Im Gespräch
Felix Mitterer: "Die haben mich einfach rausg'schnitten"

Felix Mitterer gastierte vor Kurzem in Kufstein. Davor nahm er sich die Zeit für ein Interview mit den REGIONALMEDIEN. | Foto: Christoph Klausner
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Vor Kurzem gab Felix Mitterer eine Lesung in der Kufstein Bibliothek. Die REGIONALMEDIEN TIROL nutzen die Gelegenheit für ein Gespräch mit dem renommierten Theater- und Drehbuchautor. 

KUFSTEIN. Felix Mitterer gilt als Aushängeschild der Tiroler Dramatiker. Mit der Piefke-Saga wurde er über die Grenzen hinaus bekannt. Im Interview spricht er unter anderem vom fünften Teil, warum dieser ihm nicht leicht von der Hand gegangen ist und wie es mit dem Drehbuch für den Kinofilm "Märzengrund" (Kinostart August 2022) gelaufen ist.

Regionalmedien: Wie ist es Ihnen in den letzten zwei Jahren, während der Pandemie, gegangen?
Felix Mitterer: "Mal abgesehen davon, dass nix los war (lacht). Abgesehen davon hat sich für mich nicht wahnsinnig viel geändert, weil der Autor sowieso daheim hockt und schreibt. In Isolationshaft sozusagen (lacht). Es war erträglich, weil ich es einfach gewöhnt bin daheim zu arbeiten."

Haben Sie als Autor viel Inspiration aus der Pandemie herausziehen können?
"Für mich ist es besonders schwierig über die Zeit zu schreiben, in der man gerade steckt. Da muss man schon gut sein, und so gut bin ich nicht. Ich hab' das gemerkt, während ich eine Fortsetzung der Piefke-Saga geschrieben habe – quasi den fünften Teil. Da bin ich dann draufgekommen, warum es mir schwer fällt. Erstens: Irgendwann kommt der Punkt, wo einem die Leute leid tun. Es gebe zwar auch genügend andere mit denen man Mitleid haben könnte, aber sei's drum. Zweitens: Das Ganze (die Piefke-Saga, Anm. d. Red.) war ursprünglich ungeliebt, aber man hat's halt gemacht und dann ist es explodiert. Das heißt, dass man einen Erfolg nicht absichtlich herbeiführen kann."

Ungeliebt? Wie kam es dann dazu, dass das Drehbuch der Piefke-Saga doch verfilmt wurde?
"Der NDR hat das gemacht, nicht der ORF. Die Verantwortlichen haben den damaligen Fernsehspielchef des NDR (Dieter Meichsner, Anm. d. Red.), der zudem ein Bergfex und Tirolfreund war, davon abgeraten. Mach' was von der Lüneburger Heide, aber nicht immer was aus Tirol, sagten sie zu ihm. Ich wollte das Drehbuch ursprünglich aber auch gar nicht schreiben. "Das ruft ja nach einer Satire", meinte Meichsner damals zu mir. Dann hab ich's halt geschrieben. Trotzdem ist die Piefke-Saga zu Beginn erst in einer Schublade gelandet. Das war Mitte der 80er-Jahre. Ein paar Jahre später hat es der Fernsehspielchef, weil's ihm keine Ruh' lassen hat, wieder ausgegraben."

Hat Ihnen die  Piefke-Saga selbst auch gut gefallen?
"Mit der Verfilmung bin ich sehr zufrieden. Der Regisseur Wilfried Dotzel hat das so hervorragend und raffiniert umgesetzt, sodass es ein Riesenerfolg geworden ist. Mit dem hat überhaupt niemand gerechnet. Zudem war es ein Geschenk für den Autor. Plötzlich war mein Name und mein Gesicht bekannt und das ist unglaublich - das bekommst du sonst nicht im Leben. Ich war sehr glücklich über das Endergebnis und über die Auswirkungen, obwohl diese meiner Familie teilweise furchtbar auf die Nerven gegangen sind." (lacht)

Wird der fünfte Teil über Ischgl ebenfalls verfilmt?
"Ich hab das Drehbuch schon seit eineinhalb Jahren fertig. Aber ich selbst bin nicht so zufrieden damit. Zudem findet sich kein deutscher Partner. Die beim NDR erinnern sich nur ungern an die Piefke-Saga. Es gab da nämlich auch noch diesen ominösen vierten Teil. Der war nicht geplant - selbst dem damaligen Fernsehspielchef (NDR, Anm. d. Red.) war dieser damals zu viel. Und ich war niemanden böse, dass da zuerst nix zustande gekommen ist. Aber nachdem die ersten drei Teile so ein großer Erfolg waren, wollte der damals zum ORF zurückgekehrte Intendant Gerd Bacher unbedingt eine Fortsetzung. Das ging ja eigentlich nicht, die Geschichte war ja aus. Aber ich erzählte ihm von diesem vierten Teil, der nie gedreht wurde. Daraufhin hat der ORF beschlossen, den vierten Teil zu machen, ohne jemals das Drehbuch gelesen zu haben. Das hatte Folgen: Sein Nachfolger wurde damals aufgrund des vierten Teils entlassen. Das muss man sich mal vorstellen, obwohl der gar nichts dafür konnte! Er hat es im Nachhinein ja trotzdem geschafft, aber damals hat er mir leid getan."

Ich hoffe, dass...

Sie lesen heute aus dem Geschichtenband "An den Rand des Dorfes" vor - gibt es darin eine Erzählung, an die sie sich besonders gern erinnern?
"Diesen Band hab' ich in den 70er Jahren geschrieben, 1981 ist er dann erschienen. Jedenfalls sind das uralte Geschichten. Damals hab ich alles reingetan, was ich gehabt hab. Auf Seite 7 gibt's zum Beispiel eine Inventur der Küche meiner Mutter, die Landarbeiterin war. Das ist nix anderes wie die Beschreibung dieser 'Wohnkuchl' - wenn ich das aber nicht gemacht hätte dann wüsste ich es nicht so genau. 
Eine Geschichte ist drinnen, die heißt Jakob. (....) Nein. “Konrad - oder - Das Befinden des Führers hat sich nicht verschlechtert”. An diese Geschichte erinnere ich mich noch gut. Der Führer war in diesem Fall der Caudillo (Diktator in Spanien, Anm. der Red.). Damals ist jeden Tag in der Zeitung gestanden, wie es ihm grad geht. Das habe ich abgeschrieben und dann eine Geschichte daraus gemacht. Für die Geschichte hab ich 1980 den Walter-Buchebner-Preis in Mürzzuschlag bekommen. In der Jury saß damals unter anderem Elfriede Jelinek. Mitten im Winter bin ich dann nach Mürzzuschlag gefahren. Bist du gscheit, war des weit. Aber das hab' ich gern gemacht, weil mir der Preis sehr wichtig war."

Normalerweise gibt Felix Mitterer kaum Lesungen. Anfang Mai machte er aber eine Ausnahme - er gastierte in der Kufstein Bibliothek und las aus seinem Geschichtenband "An den Rand des Dorfes". | Foto: Christoph Klausner
  • Normalerweise gibt Felix Mitterer kaum Lesungen. Anfang Mai machte er aber eine Ausnahme - er gastierte in der Kufstein Bibliothek und las aus seinem Geschichtenband "An den Rand des Dorfes".
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Mit "Märzengrund" kommt diesen August ein Film ins Kino, dessen Drehbuch Sie mit Adrian Goiginger zusammen geschrieben haben. Wie ist es Ihnen dabei gegangen?
"Ich wusste, er (Goiginger, Anm. d. Red.) ist ein sturer Hund, da habe ich keine Chance. Zudem ist er ein hervorragender Regisseur, der einen hervorragenden ersten Film mit "Die Beste aller Welten" gemacht hat. Und da war er genauso stur. Er sagte damals, wenn er die Hauptdarstellerin (Verena Altenberger, Anm. d. Red.) nicht bekommt, dann macht er es nicht. Viele meinten zu dieser Zeit, sie sei die Falsche. Sie war aber nicht die Falsche. Er hat nämlich gewusst, wie man das richtig macht. Und nachdem ich das gewusst habe, sagte ich ganz einfach: Mach' was du willst. Es ist ein schöner Film geworden. 

An welchen Projekten arbeiten Sie momentan?
"Mit Markus Plattner in Schwaz arbeite ich an der Wiederaufnahme des Stückes "Silberberg". Mit ihm mach' ich auch noch ein Stück über die Schwazer Tabakfabrik, die 2005 geschlossen wurde. Das ist ein Haufen Arbeit. Gegenüber vom "SZentrum" (Einkaufszentrum in Schwaz, wo die Tabakfabrik früher war, Anm. d. Redaktion) ist eine Riesenscheune vom Grafen Enzenberg, die sich gut eignet fürs Theaterspielen eignet und da werden wir es hoffentlich machen. Über die Traudl Hecher, die berühmte Skirennläuferin, möchte ich auch noch was machen.
Auch für Kirchberg in Tirol mach' ich was. Vor langer Zeit habe ich in Kirchberg im Film "Ich kauf mir lieber einen Tiroler Hut" mitgespielt. Ich dürfte damals 14 Jahre alt gewesen sein. Die haben also dort diesen blöden Film gedreht und ich wollt unbedingt mitspielen. So habe ich beispielsweise im Sommer für eine Bäckerei gearbeitet, für welche ich das Brot ausgetragen habe. Da war auch eine Kasse, aus der ich Kleingeld gestohlen habe, damit ich mir eine "Kodak Instamatic" kaufen konnte, um die Darsteller fotografieren zu können. Der Bäckersfrau hab' ich das übrigens gestanden - sie hat mir verziehen. Jedenfalls haben sie mich dann als Statist mitspielen lassen. In meiner Szene mussten wir dann alle vor dem Gemeindeamt über eine Hecke springen und irgendjemanden verfolgen. Als dann die Premiere in Kirchberg kam, hab' ich gesehen, dass die mich einfach rausg'schnitten haben. Und darüber schreib' ich jetzt eine Komödie für die Kirchberger Volksbühne. Über einen Jungen, der sich in die Hauptdarstellerin verknallt hat, unbedingt mitspielen will und dann rausgeschnitten wird." (lacht)

Sie haben so viele Theater- und Drehbücher verfasst. Ist Ihnen das Schreiben immer leicht gefallen?
Nein, es hat immer Leute gegeben, die sagten: 'Bitte schreib uns was.' Ich selbst bin da zu faul.

Wer waren Ihre Motivatoren?
"Ganz verschieden. Bei 'Märzengrund' war es Heinz Tipotsch aus Stumm. Das Stück wollte ich ursprünglich zu keinen Preis schreiben. Der hat mich auf den Mann (Einsiedler, auf dessen Geschichte der Film 'Märzengrund' beruht, Anm. d. Red.) hingewiesen, als dieser noch im Märzengrund war. Da fragte ich: Spinnst du? Erstens: Das ist ein Film und kein Theaterstück, weil man die Landschaft sehen muss, in die er sich zurückzieht. Und zweitens: Wenn der schon mit der Gesellschaft bricht und sich zurückzieht, dann braucht der mich nicht. Dann will der nicht, dass ich da ein Stück schreib. Dann ist hinzugekommen, dass der Mann krank wurde und im Altersheim gelandet ist. Als ich dann mit ihm reden wollte, war es bereits zu spät. Daraufhin habe ich seine Schwester, Jäger und alle möglichen Leute, die ihn gekannt haben, befragt. Das war eine Spurensuche. Ich hab' mir halt aufgeschrieben, was ich rausgefunden habe. Und auf einmal explodiert das wieder - wie bei der Piefke-Saga. Alle wollten plötzlich dieses Stück sehen und ich dachte mir, was ist denn jetzt los? Die Menschen scheint es wohl zu interessieren, warum jemand so etwas tut und auf sich nimmt. Offenbar gibt es auch mehr Menschen, die sich zurückziehen möchten.
In meinem Leben ist es jedenfalls immer wieder so gewesen, dass irgendwer kommt und sagt: 'Geh, moch' wos!' Und dann schrieb' ich und dann wurde etwas draus. Ich bin ewig dankbar, dass es solche Leute gibt."

Haben Sie eigentlich immer darauf geachtet, dass Sie möglichst nah an der Wahrheit bleiben? 
"Mir kommt vor, ich kann nur wahre Geschichten schreiben, weil ich gar nicht genug Fantasie hab. Vielleicht hab ich aber auch zu viel Fantasie." 

Das Interview wurde bearbeitet und gekürzter Form wiedergegeben.

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