Anna Stampfer (101) erzählt aus ihrem Leben

Anna Stampfer (101) erzählte den BEZIRKSBLÄTTERN aus ihrem Leben zwischen Angst, Liebe, Krisen und dem zweiten Weltkrieg.
  • Anna Stampfer (101) erzählte den BEZIRKSBLÄTTERN aus ihrem Leben zwischen Angst, Liebe, Krisen und dem zweiten Weltkrieg.
  • hochgeladen von Johanna Bamberger

KITZBÜHEL/AURACH (jos). Es ist kurz vor Mittag, die Senioren des Altenwohnheimes in Kitzbühel vertreiben sich die Zeit mit Brettspielen. Unter ihnen befindet sich die Auracherin Anna Stampfer. Seelenruhig sitzt sie am Tisch, während sich andere Senioren einen unerbittlichen Kampf um den Sieg im "Mensch-ärgere-dich-nicht" liefern.
Die BEZIRKSBLÄTTER trafen sich mit der 101-Jährigen zu einem persönlichen Gespräch und konnten einiges über das bewegte Leben der rüstigen Seniorin erfahren, die seit einem Jahr im Altenwohnheim in Kitzbühel residiert. "Ich kam nur ins Altenwohnheim, da ich mir den Oberschenkel gebrochen habe und ich mich somit Zuhause alleine nicht mehr versorgen konnte. Sonst wäre ich schon noch daheim", fasst Stampfer zusammen.

Bewegtes Leben

Geboren wurde Stampfer am 27. Juni 1917 in Aurach, wo sie bei ihrer Großmutter aufwuchs. Somit erblickte sie noch vor dem Ausruf zur Republik in Österreich das Licht der Welt. "Wenn man einmal so alt ist wie ich, hat man viel aus dem Leben zu erzählen. Seit ich vier Jahre alt war bis jetzt weiß ich noch alles. Das ist in meinem Alter eine Seltenheit", scherzt die 101-Jährige. Stampfer ist die Tochter eines russischen Gefangenen, der in der Zeit des ersten Weltkrieges in Kitzbühel stationiert war. "Meine Mutter fuhr immer nach Kitzbühel. Da hat sie sich in meinen Vater einfach verliebt. Damals war das natürlich streng verboten. Aber es ist ja immer so: sobald etwas verboten ist, reizt es die Leute noch mehr", lacht die Seniorin. "Noch dazu war mein Vater ein Mohammedaner, das war damals nicht gerne gesehen", so Stampfer weiter.

"Es gab keine Aufklärung"

Stampfer ging acht Jahre lang in die Volksschule in Aurach. Von ihrer wohlhabenden Großmutter aus Russland erhielt die junge Schülerin selbstgenähte Kleidung. Nach ihrer Schullaufbahn kam sie mit einer Sennerin auf eine Alm, um dort die Ziegen zu hüten. "Dort kam immer ein junger Mann auf Besuch, der mit der Sennerin immer in die Kammer verschwand. Ich war natürlich neugierig und spähte in die Kammer, was sie dort trieben. Damals gab es ja noch keine Aufklärung. Wir eigneten uns unser Wissen im Austausch mit Freundinnen an", so Stampfer.

Wirtschaftskrise und Weltkrieg

In Stampfers Jugend gab es noch keinen Fernseher und kein Telefon. "Bei uns hat es noch keine Nachrichten gegeben. Wir hatten ein Grammophon und die Zeitung. Damit haben wir uns begnügt. Aber wir hatten eine Hausmusik. Meine Mutter war eine Chorsängerin und spielte Gitarre. Mein Bruder hatte auch ein großes musikalisches Talent. Ich war für das Musizieren anscheinend zu 'blöd', aber für das jährliche 'Anklöpfeln' zu Weihnachten hat es schon gereicht.", scherzt die rüstige Seniorin. "Diese Einnahmen haben wir jahrelang zusammengespart und uns nach einiger Zeit einen Grund gekauft." Stampfer und ihre Familie waren in Besitz einer kleinen Landwirtschaft mit einigen Ziegen, Schafen und ein paar Kühen.
In den Zeiten der Weltwirtschaftskrise (1929, Anm. d. Redaktion) nähte sie zudem noch Trachtenjacken bei der Firma Sportalm in Kitzbühel.
Ihren Mann lernte Stampfer in Kitzbühel kennen. Im Jahr 1935 gingen sie ebendort den Bund der Ehe ein.
Im Zweiten Weltkrieg nahm sie eine ungewöhnliche Stellung als Frau ein: Sie arbeitete bei der Eisenbahn als Lokführerin zwischen Wörgl und München. "Auch wir Frauen wurden im Kriegseinsatz eingeteilt, da nahezu alle Männer in den Krieg mussten. Ich musste eine Ausbildung zur Lokführerin in München absolvieren. Nach einiger Zeit wurde ich wieder nach Wörgl versetzt, um dort als Köchin in der Kaserne zu arbeiten", so Stampfer. "Ich kann mich noch genau an diese Zeit erinnern. Damals flogen täglich Flugzeuge über die Stadt. Es wurden Bomben abgeworfen. Wir sind dann immer zur Innbrücke gerannt, um uns dort vor den Bombardierungen zu schützen. Ich habe mit meinen eigenen Augen sehen müssen, wie die Geschütze abgeworfen wurden, es war schrecklich", erzählt die 101-Jährige aus der Kriegszeit.

Memoiren in Planung

Stampfers Leben war immer geprägt von harter Arbeit. Noch weiter in's Detail zu gehen würde Ausmaße eines Buches annehmen. Apropos: Stampfer will demnächst ihre Memoiren verfassen. Dabei hilft ihr ihre Enkelin, da Stampfers Sehkraft immer mehr nachlässt.
Ein Lebenselixier, dass Leute ein hohes Alter erreichen lässt kennt sie nicht. Als Geheimtipp gibt sie aber an, mit Ziegenmilch aufgewachsen zu sein. "Ziegenmilch ist das beste, was man trinken kann. Sie ist reich an vielen Nährstoffen. Vielleicht bin ich ja deswegen so alt. Aber man weiß es nicht genau.", so die 101-Jährige zum Abschluss.

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