54, verheiratet, 3 erwachsene Kinder; nach 4 Jahren beruflicher Tätigkeit in der Finanzverwaltung 1992 Eintritt in den Landesdienst; nach kurzer Tätigkeit im Amt der Landesregierung bis 2005 Leiter der Ref. Verkehr bzw. Umweltrecht der BH Kitzbühel; 2006 – 2009 Bezirkshauptmann in Kufstein, seit 2010 BH in Kitzbühel,

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