Universität Klagenfurt
Corona-Virus und die Auswirkungen auf die Psyche
Das Psychotherapeutische Forschungs- und Lehrzentrum (PFLZ) der Universität Klagenfurt bietet in Zeiten des Corona-Virus Behandlungsplätze an, um in dieser schwierigen Situation Unterstützung zu bieten. Sylke Andreas, die wissenschaftliche Leiterin des Zentrums spricht über die Herausforderungen dieser Krise für die menschliche Psyche.
KLAGENFURT. Die Bedrohungen, die vom Corona-Virus ausgehen, sind sowohl für die körperliche als auch für die seelische Gesundheit eine große Belastung. Deshalb gibt es im PFLZ von nun an Behandlungsplätze, um die Menschen in dieser schwierigen Zeit zu unterstützen. Andreas beschreibt, dass die menschliche Psyche traumatische Erlebnisse meist erst später beginnt, emotional zu verarbeiten und somit die Symptome erst nach dem Ereignis auftreten können.
Resilienz ist ausschlaggebend
Ein belastendes Ereignis werde nicht von jedem Menschen gleich verarbeitet. Hat jemand viele Schutzfaktoren und ist somit bisher gut aufgehoben und psychisch gut entwickelt gewesen - also resilient - so würde er die aktuelle Situation als weniger belastend empfinden als jemand, mit vielen Risikofaktoren. Die Person verfügt also über eine hohe Widerstandskraft und würde demnach weniger Leidensdruck empfinden.
Angst dominiert die Menschen
In der aktuellen Situation sei Angst das dominierende Gefühl der Menschheit. Andreas erklärt, dass Angst ein wichtiges Gefühl sei, welches uns vor Gefahren schützt. In der Psychologie existiere aber auch die pathologische und krankmachende Angst, die übermäßig auftreten würde. Ein Beispiel dafür wäre die Hypohondrie. Die aktuelle Situation, so die Leiterin des PFLZ, sei von großer Unsicherheit dominiert und demnach beobachte man seinen Gesundheitszustand mit äußerster Sorgfalt.
Hilfe per Telefon und per Video
Die aktuelle Situation sei für Personen mit einer Angsterkrankung noch schwieriger zu bewältigen als für psychisch gesunde Menschen. Im PFLZ wurde daher seit gestern eine videobasierte und telemedizinische Behandlung eingerichtet, damit den Patienten in Krisensituationen schnell geholfen werden kann. „Darüber hinaus können wir in der aktuellen Krisensituation noch Kapazitäten für einige weitere Personen zur Verfügung stellen, denen wir im Moment auch kostenlos helfen können", erklärt Andreas. Da diese Einrichtung als universitäres Forschungs- und Lehrzentrum dient, werden die Plätze nur unter dem Einverständnis aufgenommen, die gewonnenen Daten für wissenschaftliche Zwecke verwenden zu dürfen.
Videobasierte Therapie funktioniert
Andreas berichtet, dass die videobasierte Psychotherapie genauso gut funktioniert wie die Therapie mit persönlichem Kontakt. „Ich behandle eine Frau seit zweieinhalb Jahren. Sie lebt in Deutschland. Rund ein Jahr standen wir in persönlichem Kontakt, und ich habe sie mit psychodynamischer Psychotherapie behandelt. Seitdem ich in Klagenfurt bin, behandle ich sie videobasiert. Wir haben wöchentliche Messungen, die zeigen, dass die videobasierte Psychotherapie genauso gute Erfolge zeigt, sowohl bei der Symptomreduktion als auch bei der gleichbleibenden therapeutischen Beziehung."Anzumerken bei diesem Ergebnis sei jedoch, dass vor der videobasierten Therapie schon länger Kontakt zwischen Therapeutin und Patientin vorherrschte. Wie gut diese Form der Therapie funktioniert, wenn schon bei Beginn so therapiert wird, wurde bis jetzt noch nicht erforscht. Normalerweise gelte in Österreich ein Fernbehandlungsverbot, jedoch sei diese Regelung in der aktuellen Corona-Virus-Situation ausgesetzt.
Soziale Kontakte stärken die Psyche
Das größte Problem der aktuellen Krise sei nach Andreas die soziale Isolation. Daher ihr Tipp: „Ich würde empfehlen, alle Medien zu nutzen, die es uns ermöglichen, mit anderen in Kontakt zu bleiben. Stellen Sie Ihre Kommunikation auf Telefon oder Videotelefonie um. Bleiben Sie im Austausch mit anderen. Darüber hinaus gilt es zu betonen: Alle, die unter keiner Quarantäne stehen, können noch immer allein oder mit den Menschen in ihrem Haushalt hinaus ins Freie gehen und frische Luft schnappen. So können wir auch unser Immunsystem stärken und etwas für unsere körperliche Gesundheit tun."
Zur Person
Sylke Andres ist Universitätsprofessorin für Klinische Psychologie und Psychotherapie am Institut für Psychologie. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die psychodynamischen Psychotherapieprozesse, die Mentalisierung im Rahmen der Mentalisierungsbasierten Psychotherapie, Intersession-Prozesse sowie psychodynamisch-psychosoziale Versorgung. Weiters ist sie als selbstständige Psychotherapeutin tätig.
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